Seewölfe - Piraten der Weltmeere 144. Roy Palmer

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 144 - Roy Palmer


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„Santa Angela“ etwa fünfzehn Meilen von der Küste entfernt auf die arg lädierte Galeone „Sao Joao“, die vor dem Wind trieb. Der Sturm hatte ihr den Besanmast zerschlagen, wie ein Baum war er gefällt worden. Mit nur noch zwei Masten und unzureichender Takelung hatte der Kapitän getrachtet, das Land zu erreichen.

      Jetzt gab es ein Wiedersehen, das in etwas angenehmerer Atmosphäre als das zwischen Schiffbrüchigen und Rettern verlief – Lucio do Velho fand in einem Gespräch von Bord zu Bord sogar ein paar lobende Worte für den Kapitän der „Sao Joao“, der sich so tapfer gehalten hatte.

      Mit neuen Segeln wurde die „Sao Joao“ versorgt, dann konnte sie sich den beiden anderen Schiffen anschließen. Die Suche nach dem Rest des Verbandes ging weiter, immer an der Küste entlang in Richtung Süden.

      Der Rest des Verbandes – das konnte jetzt nur noch die „Sao Sirio“ sein. Do Velho hatte seine Zweifel, daß das Schiff den heftigen Sturm überstanden hatte, aber er wollte endgültige Gewißheit haben und ließ nicht locker, bis er die ganze Wahrheit erfuhr.

      Sie offenbarte sich ihm nicht sehr viel später, und seine düsteren Ahnungen wurden mit einem Schlag bestätigt.

      Der Ausguck der „Candia“ sichtete zunächst die Steilküste, der sie sich jetzt genähert hatten, und dann die Schatten, die unweit dieses ungastlichen Ufers aus der See ragten. Sofort wies er seinen Kommandanten darauf hin.

      Do Velho richtete wieder sein Spektiv auf die Entdeckung.

      „Ein Riff“, sagte er zu den Männern des Achterdecks. „Ein sehr gefährliches Riff. Wir haben jetzt ablaufendes Wasser, und man kann die Felsen aus den Fluten hochwachsen sehen. Bei Flut sind sie aber völlig verdeckt. Einer, der die Gegend nicht genau kennt, muß unweigerlich mit seinem Schiff auflaufen, falls er in Ufernähe gerät. Der auflandige Wind konnte heute nacht ein Schiff leicht auf Legerwall drücken.“

      Ignazio, der sich ebenfalls mit einem Fernrohr bewaffnet hatte, stieß plötzlich einen bestürzten Laut aus, eine Mischung aus Seufzen und Keuchen. „Senor, ich sehe Schiffstrümmer auf dem Riff.“

      „Ich sehe sie auch, du Narr!“

      „Sie meinen doch wohl nicht, daß es die Wrackteile der – mein Gott, laß es nicht wahr sein.“

      „Warum so melodramatisch, Bootsmann?“ entgegnete do Velho. „Ich habe keinen Zweifel daran, daß wir die total zertrümmerte ‚Sao Sirio‘ vor uns haben. Warum soll man sich Illusionen hingeben, wenn die Tatsachen unverkennbar sind?“

      Ignazio ließ das Spektiv sinken. „Ich frage mich, was aus dem Kapitän und seiner Mannschaft geworden ist. Monforte – so heißt der Capitán doch, nicht wahr, Senor? Ob er noch lebt? Ob sich die Besatzung an Land retten konnte?“

      „Darauf, werter Ignazio, können uns die Wrackteile weiß Gott keine Antwort geben“, erwiderte do Velho bissig.

      2.

      Hasard blickte noch einmal in Joseas dunkle, traurige Augen, ehe er in das am Ufer der Bucht bereitliegende Beiboot der „Isabella VIII.“ stieg und an Bord seines Schiffes zurückkehrte.

      „Du glaubst also nicht mehr, daß alle Engländer gottverfluchte Schufte sind?“ fragte er sie.

      „Nein, ganz bestimmt nicht. Unter den Ingléses gibt es gute und schlechte Leute, genau wie bei uns.“

      Hasard lächelte. „Hoffentlich ist das nicht nur ein Lippenbekenntnis. Nein, nein, du brauchst jetzt nicht zu beteuern, daß du aufrichtig bist. Ich will dir vertrauen, Josea. Laß dir zum Abschluß nur noch eins gesagt sein. Der Kampf, den wir gegen Spanien-Portugal führen, hat nichts mit unserer Einstellung zu der Bevölkerung dieser beiden Länder zu tun. Man findet überall Freunde, wenn man nur will, und wir haben sogar einmal einen Spanier an Bord unseres Schiffes gehabt.“

