Seewölfe Paket 16. Roy Palmer

Seewölfe Paket 16 - Roy Palmer


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Er empfand es schlichtweg als eine Unverschämtheit von dem Hafenkapitän, ihn gewissermaßen zu Lockvogeldiensten pressen zu wollen.

      Zu Nils Larsen, seinem Dolmetscher, sagte Hasard: „Frag doch den sehr ehrenwerten Hafenkapitän einmal, warum er seine glorreiche Idee mit dem Lockvogel nicht selbst längst in die Tat umgesetzt hat.“

      Nils Larsen übersetzte, und Hasard brauchte auf die Antwort nicht lange zu warten.

      „Für mein Stillhalten gibt es einige Gründe“, erklärte der Dicke treuherzig. „Der Ehrlichkeit halber muß ich auch sagen, daß mir bisher der Mut zum Eingreifen fehlte, denn die Schweden gelten als sehr ruppige Kämpfer. Außerdem hat Svensson verlauten lassen, er würde Helsingör eines Nachts niederbrennen, wenn man ihn nicht ab und zu den Sundzoll vorab kassieren ließe. Und das hat mich hauptsächlich dazu veranlaßt, nichts zu unternehmen. Man hat ja schließlich auch seine Verantwortung den Bürgern von Helsingör gegenüber.“

      „Verantwortung – ha!“ entfuhr es Edwin Carberry, der mit verschränkten Armen an der Nagelbank lehnte. „Der Kerl hat ganz einfach Schiß, jawohl. Er hat die Hosen schon so voll, daß ihm die – äh – ich meine, daß ihm das Ganze schon über den Gürtel quillt!“

      Nils Larsen übersetzte das natürlich nicht, zumal der dicke Hafenkapitän ohnehin schon – sei es aus Naivität oder Raffinesse – ein mitleidheischendes Gesicht zog.

      Dem Seewolf aber ging es noch immer nicht in den Kopf, daß er für die Dänen die heißen Kastanien aus dem Feuer holen sollte.

      „Wenn Sie Ihre Strategie verwirklichen wollten“, sagte er zu dem Hafenkapitän, „hätte doch sicherlich der Lieutenant die Lockvogelrolle übernehmen können. Dann wäre ebenfalls alles nach Ihrem Plan abgelaufen. Ich sehe nicht ein, warum gerade wir uns an diesem Spielchen beteiligen sollen.“

      „Der Lieutenant hätte die Rolle sicherlich übernommen“, erwiderte der Dikke. Er verstand es meisterhaft, seine weiteren Worte in einem jammernden Tonfall vorzubringen. „Aber dann hätte ich keinen Offizier für das Schaluppenkommando gehabt. Darin liegt ja gerade der ganze Ärger.“

      Für einen Augenblick war Hasard wie erschlagen. Mit der Mentalität des Hafenkapitäns konnte er einfach nicht mehr Schritt halten.

      „Das ist natürlich ein sehr überzeugender Grund“, sagte er ironisch.

      Der Dicke strahlte plötzlich.

      „Ich hab’s doch gewußt, daß Sie meinen Vorschlag annehmen. Schließlich sparen Sie bei der Sache achtzig Silbertaler an Sundzoll!“

      Hasard hob abwehrend die Hände.

      „Langsam, Kapitän“, sagte er. „Noch habe ich Ihnen meine Entscheidung nicht mitgeteilt. Freuen Sie sich lieber nicht zu früh. Was meine Person betrifft, so muß ich Ihnen sagen, daß ich nicht die geringste Lust verspüre, bei Ihrem Lockvogelspielchen mitzuspielen. Schließlich habe ich diese Seereise nicht angetreten, um mich mit schwedischen Schnapphähnen herumzuschlagen, nur weil sich die dafür Verantwortlichen nicht getrauen, den Kerlen das Handwerk zu legen. Aber bitte – meine Männer haben auch ein Wort mitzureden. Das ist bei uns an Bord so üblich.“

      Abwartend blickte Hasard in die Runde, und im selben Moment wußte er schon, was die Stunde geschlagen hatte. Bereits jetzt schon sah er überall nur grinsende Gesichter. Na, da hätte er sich seine Frage auch sparen können. Man sah den Kerlen schon mehrere Meilen gegen den Wind an, daß es ihnen gewaltig in den Fäusten juckte.

      Der ruhige und besonnene Ben Brighton äußerte sich als erster.

