Seewölfe - Piraten der Weltmeere 353. Davis J.Harbord

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 353 - Davis J.Harbord


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ein Mann von Ehre, der die spanische Krone und die „Casa“ noch nie auch nur um ein Krümelchen Goldstaub betrogen hatte. Und jetzt wagte dieser schnauzbärtige, arrogante Capitán, darauf anzuspielen, daß er Goldbarren unterschlage!

      Aber er zahlte die versteckte Beleidigung zurück. Er sagte: „Ihre Auffassung über die Tätigkeit des Kommandanten einer Goldmine scheint Ihrem eigenen Wunsch zu entsprechen, sich privat bereichern und die Krone betrügen zu wollen. Meiner Auffassung entspricht sie jedenfalls nicht. Daß ein spanischer Seeoffizier und Kommandant einer Galeone Seiner Majestät sie äußert, wirft kein sehr gutes Licht auf Ihr Offizierscorps, Señor Capitán!“

      Don Francisco verlor nun doch etwas von seiner arroganten Haltung.

      „Werden Sie nicht unverschämt, Mann!“ zischte er. „Verbitte mir derartige Äußerungen, verstanden?“

      „Gern“, erwiderte Don Julio ruhig, „nur sollten Sie mit Ihren Äußerungen vorsichtiger sein. Ich lasse mir nicht etwas unterstellen, was Sie vielleicht tun würden, wenn Sie hier der Kommandant wären. Sie haben meine Antwort herausgefordert …“

      „Zur Sache!“ schnarrte der Capitán. „Ich fordere zwanzig Mann, und die werden Sie mir sofort zur Verfügung stellen.“

      „Dazu müßte ich erst einmal Ihre Sondervollmacht sehen, von der Sie sprechen“, sagte Don Julio eisig. „Im übrigen sind es von hier bis Vera Cruz nur noch an die sechzig Meilen. Wenn Sie den Hurrikan bis hierher geschafft haben, wird Ihre Mannschaft wohl auch noch den kleinen Rest bis Vera Cruz bewältigen, zumal sich das Wetter längst beruhigt hat.“

      „Das zu beurteilen, überlassen Sie gefälligst mir!“ fauchte der Capitán. „Ich brauche auch keine Seeleute, sondern Soldaten, und zwar zur Bewachung von Gefangenen, verstanden?“

      „Bin ja nicht taub“, erwiderte Don Julio frostig. „Wie viele Gefangene sind denn zu bewachen?“

      „Das geht Sie nichts an!“

      „Schätze doch“, sagte Don Julio. „Wenn mir über die Hälfte meines Wachpersonals weggenommen wird, ist die Sicherheit der Mine nicht mehr garantiert. Sechzehn Soldaten können nicht rund um die Uhr einhundertachtzig Minenarbeiter überwachen. Das ist ein Unding. Darum muß die Frage gestattet sein, wie viele Gefangene von den zwanzig Soldaten bewacht werden sollen, die Sie von mir fordern – und das auch noch auf der kurzen Strecke bis Vera Cruz!“

      „Das ist ein geheimer Auftrag!“ schnarrte der Capitán. „Ich bin Ihnen darauf keine Antwort schuldig. Ich verlange die zwanzig Soldaten. Das ist ein Befehl!“

      „Dann will ich Ihre Sondervollmacht sehen“, sagte Don Julio verbissen.

      Wutentbrannt riß der Capitán eine Pergamentrolle aus dem Wams.

      „Hier!“ schnauzte er. Es fehlte nicht viel, und er hätte das Schriftstück Don Julio vor die Füße geworfen.

      Er nahm es entgegen, entrollte es, las es durch und mußte erkennen, daß er keine Möglichkeit hatte, die Forderung des Capitáns abzulehnen. Die Order war eindeutig. Er hatte zu gehorchen. Leider stand die Anzahl der Gefangenen nicht in dem Schriftstück. Da war nur von „Gefangenen“ die Rede, die als „staatsgefährlich“ bezeichnet wurden und nach Vera Cruz überstellt werden sollten, um dort unter dem direkten Vorsitz des Vizekönigs von Neuspanien abgeurteilt zu werden.

      Vielleicht hätte Don Julio die Kühnheit aufgebracht, sich dem Befehl des Capitáns dennoch zu widersetzen, wenn er gewußt hätte, daß es sich um ganze drei Gefangene handelte, für die zwanzig Soldaten zur Bewachung weiß Gott zu viele waren. Zwanzig Soldaten für drei Gefangene – und sechzehn Soldaten für einhundertachtzig farbige Minenarbeiter! Fürwahr – ein eklatantes Mißverhältnis!

