Seewölfe Paket 16. Roy Palmer

Seewölfe Paket 16 - Roy Palmer


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in ein Wrack, das stark nach Backbord krängte und in kurzer Zeit sinken würde.

      Einige der Piraten hatten sich in Angst und Panik über Bord gestürzt und versuchten jetzt, auf die nahe Küste zuzuschwimmen.

      Die Schaluppe und ihre Besatzung waren damit als Gefahrenquelle für die Seewölfe ausgeschaltet. Und den Appetit auf Sundzoll hatte man den Schnapphähnen wohl fürs erste verdorben. Die verluderten Kerle hatten sich genauso blutige Köpfe geholt wie ihre Kumpane, die sich bei Nacht und Nebel mit der Jolle der Engländer angelegt hatten.

      Ab sofort brauchten sich die Seewölfe nur noch um die Schnapphähne an Bord der Leih-Galeone zu kümmern. Das heißt, lediglich Edwin Carberry kümmerte sich noch um Aage Svensson, der angesichts seiner zerstörten Schaluppe wie ein Irrsinniger kämpfte.

      Die beiden „Schreiber“, der Dicke und der Dürre, bedurften ihrer Aufmerksamkeit nicht mehr. Die Bohnenstange hing – von Matt Davies windelweich geklopft – über der Nagelbank des Großmastes, und der Dicke lag zusammengerollt auf den Planken der Kuhl und würde sich wohl auch bis zum nächsten Glasen nicht mehr rühren.

      Aage Svensson war wie von Sinnen. War er doch bisher stets der Unbesiegbare gewesen, der insbesondere den dänischen Zollbehörden nach Belieben auf den Nasen herumtanzte und demzufolge auch die Handelsfahrer, die den Sund durchfahren wollten, nach Herzenslust schröpfen konnte.

      Bei diesen Engländern aber, die er schon vor Tagen ausgenommen hatte, war er an die Falschen geraten. Nicht genug, daß sie einen Großteil seiner Boote zerstört oder versenkt hatten – jetzt hatte auch noch die Schaluppe daran glauben müssen. Und was würde mit ihm selber geschehen? Die Auswegslosigkeit seiner derzeitigen Lage verlieh ihm Bärenkräfte.

      Aage Svensson machte es dem bulligen Edwin Carberry nicht leicht. Er kämpfte mit den übelsten Tricks, außerdem konnte er eine ganze Menge vertragen. Dennoch mischten sich die. übrigen Seewölfe nicht ein. Sie überließen den Oberschnapphahn neidlos ihrem Profos, der ihm nun die Zinsen für den Sundzoll zahlte – Schlag für Schlag. Ed hätte es ihnen auch nie verziehen, wenn sie ihm ins „Handwerk“ gepfuscht hätten.

      Aage Svensson senkte wie ein Stier den Kopf, um ihn Carberry in den Leib zu rammen. Doch Ed war vorsichtig, denn auch er hatte schon einige harte Treffer einstecken müssen. Mit einer Beweglichkeit, die man ihm gar nicht zugetraut hätte, wich er dem Stoß aus.

      Svensson, der sein ganzes Körpergewicht in diesen Stoß gelegt hatte, wurde durch die Wucht seines Angriffes nach vorn gerissen und stolperte – an Carberry vorbei – ins Leere.

      Ed nutzte diesen ruhmlosen Vorbeimarsch und setzte seinem Kontrahenten einen harten Hieb in den Nacken, der ihn vollends zu Boden gehen ließ.

      Aber Svensson gab noch immer nicht auf. Kaum hatte er die Planken berührt, wälzte er sich blitzschnell herum, um Ed die Füße wegzuziehen. Aber der Anschlag mißlang, denn der Profos der „Isabella“ wich ebenso schnell zur Seite.

      „Steh nur auf, du hinterlistiger Bastard!“ schnaubte er. „Hier wird gekämpft. Auf die Planken legen und schlafen – das kannst du später noch. Hurtig, hurtig, auf die Beine, sonst ziehe ich dir die Haut in Streifen von deinem karierten Affenarsch!“

      Laute Verwünschungen ausstoßend gelangte Aage Svensson wieder auf die Beine. Sein blutverschmiertes Gesicht war zu einer Grimasse verzerrt. Wut und unbändiger Haß lagen in seinen Zügen. Er stieß einen lauten Schrei aus, dann ging er erneut auf Carberry los.

      Doch darauf hatte dieser nur gewartet. Er ließ Svensson bis auf zwei Schritte heran, dann wuchtete er ihm die Faust gegen die Brust. Dadurch wurde der Ansturm des Piratenführers abrupt gestoppt. Zu einem weiteren Angriff sollte er nicht mehr kommen, denn Ed hakte sofort nach. Zwei Sekunden nach dem ersten Hieb landete er einen Treffer mit der linken Faust. Und der erwischte Aage Svensson voll in der Magengrube.

