Seewölfe - Piraten der Weltmeere 527. Roy Palmer

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 527 - Roy Palmer


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finde, wir sollten ihn ganz in Ruhe lassen. Allmählich vergeht das schon wieder.“

      „Das“ bohrte in Philip juniors Brust wie glühendes Feuer. Sein Zwillingsbruder Hasard hatte auch nichts ausrichten können. So sehr er sich auch Mühe gegeben hatte, seinen Bruder umzustimmen – Philip stand nur da und schwieg. Er träumte von Ching Yih. Am liebsten wäre er auf der Stelle tot umgefallen, weil er nicht mehr bei ihr sein konnte.

      Mac Pellew stand auf der Kuhl vorm Kombüsenschott und schaute so traurig zu dem Jungen, als müsse er jeden Augenblick anfangen zu heulen wie ein Schloßhund.

      „Ja, dagegen gibt’s eben kein Mittel“, murmelte er.

      „Kann man da gar nichts machen?“ fragte Higgy den Kutscher.

      „Nichts, gar nichts“, erwiderte der Kutscher.

      „Und wenn er zwei Pint Rum runterkippt?“ erkundigte sich Paddy Rogers.

      „Dann wird alles nur noch schlimmer“, entgegnete der Kutscher.

      „He“, sagte Higgy. „Wie wär’s mit Schröpfköpfen?“

      „Mann“, sagte Mac mit grimmiger Miene. „Nun mach aber mal einen Punkt. So was Blödes habe ich mein Lebtag nicht gehört.“

      „Ich bin mal dabeigewesen, wie sie einen Kerl, der total weggetreten war, in ein Faß voll lebendiger Aale gesteckt haben“, berichtete Jeff Bowie. „Hölle, das hat vielleicht gewirkt. Der Kerl ist aus dem Faß gesprungen und hat auf der Stelle getanzt, und dann war er wieder ganz normal.“

      „Hört mal zu“, sagte der Kutscher zu den Männern. „Roßkuren nutzen hier gar nichts. Wenn wir Philip ignorieren, tun wir ihm sogar einen Gefallen. Er möchte mit seinem Problem allein sein. Und er wird auch ganz allein damit fertig, verlaßt euch drauf.“

      „Ignorieren, was ist denn das?“ wollte Paddy wissen.

      „Einfach nicht beachten“, erklärte sein Freund Jack Finnegan.

      „Ach so. Aha.“

      Etwas später gelang es Plymmie, der Wolfshündin, Philips großes Schweigen zu brechen. Sie setzte sich einfach neben ihn und legte ihren Kopf gegen sein rechtes Bein. Da gab Philip einen Seufzer von sich, der aus der Tiefe des Laderaums zu stammen schien. Er legte seine Hand auf Plymmies Kopf und kraulte die Hündin zärtlich.

      „Wenn du wüßtest, wie mir zumute ist“, murmelte er.

      Plymmie ließ einen winselnden Laut ertönen. Instinktiv schien sie zu begreifen, daß ihr Zweibeiner Sorgen hatte. Sie schnaufte und leckte seine Hand. Philip junior blickte zu ihr hinunter und lächelte schwach.

      „Ja, irgendwie muß man damit fertigwerden“, sagte er. „Ich komme schon darüber hinweg.“

      Plymmie wedelte mit dem Schwanz und jaulte, als wolle sie Philip junior etwas mitteilen.

      „Keine Angst, ich bin noch voll bei Verstand“, sagte Philip. „Und schönen Dank für deine Hilfe.“

      Kurze Zeit darauf wurde die Aufmerksamkeit der Arwenacks auf etwas ganz anderes gelenkt. Bill, der Ausguck im Großmars, sichtete Mastspitzen an der nordöstlichen Kimm. Sofort spähten die Männer in die angegebene Richtung. Die Kieker wurden reihum weitergereicht, jeder wollte sich ein Bild von den Schiffen verschaffen, die da plötzlich aufgetaucht waren.

      Hasard und Dan O’Flynn nahmen die Mastspitzen vom Achterdeck aus in Augenschein.

      „Das sind keine Galeonen“, sagte der Seewolf.

      „Weder Dons noch Holländer“, bestätigte Dan. „Das sind Dschunken, und zwar ziemlich große.“

      „Piraten oder Handelsfahrer?“ erkundigte sich Ferris Tucker.

