Seewölfe - Piraten der Weltmeere 262. John Roscoe Craig

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 262 - John Roscoe Craig


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      „Ich werde mir den Bootsmann mal vorknöpfen, wenn er wieder klar aus der Wäsche gucken kann“, sagte er grollend. „Wenn er Stunk an Bord haben will, dann kann er ihn kriegen. Er braucht nur das Maul ein bißchen zu weit aufzureißen, dann werde ich es ihm kalfatern, daß er sich durch die Nase ernähren muß.“

      „Affenarsch!“ krächzte „Sir John“, der auf Carberrys Schulter flatterte und nach seinem Ohr hackte.

      „Halt’s Maul, wenn ich rede“, sagte Carberry.

      Ferris Tucker wiegte den Kopf und schaute seine Kameraden an, die sich inzwischen alle um ihn, Stenmark und Carberry geschart hatten.

      „Ich habe auch schon überlegt, ob wir mal mit dem Kapitän oder mit Duval, seinem Steuermann, reden sollen“, sagte er nachdenklich. „Ich glaube kaum, daß das Erfolg haben wird. Wir müssen uns mit der Mannschaft auseinandersetzen. Wenn sie merken, daß mit uns nicht gut Kirschen essen ist, werden sie uns in Ruhe lassen.“

      „Du meinst, wir sollen sie alle durchmangeln?“ fragte Bill grinsend.

      „Wenn sie es nicht anders wollen, warum nicht?“ erwiderte Ferris. „Allerdings sind wir nur acht, und sie bringen mit dem Steuermann siebzehn Mann auf die Beine. Außerdem weiß ich nicht, wie sich Finnegan und Rogers verhalten werden.“

      Carberry wischte Ferris’ Bedenken mit einer kurzen Handbewegung beiseite.

      „Auf jeden von uns zwei Mann“, sagte er. „Das ist doch kein Verhältnis. Vielleicht sollten sich der Kutscher, Bill und Luke als Reserve zur Verfügung halten, damit sie einspringen können, wenn einer von uns anderen ein bißchen müde geworden ist.“

      Es schien für sie alle klar, daß eine Kraftprobe unausweichlich war. Sie waren bereit, noch in dieser Minute loszulegen und den Schneckenfressern zu zeigen, was es hieß sich mit der Crew des Seewolfes aus Arwenack anzulegen.

      Mit grimmigen Gesichtern starrten sie dem Bretonen und Marteau, dem Decksältesten entgegen, als die aus dem Vorschiff auftauchten und leicht schwankend über die Kuhl zum Achterdeck hinüberschlurften. Offensichtlich wollten sie dem Steuermann und dem Kapitän Bericht erstatten, daß die verdammten Engländer aufsässig wurden.

      Jack Finnegan und Paddy Rogers, die beiden Engländer, die von der „Mercure“ aus dem Wasser gefischt worden waren, wichen den wütend vorbeistampfenden Franzosen aus.

      Den beiden Männern war noch deutlich die Anstrengung ihres Zwangsaufenthalts auf dem Mars ihres gesunkenen Schiffes anzusehen. Sie hatten einen schlimmen Kampf mit den Elementen und mit drei Holländern hinter sich, in dem es um Wasser und damit ums nackte Überleben gegangen war. Jack Finnegan hatte nicht viel erzählt, aber Luke Morgan, der sich viel um die beiden gekümmert hatte, wußte inzwischen eine Menge von den beiden.

      „Ich werde mit Jack und Paddy sprechen“, sagte Luke. „Ich glaube nicht, daß sie sich auf die Seite der Franzosen schlagen werden, wenn es hart auf hart geht. Und neutral können sie auch nicht bleiben.“

      „Tu das“, sagte Ferris. „Zwei Mann mehr können nicht schaden. Auch wenn Ed allein mit den Schneckenfressern fertig werden würde.“

      „Ja, ja“, murmelte Jeff Bowie. „Unser Profos und die große Schnauze von seinem Papagei.“

      Carberry blickte ihn drohend an, sagte aber nichts. Schließlich konnten sie gerade jetzt keinen Streit unter sich gebrauchen. Aber irgendwann würden sie wieder ein eigenes Schiff haben, und dann würde er Jeff übers Deck jagen, bis ihm das Wasser im Hintern zu kochen begann!

      3.

      Jesus Valencia wußte, daß seine Karriere als Offizier der Spanischen Marine so gut wie beendet war, als er den Haß in den Augen seines Kapitäns Juan de Faleiro sah.

      Sein Geiergesicht war verzerrt, die Mundwinkel waren weiß von getrocknetem Speichel. Er hatte die Perücke abgenommen und sah jetzt aus wie ein Gift und Galle spuckender Gnom aus der Unterwelt. Es fehlen ihm nur noch die Hörer, dachte Jesus Valencia.

