Seewölfe - Piraten der Weltmeere 262. John Roscoe Craig

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 262 - John Roscoe Craig


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er schien nicht bereit, sich deswegen mit dem Kapitän anzulegen.

      Juan de Faleiro schob sich an den beiden Offizieren vorbei und blieb neben der Ducht, auf der die beiden bewußtlosen Rudersklaven saßen, stehen. Er starrte auf die Männer, deren Rücken blutüberströmt waren. Jähzornig riß er plötzlich einem der Aufseher die Peitsche aus der Hand und schlug selbst auf die Männer ein. Er traf dabei auch andere, doch ihr Geschrei schien ihn nur noch wütender werden zu lassen.

      Jesus Valencia hielt es nicht mehr aus. Er schüttelte die Hand des Zweiten Offiziers ab, der ihn zurückhalten wollte, und lief auf den Kapitän zu.

      „Señor Capitán!“ rief er empört. „Sie schlagen die Männer tot!“

      Juan de Faleiro drehte sich abrupt um, und einen Moment sah es aus, als ob er mit der Peitsche auf seinen Ersten Offizier einschlagen wollte. Doch im letzten Augenblick hielt er sich zurück. Er übergab die Peitsche wieder dem Aufseher.

      „Das ist Insubordination, Señor Valencia“, sagte er mit eiskalter Stimme, die dem Ersten Offizier einen Schauer über den Rücken jagte. „Ich hätte nicht wenig Lust, Sie anstelle der ausgefallenen Sträflinge ans Eisen zu schmieden!“

      Jesus Valencia wurde blaß. Doch dann straffte er sich und erwiderte: „Diese Männer werden Sie auch mit Peitschenhieben nicht wieder zum Rudern bringen, Capitán.“

      Ein gemeines Grinsen zog die schmalen Lippen des Capitans in die Breite.

      „Sie haben recht, Señor Valencia“, sagte er schmierig. „Die vier Kerle können uns nicht mehr von Nutzen sein. Und da Sie wissen, daß ich keinen überflüssigen Ballast an Bord dulde, möchte ich Sie bitten, jeden, der nicht mehr in der Lage ist, seinen Riemen zu bewegen, über Bord zu werfen.“

      Für einen Moment war es totenstill auf dem Schiff. Mit weit aufgerissenen Augen starrte Jesus Valencia seinen Kapitän an. Er konnte nicht begreifen, was er da eben gehört hatte. Sein Blick glitt hinüber zum Vorderkastell, wo Ribera, der Teniente der fünfzig Seesoldaten stand und das Geschehen auf dem Laufgang die ganze Zeit beobachtet hatte. Aber Ribera schien sich aus allem heraushalten zu wollen. Er wußte, daß der Kaptiän an Bord eines Schiffes die absolute Befehlsgewalt hatte, was das Schiff und seine Besatzung betraf. Er selbst war für seine Soldaten verantwortlich.

      Jesus Valencia schüttelte den Kopf, als er sah, daß niemand bereit war, ihm zu helfen. Er wandte sich dem Kapitän zu, der mit sadistischer Genugtuung die Qualen beobachtete, die er seinem Ersten Offizier mit seinem Befehl bereitet hatte.

      „Das war ein Befehl, Señor Valencia“, sagte er grinsend. „Oder beabsichtigen Sie, zu meutern?“

      Jesus Valencia brachte keinen Ton hervor. Er spürte die hämischen Blicke der Aufseher, die ihn haßten, weil er sie schon häufig vor den Rudersträflingen zusammengestaucht hatte, und er sah die bedauernden Gesichter des Teniente und Carlos Mendez’, des zweiten Offiziers, der ihm nicht helfen konnte.

      In seinen Augen stand Verzweiflung, als er den Kopf hob und sagte: „Ich kann Ihren Befehl nicht ausführen, Señor Capitán. Mein christlicher Glaube verbietet es mir.“

      Das Gesicht des Capitáns verzerrte sich. Das Grinsen verschwand, und Jesus Valencia wußte, daß er genau die richtigen Worte gefunden hatte, die ihn noch einmal aus diesem Verhängnis befreiten. Juan de Faleiro konnte ihn nicht der Meuterei bezichtigen, wenn er sich auf seinen Glauben berief. Zu viele Männer würden später die Worte bezeugen können, die Jesus Valencia gesprochen hatte. Und wenn de Faleiro auch vor dem Marinegericht recht erhalten würde, wenn er seinen Ersten Offizier wegen Meuterei bestrafte, so würde er der Inquisition wahrscheinlich nicht entgehen.

      Wütend wandte sich Juan de Faleiro von ihm ab und brüllte seine Aufseher an, seinen Befehl in die Tat umzusetzen.

      Sie zögerten nicht eine Sekunde. Mit wenigen Handgriffen waren die Ketten der Bewußtlosen gelöst. Ein leises Murren ging durch die Reihen der Rudersträflinge, aber ein paar brutale Peitschenhiebe brachte die Männer sofort zum Schweigen.

