Seewölfe - Piraten der Weltmeere 144. Roy Palmer

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 144 - Roy Palmer


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ernst. „Seit wir durch einen reinen Zufall vernommen haben, daß unser Vater und unsere Brüder uns hinters Licht geführt haben, ist alles anders. Für uns ist eine Welt zusammengebrochen. Unsere Eltern und unsere Brüder – sie haben uns angelogen und uns für ihre verbrecherischen Zwecke ausgenutzt. Niemals hätten wir mitgemacht, wenn wir gewußt hätten, daß sie ihre Opfer von den Klippen stürzten, statt sie irgendwo auszusetzen und unbehelligt zu lassen.“

      „Der Padre sagte uns immer wieder, der Schlaftrunk raube einem Mann auch die Erinnerung“, fügte Segura bitter hinzu. „Deswegen glaubten wir ihm. Wir dachten, keiner der um sein Hab und Gut Erleichterten würde jemals in Erwägung ziehen, zu uns zurückzukehren, weil er eben nicht mehr wußte, wie ihm geschehen war.“

      Franca sagte: „Du solltest auch von den Klippen stürzen, Lobo del Mar. Du und deine Männer. Und genauso sollte es dem Capitán Monforte und seinen Freunden ergehen.“

      „Pinho, Emilia, Charutao und Iporá haben ihre gerechte Strafe verdient“, sagte Hasard. „Vergeßt aber nicht, daß sie eure Eltern und eure Brüder sind. Vielleicht bereut ihr noch, daß ihr ihnen trotz allem nicht mehr beigestanden habt.“

      „Nein“, sagte Josea, und es klang fast erschreckend hart. „Wir können sie nicht bedauern. Jetzt nicht mehr. Mörder gehören hingerichtet, so bitter das auch für die Familie ist. Aber wir haben die Abuela, die uns als guter Geist des Hauses zur Seite steht.“

      Hasard drehte sich zum Beiboot um. Matt Davies und die anderen Insassen blickten ihn fragend an. Ja, es wurde Zeit, daß auch sie sich an Bord der Galeone begaben. Je länger sie jetzt noch in der Bucht verweilten, desto gefährlicher wurde dieses Versteck für sie.

      Die See hatte sich beruhigt, und ein frischer Wind aus Nordwesten konnte schon bald die Konfrontation mit einem gegnerischen Schiff oder gar mit einem ganzen Verband herbeiführen. Die Spanier und Portugiesen kontrollierten ihre Küsten scharf, denn nach dem Überfall auf Cádiz waren sie außer sich vor Wut. Es war gut, jetzt Abstand zu ihnen zu gewinnen.

      Hasard wandte sich wieder zu den Mädchen um. „Der Richter, dem Capitán Monforte die vier übergibt, wird Pinho, Emilia, Charutao und Iporá schwerlich nachweisen können, was sie in den vergangenen Jahren getan haben. Nur Alvaro Monfortes Wort hat Gewicht, die Aussage eines Kapitäns der unüberwindlichen Armada. Wegen des Versuchs, die Männer der ‚Sao Sirio‘ nach allen Regeln der Kunst auszuplündern, wandern eure Angehörigen sicherlich für einige Jahre hinter Gitter. Wenn sie wieder freigelassen werden, wird ihnen die Lust vergangen sein, ihre Mitmenschen auszunehmen.“

      Josea seufzte. „Hoffentlich.“

      „Hin und wieder bringen wir ihnen etwas zu essen in den Kerker“, sagte Franca. „Nicht wahr, das tun wir doch, oder?“

      „Ja, ja“, erwiderte Segura. „Aber darüber brauchen wir uns jetzt noch nicht den Kopf zu zerbrechen.“

      Hasard griff in die Tasche. „Das finde ich allerdings auch. Sorgen müßt ihr euch vielmehr um euren Lebensunterhalt machen. Es ist furchtbar, hungern zu müssen, ihr habt es am eigenen Leib erfahren, und ich will nicht, daß ihr wieder in so große Not geratet.“ Er brachte einen kleinen ledernen Beutel zum Vorschein. „Ja, Josea, es stimmt, wir befördern natürlich kein Getreide für die irischen Speicher in den Frachträumen unseres Schiffes. Ihr könnt erraten, was ein Korsar als Ladung mit sich führt.“

      „Schätze“, flüsterte Segura. „Haufenweise Kostbarkeiten – wie die in deiner Kammer, Lobo del Mar. Mein Gott.“

      Hasard drückte Josea den Lederbeutel in die Hand. „Ich hoffe, ihr habt ein sicheres Versteck irgendwo in eurem Haus. Keiner außer euch darf von diesem Beutel wissen.“

      „Sicher!“ rief Franca begeistert aus. „Der ausgehöhlte Ziegelstein in der Kammer unserer Madre und unsres Padre! Einen besseren Platz gibt es nicht!“

      „Na also“, sagte der Seewolf lächelnd.

