Seewölfe - Piraten der Weltmeere 266. Frank Moorfield
Vorteil!“
Pierre Delamotte hatte die Hände hinter dem Rücken verschränkt. Ein paar Sekunden starrte er den Spanier aus zusammengekniffenen Augen an. Er spürte, wie der Zorn in ihm hochstieg. Am liebsten hätte er diesem miesen Gauner, der ihm da mit aller Selbstverständlichkeit einen plumpen Bestechungsversuch antrug, die Faust auf seine Geiernase gesetzt, denn er sah in diesem Kerl wieder einmal seine nicht gerade hohe Meinung von den Dons bestätigt.
Er mochte sie ganz allgemein nicht, außerdem war er stinksauer, weil sie bereits mehrmals Ladungen, die er vom Orient nach Brest hatte bringen wollen, beschlagnahmt hatten. Mit den Engländern dagegen hatte er noch niemals Scherereien gehabt. Deshalb sah er nicht die geringste Veranlassung, das schmutzige Angebot de Faleiros anzunehmen – ganz davon abgesehen, daß der Kerl seiner Meinung nach ohnehin nur Luftschlösser versprach.
Dennoch beschloß Monsieur le capitaine, den Don noch ein wenig zappeln zu lassen.
„Warum nur wollen Sie diese Männer, die sich als ausgezeichnete Seeleute erwiesen haben, den Behörden ausliefern? Mir ist nicht bekannt, daß sie irgendwie schuldig sind. Das sind doch keine Verbrecher!“
Juan de Faleiro holte tief Luft, und im Handumdrehen war er in seinem Element.
„Es handelt sich bei diesen Burschen um die übelsten Räuber, Schnapphähne und Piraten, die je die Weltmeere befahren haben, Capitán!“ sagte er mit sichtlich erregter Stimme. „Sie alle gehören zur berüchtigten Crew des Piraten Killigrew. Die spanischen Schiffe, die sie überfallen und ausgeplündert haben, sind nicht mehr zu zählen. Ich schwöre Ihnen, Capitán, diese Seewölfe sind zum Schrecken aller christlichen Seefahrer geworden. Sie sind die schändlichsten Halsabschneider und verabscheuungswürdigsten Verbrecher, die Ihnen je begegnet sind. Bei der heiligen Madonna, sie schrecken vor nichts, aber auch gar nichts zurück. Eine Untat folgt der anderen, Morde und Vergewaltigungen sind bei diesen üblen Kerlen an der Tagesordnung. Ja, ich beschwöre Sie, Capitán Delamotte, gehorchen Sie Ihrer Christenpflicht, und tragen Sie dazu bei, daß dieses Ungeziefer endlich ausgerottet wird.“
Pierre Delamotte räusperte sich.
„Das war eine feurige Rede, lieber Freund“, sagte er. „Dennoch konnte ich bisher nicht feststellen, daß diese Seewölfe an Bord meines Schiffes Morde oder andere Untaten verübt haben. Im Gegenteil, es scheinen recht vernünftige Männer zu sein, die sich zwar von niemandem auf den Kopf spucken lassen, aber trotzdem fair und kameradschaftlich sind. Ich gestehe Ihnen, daß ich nicht weiß, was ich von Ihren haarsträubenden Anschuldigungen halten soll.“
In Wirklichkeit wußte der Kapitän der „Mercure“ sehr wohl, welcher Wahrheitsgehalt den Worten des Spaniers beizumessen war, denn Ferris Tucker hatte ihm längst davon berichtet, aus welchen Gründen de Faleiro die Engländer, speziell aber die Seewölfe, so glühend haßte. Er wußte, was für ein übler Menschenschinder dieser perückentragende Kerl war. Die tüchtigen Männer, die bei ihm angeheuert hatten, waren beinahe dem Sadismus dieses Mannes zum Opfer gefallen.
Das Ganze lag zwar schon Jahre zurück, aber es war offensichtlich auf beiden Seiten nicht in Vergessenheit geraten. Juan de Faleiro war damals, im Jahre 1577, Kapitän der Galeere „Tortuga“ gewesen, und die Seewölfe hatten als Galeerensklaven für ihn schuften müssen, bis sie von ihrem Kapitän und seinem Bootsmann befreit werden konnten.
Vorher aber war es einem dieser Männer, einem gewissen Dan O’Flynn, gelungen, eine Muskete an sich zu reißen, den Capitán niederzuschießen und von Bord zu springen. Doch nicht nur deshalb haßte de Faleiro die Seewölfe. Es kamen noch andere Gründe hinzu.