      „Teilt deine Königin diese Ansichten?“

      „Die ‚Isabella‘ gehört nicht der offiziellen englischen Flotte an, Josea.“

      „Aber wer bist du dann eigentlich, Lobo del Mar?“

      „Ein Korsar – und ein Rebell, wenn du so willst.“

      Eines ist sicher“, sagte sie leise. „Ich werde dich nicht vergessen. Es tut mir leid, daß ihr schon wieder aufbrechen müßt. Könnt ihr nicht noch bleiben?“

      Segura und Franca, ihre jüngeren Schwestern, standen dich hinter ihr, blickten den großen Mann mit dem schwarzen Haar und den eisblauen Augen an und drückten allein durch ihr Mienenspiel die gleiche Bitte aus: Ja, bleib doch noch, Seewolf!

      Hasard schaute an den Klippfelsen hoch, die die geschützt liegende Bucht säumten. Ganz oben stand die Abuela, die Großmutter Brancate, eine urwüchsige, knorrige Gestalt, die mit dem schroffen Gestein verwachsen zu sein schien. Sie hatte die halbe Meile Weg vom Haus der Brancates zur Bucht nicht gescheut. Mitgelaufen war sie, um den Seewölfen. Adios zu sagen, und in diesem Augenblick hob sie ihren Stock und winkte Hasard damit zu.

      Auch der Profos Carberry, der gerade in dem zweiten Beiboot zur „Isabella“ übersetzte, blickte zu der alten Frau hinauf. Er grinste, richtete sich dann kerzengerade auf und brüllte in seinem fürchterlichen spanischen Kauderwelsch: „Leb wohl, Rose von Portugal, und nochmals vielen Dank für den guten Landwein. Wir werden das Zeug schon alle kriegen. Und natürlich passen wir auf, daß wir die Flaschen nicht verwechseln, du kannst dich darauf verlassen!“

      „Na“, sagte Big Old Shane, der auf der Ducht hinter Carberry saß. „Da würde ich mal nicht so sicher sein. Es gibt Leute, die vor lauter Zerstreutheit den falschen Wein saufen. Und dann buddeln sie ab und pennen ein, wie man so schön sagt.“

      Der Profos drehte sich halb zu ihm um. „Sag mal, auf was willst du eigentlich anspielen, du alter Eisenbieger?“

      „Ach, ich meine das nur so“, erwiderte Shane mit breitem Grinsen.

      Ferris Tucker, Ben Brighton, Dan O’Flynn und die anderen im Boot begannen zu lachen.

      „Ihr Heringe“, brummte Carberry. „Paßt bloß auf, daß ihr nicht baden geht. Das kann euch nämlich ganz schnell passieren, wenn ihr nicht eure dämlichen Schandmäuler haltet.“

      Es wurmte ihn mächtig, daß sie ihn wegen seines Ungeschicks auf den Arm nahmen. Etwas zu voreilig hatte er nämlich Pinho Brancates Gastfreundschaft angenommen und einen Becher von dem „vorzüglichen portugiesischen Landwein“ in sich hineingekippt. Daß dem Rebensaft eine gehörige Dosis Schlafmittel beigepanscht war, hatte er etwas später dann am eigenen Leib erfahren.

      Die Abuela hatte gegen ihren Willen den Schlaftrunk zubereitet, weil ihr Sohn Pinho ihr immer wieder angedroht hatte, er würde sie in einem kleinen Boot den Dämonen der See ausliefern, falls sie sich weigere. Carberry hatte dieses Boot im Keller des Hauses inzwischen zerstört – und die Abuela war zufrieden.

      Fässer und Korbflaschen verschiedener Größen waren an Bord der „Isabella“ gemannt worden, nachdem die unerfreuliche Episode in der Herberge der Brancates überstanden gewesen war. Trinkwasser aus dem Brunnen befand sich in den Fässern, die Korbflaschen enthielten weißen und roten Wein, wobei der Großteil davon tatsächlich naturrein und unverfälscht war, wie die Abuela und die drei Mädchen glaubhaft versichert hatten. Vorsichtshalber und für alle Fälle hatte der Seewolf aber auch den Rest des Schlaftrunks mitgenommen – der schwappte in drei besonders gekennzeichneten Flaschen.

      Hasard richtete seinen Blick wieder auf die Mädchen. „Und ihr werdet nun wirklich keine Seeleute mehr in euer Haus locken und überrumpeln?“

      „Wir schwören es“, sagte Josea.

      „Wer am Riff Schiffbruch erleidet, dem werden wir helfen“, versicherte Segura. „Nur das – ohne uns zu bereichern.“

      „Und wovon wollt ihr leben?“

      „Von ehrlicher Arbeit“, antwortete die dreizehnjährige Franca.

      „Das


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