Seewölfe - Piraten der Weltmeere 343. Davis J.Harbord

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abgelenkt zu haben, aber dem war nicht so. Um den Quälgeist abzuwimmeln, erwiderte er: „Das ist – äh – ’n Haus.“ Und er verzehrte das zweite Omelette.

      Hasard junior kniff die Augen zusammen und verhehlte nicht, daß er mißtrauisch und mit der Antwort keineswegs zufrieden war.

      „Wer wohnt denn alles in so einem Haus?“ fragte er.

      „Mann, du stellst aber auch Fragen“, sagte Carberry ungehalten. „In dem Haus wohnen Leute drin, ist doch klar, was, wie?“

      „Und warum nennt man’s dann Etablissement? Da kann man doch gleich Haus sagen!“

      „Man kann sich auch ’n Loch in die Kniescheibe bohren“, knurrte Carberry. „Und jetzt zisch ab, Freundchen! Hier gibt’s noch mehr Kerle an Bord, die ihren Magen auffüllen wollen.“ Und er röhrte zur Back hoch: „He, Mister Blacky, Mister Finnegan, Mister Roskill, Mister Morgan, Mister Ranse! Essensempfang ist nicht auf der Back, sondern hier auf der Kuhl! Bewegt euch, Leute! Hopphopp! Hurtig-hurtig! Oder soll ich euch das Fliegen beibringen, was, wie?“

      „Wär mal was anderes“, brummelte Luke Morgan.

      „Ich möchte heute morgen nichts essen!“ rief Blacky zur Kuhl hinunter. „Speckeierkuchen mag ich sowieso nicht!“

      Carberry stemmte die Pranken in die Hüften, wuchs um ein paar Zoll und brüllte: „Was du möchtest, interessiert mich einen Affendreck, Mister! Roll an, aber ein bißchen hurtig!“ Der Profos hatte plötzlich einen Tampen in der rechten Faust und ließ ihn durch die Luft pfeifen. An seinem Gesichtsausdruck war auch abzulesen, daß er an diesem Morgen keine leeren Sprüche klopfte. Der war über irgend etwas gereizt, und da konnte es durchaus passieren, daß er rabiat wurde.

      Die fünf Männer verzogen sich von der Back und enterten auf die Kuhl hinunter.

      Jetzt war Mac Pellew Hahn im Korb und fühlte sich dementsprechend. Aber wenn er gedacht hatte, Carberrys spähenden Blicken entgangen zu sein, oder daß der ihn vielleicht vergessen hätte, dann war das ein Trugschluß.

      „Mister Pellew!“ donnerte der Profos. „Das Austeilen der Speckeierkuchen habe ich schon mal fixer gesehen! Oder soll das bis nächste Woche dauern?“

      Mac Pellew zuckte zusammen. Er hatte gerade mit einer Lady namens Juanita herumscharwenzelt und ihr erklärt, in der Piek sei ein schönes Plätzchen, wo man sich ungestört unterhalten könne. Und die Schöne hatte kichernd erklärt, daß sie gegen ein schönes Plätzchen nichts einzuwenden habe, richtig entzückend fände sie ein solches Plätzchen. Und sie hatte dem dürren Mac verheißungsvoll zugelächelt.

      Mac fluchte. Ausgerechnet in diesem Moment des traulichen Gesprächs mußte dieses Monster von Profos dazwischenbrüllen und ihn stören.

      „Den erwürg ich eines Tages!“ lautete sein gezischter Kommentar, den Carberry allerdings nicht hörte.

      Juanita war ein bißchen entsetzt, weil sie auch zu dem Narbenmann Zuneigung verspürte. Der hatte so etwas Uriges. Schon in seiner Stimme war das drin. Da konnten einem wohlige Schauer über den Rücken rinnen.

      Und schon toste diese Stimme wieder über die Back: „Mi-ster Pel-lew! Wird’s bald? Ich hol nur noch einmal Luft, aber danach bist du am Tanzen! Und den Takt zum Tänzchen wirst du auf deinem Affenarsch spüren – hiermit!“ Und Carberry ließ wieder den Tampen durch die Luft pfeifen.

      „Ich hab noch nicht alle Ladys bedient!“ schrie Mac Pellew wutentbrannt zurück. „Wird hier schon die Sanduhr danach gestellt, wie lange man Omeletten verteilen darf?“

      „Du verteilst seit mindestens einer Viertelstunde!“ brüllte der Profos mit Berserkerstimme; so daß Sir John von der Vormarsrah abhob und kreischend zum Besantopp hinüberflüchtete. Selbst ihm, dem Bordpapagei, dem Lauscher und begeistertem Nachplapperer der Carberry-Flüche, schien die Stimmlage des Profos nicht mehr geheuer zu sein. Da war Gefahr im Verzuge.

      Edwin Carberry schaffte es mal wieder, die ganze „Isabella“ zum Zittern zu bringen.