      „Sie wissen, warum ich Sie zu mir in die Kammer gebeten habe, Señor Valencia?“ begann er mit schleimiger Stimme, aber der Erste Offizier hörte die Boshaftigkeit, die in seinen Worten mitschwang.

      „Ich bin mir keiner Schuld bewußt, Señor Capitán“, erwiderte er gepreßt.

      „So.“ Juan de Faleiro erhob sich abrupt und ging hinter dem Tisch, auf dem eine Karte ausgebreitet lag, hin und her. „Sie finden es also völlig in Ordnung, wenn ein Untergebener seinem Vorgesetzten in Gegenwart der Mannschaft widerspricht und sogar Befehle verweigert.“

      „Ich werde jeden Ihrer Befehle befolgen, Señor Capitán“, sagte Jesus Valencia, „wenn er nicht gegen mein Gewissen oder meinen Glauben verstößt.“

      „So. Sie glauben also, daß ein Befehl, der der Erhaltung der vollen Manövrierfähigkeit und Gefechtsbereitschaft des Schiffes dient, gegen Ihren Glauben verstößt?“

      „Der Tod der vier Rudersklaven war unnötig“, entgegnete Jesus Valencia fest. „Soweit mir bekannt ist, lautet unsere Order, nach geeigneten Handelsstützpunkten im östlichen Mittelmeerraum zu suchen und wenn möglich, mit den jeweiligen örtlichen Stellen Verträge abzuschließen. Die ‚San Antonio‘ ist nicht dafür ausgerüstet, französische Handelsfahrer zu kapern.“

      Die weißen Flecken in den Mundwinkeln des Kapitäns wurden größer. Jesus Valencia kannte das. Gleich würde der Glatzkopf explodieren.

      „Das ist Insubordination!“ kreischte de Faleiro. „Sind Sie sich eigentlich darüber im klaren, daß ich Sie an die Rah hängen lassen könnte? Sie haben nicht zu entscheiden, welche Aufgabe für die ‚San Antonio‘ wichtiger ist! Wissen Sie eigentlich, was die Engländer, die sich an Bord des Franzosen befinden, der Spanischen Krone angetan haben? Auf jeden ihrer Köpfe ist eine hohe Belohnung ausgesetzt!“

      „Woher wollen Sie wissen, daß es sich um diese Engländer handelt, Señor Capitán?“ fragte der Erste Offizier.

      „Haben Sie nicht den Ruf ‚Arwenack‘ gehört?“ Juan de Faleiro blickte seinen Ersten Offizier nicht mehr an. Er schien mit seinen Gedanken weit fort zu sein. Sein Gesicht hatte sich zu einer Grimasse des Hasses verzerrt, als er flüsternd sagte: „Ihr Kapitän, den sie Seewolf nennen, stammt aus Falmouth an der Küste Cornwalls. Er ist mit Drake gefahren, diesem Hundesohn, der unsere Kolonien in Westindien geplündert hat.“ Sein Blick war jetzt wieder klar und voll auf Jesus Valencia gerichtet. „Und Sie meinen, ich hätte kein Recht, diese Feinde Spaniens zu jagen?“

      Jesus Valencia schwieg. Er wußte, daß Juan de Faleiro in der besseren Position war. Wenn es stimmte, was er behauptete, dann würde er immer Recht erhalten, wenn es hart auf hart ging. Dann würde ihn ein Marinegericht sogar freisprechen, wenn er ihn hier in der Kammer erschoß.

      Der Kapitän sah, wie es in Jesus Valencia arbeitete. Ein häßliches Grinsen breitete sich auf seinem Geiergesicht aus. Er wußte, daß er wieder obenauf war, und er war entschlossen, Valencia für seinen Widerspruch zu demütigen.

      Er wollte etwas sagen, doch in diesem Moment verstummte wieder der dumpfe Trommelschlag, der den Takt für die Ruderer angab.

      Mit ein paar Schritten war Juan de Faleiro an seinem Ersten Offizier vorbei und stieg den Niedergang zur achteren Plattform hinauf.

      Er hörte das laute Geschrei und das Klirren der Ketten durch den stärker werdenden Wind. Eine Peitsche klatschte auf den Rücken eines Ruderers, der sich schreiend krümmte.

      Juan de Faleiro sah vorn auf dem Laufgang die Gestalt eines der Aufseher liegen. Sein nackter Rücken war blutüberströmt. Zwei andere Aufseher standen geduckt vor einem der Rudersklaven, der eine gebrochene Kette mit beiden Händen hielt und sie über seinem Kopf schwang.

      „Teniente Ribera!“ brüllte Juan de Faleiro. „Schießen Sie den Kerl nieder!“

      Der Teniente, der auf der vorderen Plattform neben einer Drehbasse


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