      „Nun ja“, sagte er, „die Sache würde mich schon reizen. Nicht, daß ich etwa Mitleid mit diesen Angsthasen hier hätte oder gar den ach so großzügig erlassenen Sundzoll abarbeiten möchte, o nein, aber diesem Aage Svensson möchte ich doch zu gern zeigen, was ich von ihm halte. Schließlich geht es ja nicht an, daß uns dieser windige Bursche das Geld abluchst und uns außerdem noch die Ankertrosse kappen läßt, um uns nach dem erhofften Aufbrummen noch mal auszunehmen. Ich wäre bereit, mit zehn Männern die kleine Galeone zu übernehmen und den Lockvogel zu spielen!“

      Ben erntete für seine Worte rundum beifälliges Kopfnicken. Offenbar hatte er den meisten Seewölfen aus der Seele gesprochen. Und da ihnen die „Isabella“ ja gemeinsam gehörte, hatten sie alle auch ein Wörtchen mitzureden.

      Und das taten sie auch.

      Hasard winkte schließlich ab.

      „Ihr seid ja alle nicht mehr zu retten“, knurrte er. Und im selben Augenblick entschloß er sich, aus der Not eine Tugend zu machen. Wenn der dicke Hafenkapitän schon Schützenhilfe kriegen sollte, dann sollte wenigstens auch etwas für die Seewölfe herausspringen.

      Mit einem reservierten Lächeln wandte er sich an den Dicken.

      „Sie haben die Entscheidung meiner Leute gehört“, sagte er. „Wir sind demnach bereit, Sie auf der Jagd nach Aage Svensson zu unterstützen, aber wir knüpfen an unsere Zusage noch eine Bedingung.“

      „Sehr schön!“ Der Hafenkapitän rieb sich erfreut die Hände. „Schießen Sie los, Kapitän Killigrew, lassen Sie Ihre Bedingungen hören.“

      „Wir werden den Sundzoll natürlich kein zweites Mal entrichten“, begann Hasard, „das dürfte ja bereits klar sein. Außerdem bitte ich mir für alle zukünftigen Fahrten durch den Öresund absolute Zollfreiheit aus. Und das möchte ich schriftlich haben! Wenn wir schon die Dreckarbeit für Sie leisten, weil Ihnen selber der Mumm dazu fehlt, dann tun wir das zumindest nicht umsonst!“

      Zuerst reagierte der Hafenkapitän etwas verdutzt und sah den Lieutenant fragend an. Als dieser jedoch leicht nickte, blitzten seine kleinen Augen unternehmungslustig auf. Über sein feistes Gesicht huschte ein zufriedenes Grinsen.

      „Diese Bedingungen nehme ich an, Kapitän“, sagte er. „Sie werden für alle zukünftigen Fahrten keinen Sundzoll mehr bezahlen! Ich lasse Ihnen einen schriftlichen Revers ausfertigen, und zwar sofort.“

      „Na also“, sagte Hasard. „Dann wären wir uns soweit einig. Nun müssen wir nur noch die kleine Lockvogelschar zusammenstellen, damit es auch kräftig zwitschert, wenn dieser Mister Svensson seine geldgierigen Hände aufhält.“

      Über diesen Punkt gab es keine langen Debatten. Sobald der Hafenkapitän den entsprechenden Revers unterschrieben hatte, ging Ben Brighton mit zehn Männern von Bord – mit Edwin Carberry, Dan O’Flynn, Roger Brighton, Al Conroy, Stenmark, Mac Pellew, Matt Davies, Bob Grey, Luke Morgen und Gary Andrews.

      Auf eine größere Waffenausrüstung verzichtete die kleine Crew, weil der Hafenkapitän versichert hatte, daß sich bereits genügend Waffen und Proviant an Bord der Galeone befänden.

      Der bullige Profos grinste, als er mit den anderen von der „Isabella“ abenterte.

      „Das hätte ich mir auch nicht träumen lassen“, meinte er, „daß ich in einer vornehmen Kutsche über Land gefahren werde wie ein Lord oder ein Beauftragter der guten Lissy. Gewitter und Kabelgarn, hoffentlich spannen die Blondschöpfe auch ein paar schnelle Pferdchen an die Deichseln, sonst setze ich den Kutschen glatt ein Segel aufs Dach!“

      9.

      Am Morgen des 10. Februar 1593 erreichte das „Kutschen-Geschwader“, wie Edwin Carberry den Verband der drei Landfahrzeuge nannte, die kleine Stadt Hundested.

      Obwohl die meisten Seewölfe die Fahrt für eine Mütze voll Schlaf genutzt hatten, fühlten sie sich doch stocksteif und durchgerüttelt, als sie aus den Kutschen kletterten.

      Dennoch waren sie rasch vorangekommen.

      Auch der dicke Hafenkapitän von Helsingör war mit von der Partie. Er selbst wollte die Seewölfe auf der kleinen Lockvogel-Galeone einweisen. Und solange keine unmittelbare Gefahr drohte, schien er vor Tatendrang zu bersten. Flink wie ein Wiesel huschte er auf den Decks des Schiffes hin und her und gab seine Anweisungen. Dabei perlte ihm trotz der Kälte der Schweiß von der Stirn.


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