      Hasard enterte zur Kuhl ab, überquerte sie, klopfte im Vorbeigehen Carberry beruhigend auf die Schulter und stieg zur Back hoch.

      „Schon gut, Mac, ich übernehm das“, sagte er ruhig und streckte die rechte Hand aus.

      „Aye, Sir“, sagte Mac verdattert und übergab seinem Kapitän den Holzteller mit den Omeletten.

      Hasard nahm ihn entgegen und winkte mit den Augen. Mac verschwand von der Back und flüchtete in die Kombüse. Nun ja, der verdammte Profos mochte zwar mit einem Tampen drohen, aber in den eisblauen Augen des Kapitäns war klar zu lesen gewesen, daß so etwas wie ein Weltuntergang bevorstand. Da war es klüger, sich zu verholen und die Piek als Liebeslaube schnell zu vergessen. Gegen Carberry konnte man noch anstinken, wenn’s sein mußte. Aber vor Philip Hasard Killigrew hatte Mac Pellew einen unheimlichen Respekt – seit jener Zeit auf der alten „Marygold“ Kapitän Drakes.

      In der Kombüse kriegte Mac auch gleich Zunder.

      „Du Blödmann!“ sagte der Kutscher mit Inbrunst. „Du dämlicher Blödmann …“

      „Wieso?“ Mac brauste auf. „Was willst du denn jetzt noch? Ich hab die Schnauze voll, verstehst du? Ich will mal einen Tag vergessen, daß ich zur See fahre und dabei nichts anderes sehe als eure blöden Visagen! Einmal nur will ich das vergessen! Ich muß verrückt gewesen sein, bei euch anzuheuern, total verrückt Ihr karrt mit diesem verdammten Schiff nach Osten, nach Norden, nach Süden, nach Westen, prügelt euch mit anderen Idioten, die ihr trefft, schlagt euch die Köpfe ein – ach, Scheiß!“ Und Mac Pellew kriegte das heulende Elend. Dabei hatte er doch so gern in der Piek ein Schäferstündchen abhalten wollen.

      „Mac!“ sagte der Kutscher bedächtig. „Ich möchte das alles nicht gehört haben. Du hast einen Hau! Und vergiß nicht, daß du jetzt noch im Schuldturm von Plymouth vor dich hinsterben würdest, wenn dich unser Kapitän nicht ausgelöst hätte. Vergiß das bitte nicht! Du hast bei uns nicht angeheuert, sondern warst froh, in diese Crew aufgenommen zu werden. Auch das solltest du nicht vergessen. In dem verdammten Schuldturm hätten sie dich verfaulen lassen. Statt dessen bist du zu einem freien Mann geworden. Wenn du willst, kannst du abmustern. Sag’s dem Kapitän, daß du keine Lust mehr hättest und aussteigen wolltest. Sag’s ihm! Der reißt dir nicht den Kopf ab. Der sagt: Gut, Mac, wenn du das möchtest, dann tu’s, ich zwinge keinen, bei mir an Bord zu fahren. Genau das wird er sagen. Gut, wenn das so sein soll, dann pull ich dich vielleicht sogar an Land. Und wenn wir uns verabschieden, werde ich sagen: Hau ab, du Blödmann! Schieß in den Wind! Sieh zu, wie du jetzt klarkommst! Natürlich wird dir unser Kapitän deinen Anteil an der bisherigen Beute auszahlen. Die kannst du dann auf den Kopf hauen und mit verluderten Weibern verprassen. Bitte sehr! Aber aus dem nächsten Schuldturm holt dich keiner raus, du Blödmann!“

      Mac Pellew holte einen sauberen Holzteller aus dem Geschirrschapp, packte die nächsten Omeletten drauf und verließ die Kombüse. Im Schott drehte er sich aber noch einmal um und sagte: „Hab’s kapiert, Mister! Aber mit den Weibern würde ich doch ganz gern …“

      „Verzieh dich“, sagte der Kutscher sanft. „Bei den Weibern deiner Sorte wirst du nie die richtige Frau finden.“

      Mac Pellew stand schon mit einem Bein auf der Kuhl, drehte sich aber noch einmal um. „Wie meinst du das?“

      Der Kutscher deutete mit dem Daumen nach oben.

      „Die da auf der Back sind nichts für dich, Junge“, sagte er. „Jedenfalls nichts auf Dauer. Da hatte Hasard junior ganz recht, obwohl er nicht wußte, von was er sprach. Das sind Flitzer. Du kannst sie auch, gewählt ausgedrückt, Schmetterlinge nennen. Die sind hübsch anzusehen, aber eben flatterhaft – mal dies, mal das. Na, du weißt schon. So was ist nichts für unsereinen, wenn er beschließt, für immer an Land zu bleiben und Rüben anzubauen oder den eigenen Herd anzuheizen.“

      Mac Pellew zog das andere Bein nach, schloß das Schott und starrte auf die Omeletten.

      Da ist was dran, was der Kutscher sagt, dachte er tiefsinnig. Und er blieb auch


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