Seewölfe - Piraten der Weltmeere 266. Frank Moorfield

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 266 - Frank Moorfield


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ist sicher eine vornehmere Umgebung gewohnt.“ Marchais lachte meckernd.

      Doch der Krach, den der Gefangene schlug, hatte ganz andere Gründe, wie die beiden Franzosen gleich erfahren sollten.

      Juan de Faleiro, dem Kommandanten der Kriegs- und Handelsgaleasse „San Antonio“, stand der Sinn nach ganz anderen Dingen als nach der Mahlzeit, die der Kutscher zubereitet hatte.

      De Faleiro hatte sich, nachdem er von den Franzosen und den Seewölfen in die Vorpiek gesperrt worden war, noch lange nicht mit seinem Schicksal abgefunden, o nein. Die Gedanken, die sich hinter seiner Stirn jagten und seine dunklen, stechenden Augen zum Funkeln brachten, waren von Haß und Rachegefühlen erfüllt. Er hatte mit seiner Galeasse die Verfolgung der „Mercure“ aufgenommen, um die verhaßten Seewölfe zur Strecke zu bringen.

      Schließlich hatte er noch nicht vergessen, was sich damals im Jahre des Herrn 1577 an Bord der von ihm befehligten Galeere „Tortuga“ abgespielt hatte. Aber statt die Kerle endlich in den Griff zu kriegen, saß er jetzt in der Vorpiek einer französischen Handelsgaleone – als Gefangener, der einem ungewissen Schicksal entgegenging. Es war schon zum Verrücktwerden! Irgendwo auf dem Mittelmeer kreuzte seine Galeasse und konnte nichts unternehmen, weil man ihn kurzerhand als Geisel genommen hatte. Und, verdammt noch mal, er hatte sogar das Gefühl, daß ihn seine Offiziere gar nicht so ungern zurückgelassen hatten. Aber das würden die Burschen noch bereuen. Er würde ihnen alles doppelt und dreifach zurückzahlen, darauf konnten sie sich verlassen. Er würde sie als Ruderknechte auf der Galeasse schuften lassen, bis ihnen die Haut von den Knochen hing.

      Marchais, der Henri auf seinen Wegen zur Vorpiek stets mit einer Pistole begleiten mußte, schob den Riegel zurück und öffnete das Schott.

      „Ihr Menü, Señor“, sagte er gehässig. „Greifen Sie zu, bevor Sie verhungern. Den Rotwein haben wir leider vergessen, er wird später serviert.“ Irgendwie tat es dem kleinen, hinterhältigen Kerl gut, einmal so mit einem Kapitän reden zu können.

      Doch Juan de Faleiro, ein Mann mit Geiergesicht und Perücke, schenkte ihm wenig Beachtung. Er vollführte eine herrische Geste, mit der er Henri beinahe den Teller aus der Hand gefegt hätte.

      „Zum Teufel mit diesem Fraß!“ sagte er wütend. „Von mir aus könnt ihr die Ratten damit füttern. Sagt eurem Kapitän, daß ich ihn unbedingt zu sprechen wünsche. Es sei sehr wichtig. Los, geht schon!“

      Für einen Moment waren die beiden Franzosen völlig perplex. Doch dann zuckten sie mit den Achseln, schoben den schweren Riegel wieder vor und verließen die Vorpiek. Während Henri den Teller mit dem Essen in die Kombüse zurückbrachte, erstattete Marchais Meldung.

      Doch Pierre Delamotte, der Kapitän der „Mercure“, hatte es nicht sonderlich eilig, den Wunsch des Spaniers zu befolgen. Zumindest würde der Kerl noch warten müssen, bis er seine Mahlzeit beendet hatte. Ein so exzellentes Mahl, wie es der Engländer, der sich Kutscher nannte, zubereitet hatte, ließ man nicht wegen eines solchen Kerls erkalten.

      Delamotte griff nach der Karaffe und füllte sein Glas erneut mit dem süffigen Rotwein. Erst nach dem nächsten Glasen der Schiffsglocke verließ er seine Kapitänskammer im Achterkastell und begab sich auf den Weg zur Vorpiek.

      Noch ahnte er zu diesem Zeitpunkt nicht, daß das bevorstehende Gespräch eine Reihe von Ereignissen einleiten würde, die ihm und seiner Crew noch einiges abverlangen sollten.

      2.

      „So, nun schießen Sie los, Monsieur. Was gibt es?“ Pierre Delamotte faßte sich kurz. Und da Juan de Faleiro ihn unbedingt unter vier Augen sprechen wollte, also ohne Beisein eines Wachtpostens, hatte er ihm kurzerhand Fesseln anlegen lassen, damit er von vornherein nicht auf dumme Gedanken verfiel.

      Die dunklen Augen des Spaniers blitzten tückisch.