      Die vier bewußtlosen Ruderer wurden über die Ducht auf den Laufgang über der Apostis gezerrt, wo die Seesoldaten zur Seite wichen. Wie Säcke wurden die Männer ins Meer geschleudert.

      Jesus Valencia hatte die Hände zu Fäusten geballt. Er nannte sich im stillen einen Feigling, daß er den Mord an den Sträflingen ohne Widerspruch zuließ, aber er wußte auch, daß es seinen eigenen Tod bedeutete, wernn er gegen den Kapitän vorging.

      Juan de Faleiro wartete ab, bis auch der letzte für ihn unbrauchbare Sträfling ins Wasser geklatscht war, dann drehte er sich um und winkte den Teniente vom Vorderkastell zu sich.

      Ribera näherte sich mißtrauisch dem Kapitän. Er hatte bisher wenig Reibungspunkte mit ihm gehabt, weil sie noch nicht in ein Gefecht mit anderen Schiffen verwickelt worden waren, seit er seinen Dienst auf dieser Galeasse angetreten hatte, aber ihm war nicht verborgen geblieben, daß jeder auf diesem Schiff, mit Ausnahme der Aufseher, Juan de Faleiro aufs Blut haßte.

      „Uns fehlen vier Ruderer, Teniente“, sagte der Kapitän kalt. „Suchen Sie vier Ihrer Soldaten aus, die ihre Aufgabe übernehmen. Wir brauchen im Moment jeden Mann, wenn wir die französische Galeone noch einholen wollen.“

      „Was haben Sie gesagt, Señor Capitán?“ Der Teniente glaubte, nicht richtig gehört zu haben. „Meine Männer sollen auf die Ruderbänke?“

      „Ihre Ohren sind noch gut, Teniente“, erwiderte de Faleiro gallig. Offensichtlich hielt er den Teniente für schwer von Begriff.

      „Von meinen Männern wird keiner auf einer Ruderbank sitzen“, sagte der Teniente fest.

      Der Kapitän schluckte ein paarmal. Sein Gesicht lief wieder dunkelrot an. Mit einer heftigen Bewegung rückte er seine Perücke zurecht, die ihm über die Augen zu rutschen drohte. Er riß einem seiner Aufseher die Peitsche aus der Hand, aber bevor er den Arm zum Schlag erheben konnte, hielt der Teniente eine Pistole in der Hand, deren Lauf genau auf de Faleiros Bauch gerichtet war.

      Rundum auf dem äußeren Laufgang war plötzlich Bewegung. Jesus Valencia sah, wie die Seesoldaten ihre Musketen leicht angehoben hatten.

      „Niemand zwingt einen meiner Männer Sklavendienste zu verrichten“, wiederholte der Teniente unerschrocken. „Sie wissen, Señor Capitán, daß Sie damit Ihre Kompetenzen überschreiten. Für meine Männer ist niemand anderer als ich verantwortlich. Wenn Sie jemanden zum Rudern brauchen, dann nehmen Sie welche von Ihren Leuten.“

      Bevor Juan de Faleiro sich wieder fing, sagte Jesus Valencia schnell: „Wir können mit zwei Riemen weniger rudern, Señor Capitán. Unsere Geschwindigkeit wird dadurch nicht wesentlich geringer.“

      „Ich befehle hier!“ brüllte de Faleiro. „Profos! Vier Mann auf die Duchten! Und sorgen Sie dafür, daß die alte Geschwindigkeit beibehalten wird, sonst lernt ihr mich alle kennen!“ Seine Stimme überschlug sich fast. Abrupt drehte er sich um und verschwand wieder durch das Schott in seine Kammer unter der achteren Plattform. Es sah fast so aus, als ergreife er die Flucht.

      Der Profos rief vier Namen auf. Er mußte sie ein paarmal brüllen, bis sich vier Männer bequemten, zu ihm auf den Laufgang zu treten. Sie protestierten lautstark gegen die ungerechte Behandlung, denn schließlich waren sie als Seeleute angeheuert und nicht als Rudersklaven.

      Ein paar Maulschellen des Profos’ und Peitschenschläge der Aufseher brachten sie an ihren Platz.

      Jesus Valencia preßte die Lippen zu einem schmalen Strich zusammen. An Bord dieses Schiffes herrschte die nackte Gewalt, und er war nicht in der Lage, dem abzuhelfen. Zu groß war die Macht des Kapitäns, der einer persönlichen Rache wegen seinen Auftrag vergessen hatte, und seine Männer zu Tode schindete.

      Als das dumpfe Pochen der Trommel wieder den Takt der Riemenschläge diktierte und sich die Galeasse langsam in Bewegung setzte, konnte der Erste Offizier der „San Antonio“ angesichts seiner Ohnmacht kaum die Tränen zurückhalten. Er hatte nie in seinem Leben den Wunsch verspürt, einem anderen Menschen Böses anzutun, doch in diesem Moment wäre er bereit gewesen, Juan de


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