      „Genaueres ist noch nicht zu erkennen“, erwiderte Dan. „Aber was mir zu denken gibt, ist die Stärke des Verbandes. Ich kann sechs dreimastige Dschunken zählen.“

      „Ich halte es für unklug, daß wir uns ihnen zeigen“, sagte Hasard. „Wenn wir uns auf ein Gefecht einlassen müssen, haben wir einen harten Stand. Das Risiko ist mir zu hoch.“

      „Was hast du vor?“ fragte Old O’Flynn. „Willst du dich verziehen?“

      „Die Küste kann nicht mehr weit entfernt sein“, entgegnete der Seewolf.

      Dan warf einen raschen Blick auf die Karte. „Stimmt, bald müßte sie in Sicht geraten.“

      Hasard schaute zu Bill hoch. „Welchen Kurs segeln die Dschunken?“

      „Süden, Sir!“

      „Wir fallen ab und gehen auf Kurs West-Nord-West“, befahl Hasard. „Vielleicht haben wir Glück, und die Kerle an Bord der Dschunken haben uns noch nicht gesehen. Wir versuchen, unter Land zu gehen und in eine Bucht zu verholen, wo sie uns nicht entdecken können.“

      Pete Ballie legte das Ruder Steuerbord, die Crew schrickte die Schoten. Die „Santa Barbara“ fiel vom Wind ab und fuhr eine Halse. Dann befand sie sich auf ihrem neuen Kurs und lief die chinesische Festlandküste südlich von Shanghai an. Daß Hasards Vorsichtsmaßnahme richtig war, bestätigte sich: Der Dschunken-Verband bestand aus noch mehr Schiffen, als Dan O’Flynn vorher hatte zählen können – mehr als ein Dutzend!

      Allmählich vergrößerte sich die Distanz zwischen der Galeone und dem fremden Verband wieder. Ob die Chinesen an Bord der Dschunken die „Santa Barbara“ entdeckt hatten oder nicht, ließ sich vorerst nicht feststellen. In diesem Punkt waren Hasard und seine Mannen auf reine Vermutungen angewiesen. Viel wichtiger war dem Seewolf aber, so schnell wie möglich die Küste zu erreichen.

      Die „Santa Barbara“ rauschte unter Vollzeug dahin. Sie lief gute Fahrt, knapp sieben Knoten. Nur eine Stunde verstrich, und Bill konnte die Küste im Westen als grauschwarze Linie erkennen. Wenig später zeichneten sich die Umrisse von Hügeln und Senken ab.

      Das Kartenmaterial, das Hasard von diesem Landstrich zur Verfügung hatte, war nicht sonderlich gut. Aufs Geratewohl steuerte er das Festland an. Das einzige, was er mit Sicherheit wußte, war die Tatsache, daß sie sich in der Nähe von Zhelin befanden.

      Möwen und andere Seevögel schwebten auf die „Santa Barbara“ zu und umkreisten sie. Die Männer blickten zu ihnen auf, dachten aber an die Dschunken. Was hatte das Aufkreuzen so vieler Segler zu bedeuten? Was wollten sie in dieser Gegend?

      Hasard hatte die Galeone gefechtsklar machen lassen. Nur die Stückpforten waren noch nicht geöffnet, doch es würde eine Sache von wenigen Augenblicken sein, die Pforten aufzuziehen und das Feuer auf den Gegner zu eröffnen – falls das erforderlich wurde.

      „Freundlich sind die Zopfmänner uns bestimmt nicht gesonnen“, sagte Big Old Shane. „Wir haben ja unsere Erfahrungen. Ich glaube nicht, daß die uns mit offenen Armen begrüßen, wenn wir uns ihnen zeigen.“

      „Bestimmt nicht“, pflichtete der alte O’Flynn ihm bei. „Für die sind wir fremde Teufel. Am liebsten würden sie uns in siedendem Öl backen.“

      „Fest steht, daß wir wieder eine Verzögerung hinnehmen müssen“, sagte Ben Brighton. „Ich frage mich, wie das weitergehen soll! Wenn wir dauernd aufgehalten werden, sind wir auch den nächsten Monat noch hier. Dann können wir gleich überwintern.“

      „Und ob wir überhaupt Brandsätze kriegen, ist noch fraglich“, sagte Old O’Flynn.

      „Hört auf“, sagte der Seewolf. „Ich weiß, es ist schon Ende September geworden, und wir hätten längst auf der Rückreise sein können. Aber daß das Leben aus Kompromissen besteht und man eine Menge Geduld haben muß, um sein Ziel zu erreichen, solltet ihr ja wohl auch wissen.“

      „Na klar“, brummte Ferris. „Aber so freundlich wie auf den Tschuschan-Inseln werden wir bestimmt nirgends mehr empfangen. Dieses Land steckt voller böser Überraschungen.“

      „Darauf waren wir vorbereitet“, entgegnete Hasard. „Aber zurück zu den Dschunken. Wenn ihr meine Meinung


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