      „Einen Augenblick“, stieß Josea jetzt hervor. „Das können wir aber nicht annehmen, Hasard. Erst werdet ihr in unserer Herberge angegriffen und riskiert euer Leben, und dann übergibst du uns auch noch ein Geschenk.“

      „Mein Geschenk an drei blühende Schönheiten“, entgegnete der Seewolf. „Ihr dürft es nicht zurückweisen, denn vielleicht hängt eure Zukunft davon ab. Eure Zukunft ist mir nicht gleichgültig. Haben wir uns jetzt verstanden?“

      Joseas Augen schimmerten feucht, als sie sich auf die Zehenspitzen stellte, dem Seewolf die Hände auf die Schultern legte und ihm einen Kuß gab. Sie verlor dabei den Lederbeutel aus den Händen. Er fiel auf die Kieselsteine des Ufers.

      Franca bückte sich und hob den Beutel auf.

      Hasard löste mit sanfter Gewalt Joseas Hände von seinen Schultern. Er verabschiedete sich auch von Segura und Franca, indem er sie väterlich auf die Wange küßte, kehrte dann auf dem Absatz um und ging zum Boot.

      Josea und Segura hielten ihre Tränen nicht mehr zurück. Francas Abschiedsschmerz wurde indes durch den Inhalt des Beutels gelindert. Das Mädchen hatte sich auf die Steine gehockt und die kleine, weiche Ledertasche geöffnet. Perlen und Goldschmuck glitten in ihre Hand, als sie den Beutel umstülpte und schüttelte.

      „Por Dios“, hauchte sie überwältigt. „Santissima Madre, das darf nicht wahr sein.“

      Das Beiboot der „Isabella“ dümpelte im Flachwasser. Matt Davies, Batuti und die anderen Rudergasten saßen auf den Duchten und hielten die Riemen bereit, um loszupullen.

      Hasard watete ein Stück durchs Wasser und kletterte auf die Heckducht. Er ergriff die Ruderpinne und gab seinen Männern das Zeichen zum Pullen.

      Kaum hatte das Boot sich in Bewegung gesetzt, da erklang aus dem Großmars der „Isabella“ ein Ruf. Hasard hatte alle Posten an Land abgezogen. Die komplette Crew befand sich an Bord der „Isabella“, und als Ausguck war wieder Bill, der Moses, in den Großmars aufgeentert.

      „Sir!“ rief der Junge. „Schiffe im Nordwesten! Ich habe ihre Mastspitzen soeben hinter den Felsen auftauchen sehen!“

      „Besuch“, sagte der Seewolf gepreßt. „Verdammt und zugenäht, wir hätten doch eher in See gehen sollen. Wenn das Dons sind, sitzen wir in der Falle.“

      Die Männer begannen wie besessen zu pullen.

      Kaum an Bord der „Isabella“ angelangt, enterte Hasard mit Dan O’Flynn in den Vormars auf, um sich selbst ein Bild von der Lage zu verschaffen. Mit ihren Kiekern spähten sie über die Klippfelsen nach Nordwesten – dorthin, wo sich das Riff befand, von dem die Brancate-Mädchen ihnen mittlerweile erzählt hatten.

      Nur die Masten waren von den fremden Schiffen zu erkennen, einen Ausblick auf ihre Aufbauten und Rümpfe ließen die sichtversperrenden Felsen nicht zu.

      „Drei Schiffe“, sagte Dan O’Flynn.

      „Eine lateinergetakelte Zweimast-Karavelle und zwei Galeonen, wie es den Anschein hat“, meinte der Seewolf. „Auf jeden Fall zwei Rahsegler, einer mit zwei, der andere mit vier Masten. Sie führen die spanische Flagge, wir brauchen uns also keinen Hoffnungen hinzugeben, es etwa mit Freibeutern zu tun zu haben.“

      „Nein. Aber eine Galeone mit zwei Masten, hältst du das wirklich für möglich?“

      Hasard grinste. „Ich halte es für möglich, daß die Galeone im Sturm schwer angeschlagen worden ist und einen Mast eingebüßt hat, so wie sein Rigg durchs Spektiv aussieht.“

      „Richtig, das kann natürlich sein. Mann, bin ich denn heute total vernagelt?“

      „Vergiß die Mädchen, Dan.“

      „Das habe ich schon getan.“

      „Es wird ernst, mein Freund. Wir kriegen gleich ein genaueres Bild von den Seglern dort, denn sie sind nach meiner Schätzung inzwischen an dem Riff vorbei und steuern mit raumem Kurs fast direkt auf die Einfahrt der Bucht zu.“

      „Der Teufel soll sie holen! Konnten die nicht aufs Riff


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