      „Ich habe in den vergangenen Stunden darüber nachgedacht“, so begann er, „auf welche Weise man diese unhaltbare Situation für beide Seiten zu einem guten Abschluß bringen könnte.“

      Delamottes Ledergesicht blieb ausdruckslos.

      „Unhaltbar ist die Situation höchstens für Sie, aber nicht für mich“, sagte er ruhig. „Und es dürfte Ihnen auch bekannt sein, warum Sie sich in dieser Lage befinden.“

      „Da gibt es viele Mißverständnisse“, fuhr Juan de Faleiro fort. „Mißverständnisse, die bereinigt werden sollten. Und ich wüßte auch schon, wie. Darf ich Ihnen meine Vorschläge unterbreiten, Capitán?“

      Obwohl sich de Faleiro recht selbstbewußt gab, konnte er doch eine gewisse Erregung nicht verbergen. Es schien sehr viel für ihn von diesem Gespräch abzuhängen. Die Perücke, die seinen Glatzkopf bedeckte, war etwas schief gerutscht, aber er bemerkte es in diesem Augenblick nicht.

      Pierre Delamotte zuckte gleichgültig mit den Achseln.

      „Reden Sie!“ sagte er. „Aber nehmen Sie meine Zeit nicht über Gebühr in Anspruch.“ Einerseits hatte er nicht das geringste Bedürfnis, sich mit diesem Gauner zu unterhalten, andererseits wollte er doch gern erfahren, was dieser Menschenschinder in der Abgeschiedenheit der Piek ausgeheckt hatte. Etwas Gutes konnte es nicht sein, davon war er jetzt schon überzeugt.

      „Ich danke Ihnen, Capitán“, sagte de Faleiro. „Ich habe Sie von Anfang an als einen vernünftigen Mann eingeschätzt, der mit beiden Beinen in dieser Welt steht, als einen Mann mit scharfem Verstand und einer …“

      Delamotte winkte ab. „Sparen Sie sich das, Monsieur, und kommen Sie endlich zur Sache!“

      Juan de Faleiro, der auf einmal bemerkenswert höflich war, deutete mit einem Kopfnicken eine dienernde Verbeugung an.

      „Sie werden von meinem Vorschlag sicherlich etwas überrascht sein“, begann er, „aber wenn Sie darüber nachdenken, werden Sie zu dem Schluß gelangen, daß die Sache gut durchdacht ist und gewaltige Vorteile für Sie mit sich bringt.“

      „Sie haben doch hoffentlich nicht Ihre eigenen Vorteile Vergessen, Monsieur?“

      „Aber natürlich nicht, Capitán.“ Juan de Faleiro zwang ein bescheidenes Lächeln in sein Geiergesicht, bevor er fortfuhr: „Die Sache ist im Grunde genommen recht einfach. Sie können ein reicher Mann werden, der für den Rest seines Lebens ausgesorgt hat, wenn Sie die zehn Engländer an Bord Ihres Schiffes gefangensetzen und sie gewissermaßen mir ausliefern.“

      Für einen Augenblick war Pierre Delamotte tatsächlich überrascht. Seine Mundwinkel zuckten, und hinter seiner Stirn arbeitete es. Er ahnte jetzt zwar, was da noch an Vorschlägen folgen würde, trotzdem beschloß er, sich zunächst ein bißchen dumm zu stellen.

      „Wie sollte ich Ihnen die Männer ausliefern?“ fragte er. „Schließlich sind Sie selbst ein Gefangener.“

      Der Spanier lächelte hinterhältig.

      „Nun ja“, fuhr er fort, „das würde natürlich einschließen, daß Sie mir die Freiheit schenken. Aber – was sage ich da! Sagte ich schenken? Natürlich sollen Sie mir nichts schenken, denn Sie werden fürstlich belohnt werden, ja, wie ich schon sagte, Sie werden ein reicher Mann werden, Capitán.“

      „So einfach ist es also, reich zu werden.“ In Delamottes Stimme lag eine beträchtliche Portion Sarkasmus. „Ich brauche also nur die zehn Engländer gegen Sie auszutauschen. Sie verlassen die Piek, und die Engländer nehmen Ihren Platz ein. Wirklich ganz einfach. Und wie stellt sich dann der plötzliche Reichtum ein, wenn man ganz bescheiden fragen darf?“

      „Er wird unausbleiblich sein, Capitán. Natürlich müßten Sie mit Ihrem Schiff den Hafen von Barcelona anlaufen, der ja sowieso auf dem Weg liegt. Dort kann ich die Gefangenen den spanischen Behörden übergeben, und damit ist der Fall für Sie schon abgeschlossen. Sie brauchen nur noch die riesige Belohnung in Empfang zu nehmen, die die spanische Krone zur Ergreifung dieser sogenannten Seewölfe ausgesetzt hat. Diese gefährlichen Piraten haben Spanien schon sehr viel Schaden zugefügt. Wenn Sie dazu beitragen, daß sie endlich ihrer gerechten Strafe zugeführt werden,


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