Zum Beispiel war er damals von der spanischen Marinebehörde zum Sündenbock gestempelt worden, weil es drei lumpigen Engländern – Philip Hasard Killigrew, Ben Brighton und Dan O’Flynn – gelungen war, die „Tortuga“ zu entern, mit ihr dann die Silbergaleone „San Mateo“ zu kapern und mit dieser nach England zu verschwinden.
Durch diesen Streich war Juan de Faleiros Laufbahn als Seeoffizier vermasselt gewesen. Der Traum, Kommandant einer großen Kriegsgaleone Seiner Allerkatholischsten Majestät, König Philipps II., zu werden, war damit ausgeträumt. Er hatte Galeerekapitän bleiben müssen und war ins Mittelmeer abgeschoben worden.
Das alles war Grund genug für diesen ehrgeizigen Mann, der nun schon über fünfzig Jahre alt war, die Engländer aus tiefster Seele zu hassen. Er war niemals auf die Idee verfallen, die Schuld bei sich selber zu suchen.
Juan de Faleiro, der aus der ausdruckslosen Miene Delamottes noch immer nicht recht schlau wurde, ließ nicht locker. Er wertete die Antwort des Franzosen als Zeichen der Unschlüssigkeit. Deshalb setzte er alles daran, der bevorstehenden Entscheidung, so gut es nur ging, nachzuhelfen.
„Das ganze Verhalten dieser Männer an Bord Ihres Schiffes ist nur ein Täuschungsmanöver“, fuhr er fort. „Glauben Sie mir, ich kenne diese Schnapphähne. Sie werden die ‚Mercure‘ ins Unglück stürzen. Außerdem, Capitán, denken Sie an die Belohnung, die die spanische Krone ausgesetzt hat!“
Pierre Delamotte, ein kleiner, vitaler Mann, wiegte den Kopf abschätzend hin und her.
„Welche Garantie erhalte ich, daß Sie Ihre Versprechungen auch erfüllen?“ fragte er unvermittelt.
In den dunklen Augen de Faleiros blitzte es erwartungsvoll auf. Hatte der Franzose etwa angebissen? Warum sonst stellte er diese Frage? Die Entscheidung war fällig, das spürte er deutlich.
Eilig sagte er deshalb, nicht ohne einen gewissen Stolz in der Stimme: „Ein Spanier hält immer sein Wort, Capitán! Das gebietet ihm schon seine Ehre.“
Erneut wiegte Delamotte den Kopf hin und her, als müsse er sich eine innere Entscheidung abringen. Tatsächlich aber hatte es für ihn in dieser Sache von Anfang an nichts zu überlegen gegeben.
Juan de Faleiro wurde ungeduldig. „Ich hoffe auf Ihre Einsicht, Capitán Delamotte, und ich bin davon überzeugt, daß Sie der spanischen Krone diesen wahrhaft großen Dienst erweisen werden!“
Delamotte nickte. „Es handelt sich bei diesen Seewölfen also um Piraten, Halsabschneider, Mörder, Räuber und Frauenschänder?“
„Sehr richtig, Capitán.“
Der Kapitän der „Mercure“ nickte wieder. „Merkwürdig“, sagte er dann.
„Was ist merkwürdig – wenn die Frage erlaubt ist?“ De Faleiro beugte sich lauernd vor.
„Nun, ich finde es merkwürdig“, fuhr Delamotte fort, „daß alle diese Titel und Bezeichnungen nur auf einen einzigen Mann zuzutreffen scheinen – und der sind Sie, Monsieur. Der Dreck, mit dem Sie die ganze Zeit hier um sich geworfen haben, fällt auf Sie zurück. Und mit Recht, wie ich weiß. Auf Ihre angebliche Ehre und auf alle Ihre plumpen und nichtssagenden Versprechungen pfeife ich. Eigentlich ist die Vorpiek der ‚Mercure‘ viel zu schade dafür, daß sie von einem Mann Ihres Schlages beschmutzt wird. Ich empfehle mich, Monsieur, bevor mir das ausgezeichnete Essen unseres Kochs wieder hochkommt!“
Pierre Delamotte drehte sich um und verließ die Piek. Mit einer Handbewegung winkte er Marchais herbei und ließ den Riegel wieder vorschieben.
Für einen Augenblick war Juan de Faleiro sprachlos. Und er mußte mehrmals kräftig schlucken, bis er den Aussagewert dieser klaren und deutlichen Antwort begriff. Dann begann er in seiner unbändigen Wut zu toben und zu fluchen – auf eine Weise, die ganz gewiß nicht zu einem Ehrenmann paßte, der sich selbstlos um das Wohl der spanischen Krone bemühte.
Pierre Delamotte ließ ihn toben, während er mit einem zufriedenen Lächeln im verwitterten Gesicht dem Achterdeck zustrebte.
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