      Einen solchen Treffer verdaute auch ein nordischer Kleiderschrank nicht. Mit einem Aufstöhnen sank Aage Svensson in sich zusammen, sein schwerer Körper krachte hart auf die Planken. Er rührte sich nicht mehr.

      „Gut gemacht, Ed!“ rief Gary Andrews, der glaubte, wieder einige Pluspunkte sammeln zu müssen.

      „Nur keine Lobhudeleien!“ knurrte der Profos. „Was steht ihr eigentlich alle so faul herum? Will niemand diese Sundratten da fesseln? Der einzige, der bis zum Schluß gearbeitet hat, ist wieder einmal der gute alte Carberry. Ha, Lahmärsche seid ihr, jawohl, man sollte euch mal eine Zeitlang auf dieser – äh – Insel der schönen Mädchen aussetzen, damit ihr anständige Arbeit wieder schätzen lernt!“

      Die Seewölfe grinsten. Ihr Profos war nach wie vor in seinem Element. Rasch besorgten sie Taue, um die Gefangenen zu fesseln.

      „Ich möchte vorschlagen, daß wir nur Svensson fesseln“, sagte Ben Brighton. „Die anderen sollten wir zur Küste schwimmen lassen.“

      „Ich bin auch dafür“, pflichtete ihm Dan O’Flynn bei. „Der Hafenkapitän wollte schließlich nur Svensson haben. Wenn diesem Burschen das Handwerk gelegt ist, tut sich hier sowieso nichts mehr.“

      Die anderen schlossen sich dieser Meinung an. Und schon wenig später, als der Dicke und die „Bohnenstange“ aus dem Reich der Träume zurückgekehrt waren, hievte sie der Profos über Bord.

      „Wenn ihr euch ein bißchen beeilt“, sagte er, „könnt ihr die anderen Galgenvögel noch einholen!“

      „Schaluppen Steuerbord voraus!“ meldete plötzlich Bob Grey.

      „Das wird aber auch langsam Zeit“, sagte Ben Brighton. „Wenn wir tatsächlich die Hilfe der Dänen gebraucht hätten, wäre es uns übel ergangen. Jetzt, nachdem die Arbeit getan ist, tauchen sie plötzlich auf. Und natürlich mutig wie die Löwen.“

      Die Schaluppen hatten den Schauplatz bald erreicht. Zur Überraschung der Seewölfe befand sich Hasard an Bord der Lieutenants-Schaluppe.

      „Wo ist denn der ehrenwerte Hafenkapitän?“ fragte Ben.

      Hasard lächelte.

      „Er hat es vorgezogen, in Helsingör auf die Ankunft von Aage Svensson zu warten.“

      Da lachte der sonst so ruhige und besonnene Ben Brighton brüllend und hieb sich dabei auf die Schenkel.

      „Das paßt zu diesem Hasenfuß!“ japste er.

      Hasard nickte.

      „Leider lassen sich Menschen nur selten ändern.“

      Die Segel wurden gleich darauf gesetzt, dann nahm die Lockvogel-Galeone zusammen mit den dänischen Schaluppen Kurs auf Helsingör, um den Gefangenen abzuliefern.

      Bereits am nächsten Tag rauschte die „Isabella“ stolz wie ein Schwan durch den Öresund – neuen Gefahren entgegen, die der königliche Geheimauftrag mit sich brachte …

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      1.

      Anfangs hatten die Arwenacks der „Isabella IX.“ das pfannenförmige Nebenmeer des Atlantik noch geringschätzig belächelt. Das Baltische Meer, wie die Ostsee auch noch genannt wurde, war durchschnittlich nur sechzig Yards tief, mit einer Ausnahme von knapp fünfhundert Yards in der Nähe von Gotland. Das war die tiefste Stelle. Kein Verhältnis also im Vergleich zum Atlantik oder Pazifik oder Indischen Ozean.

      Ortsunkundig, wie die meisten der Seewölfe in diesem Falle waren, wurden der Ostsee dann auch die wunderlichsten Namen verliehen.

      Der Profos Edwin Carberry nannte sie verächtlich eine Pißrinne für Schwäne und Reiher, Ferris Tucker bezeichnete sie als erbärmlichen Heringstümpel, und für die meisten anderen war sie nichts weiter als ein Ausflughafen für Hausenten.

      Diese Ausdrücke wiederum trieben dem Schweden Stenmark die Zornesröte ins Gesicht, und auch Nils Larsen war erbost, denn schließlich war das „ihr“ Meer,


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