      Aber diese Zahl von drei Gefangenen verschwieg der Capitán wohlweislich und redete sich auf einen „geheimen, Auftrag“ hinaus, wobei ihm allerdings klar sein mußte, daß er mit seiner überhöhten Forderung den Kommandanten der Mine in eine gefährliche Lage brachte, ja, in eine unter Umständen tödliche Gefahr. Aber das interessierte den Capitán nicht. Mochte dieser lächerliche Kommandant doch zusehen, wie er seine Mine bewachte!

      Don Julio gab noch nicht auf. Er reichte das Schriftstück zurück und sagte: „Wäre Ihnen nicht auch mit zehn Soldaten gedient, Señor Capitán?“

      „Nein!“

      „Oder fünfzehn?“

      Der Capitán kostete seine Macht aus. „Ich denke gar nicht daran, zwanzig Soldaten und keinen weniger. Ich bin es auch nicht gewohnt, daß über meine Befehle debattiert wird.“ Er winkte lässig mit der rechten Hand. „Also, lassen Sie Ihre Truppe hier antreten, ich suche mir die zwanzig Mann selbst heraus!“

      Das war eine weitere Unverschämtheit. Dem Kommandanten Don Julio Costa Cordes lief die Galle über.

      „Das wird wohl nicht möglich sein“, sagte er zornig. „Zur Zeit sind achtzehn Soldaten damit beschäftigt, die Minenarbeiter zu bewachen. Wenn ich diese Bewachung jetzt abziehe, sind die Minenarbeiter ohne Aufsicht. Ich weise Sie darauf hin, daß alle diese Leute nicht freiwillig in der Mine arbeiten. Ich würde die Kerle also geradezu auffordern, auszubrechen. Was dann von Ihnen und Ihrer Galeone übrigbleibt, können Sie sich wohl selbst ausrechnen. Offenbar haben Sie die Absicht, mich zu schikanieren. Aber das lasse ich mir nicht bieten. Hier dürfte Ihren Sondervollmachten eine Grenze gesetzt sein. Meine Truppe wird nicht antreten. Wenn Ihnen das nicht paßt, dann segeln Sie weiter. Unsinnige Befehle führe ich nicht aus, dafür bin ich auch bereit, mich vor dem Vizekönig zu verantworten.“

      „Spielen Sie sich nicht auf, Mann“, sagte der Capitán herablassend. „Sie brauchen Ihre paar Gefangenen oder Minenarbeiter nur für eine halbe Stunde einzusperren, und damit ist die Sache erledigt.“

      Ihre „paar Gefangenen oder Minenarbeiter“! Die Überheblichkeit dieses Capitáns war kaum noch zu überbieten.

      „Tun Sie das doch mit Ihren geheimnisvollen Gefangenen, Capitán“, sagte Don Julio grimmig. „Und wenn Sie die Kerle zusätzlich in Ketten legen lassen und in der Vorpiek einsperren, brauchen Sie vorm Schott lediglich einen Posten. Oder hat Ihre Galeone keine Vorpiek? Das wäre das erste spanische Kriegsschiff, in dem die Schiffsbauer einen solchen Raum vergessen hätten!“

      „Ich sagte, daß ich es nicht gewohnt sei, über meine Befehle zu debattieren“, erwiderte der Capitán scharf.

      „Und ich sagte, daß ich meine Truppe hier nicht antreten lasse“, erklärte Don Julio genauso scharf. „Da beißen Sie bei mir auf Granit, auch wenn Sie sich einbilden, einem kleinen Stützpunktkommandanten auf der Nase herumtanzen zu können!“

      „Ich werde eine Beschwerde über Ihr disziplinwidriges Verhalten dem Vizekönig in Vera Cruz überreichen!“ schnarrte der Capitán.

      „Einen besseren Gefallen können Sie mir gar nicht tun“, erklärte Don Julio ungerührt. „Denn damit demaskieren Sie sich selbst – vorausgesetzt, Sie bleiben bei der Wahrheit. Ich jedenfalls werde sofort ein Protokoll über Ihr anmaßendes Auftreten in meinem Stützpunkt anfertigen, das der Wahrheit entspricht.“ Er wandte sich zu dem Sargento um, der ihn zur Pier begleitet hatte. „Sie waren Zeuge, Sargento!“

      „Und ob, Señor Commandante“, erwiderte der Sargento. „Mit vergnügen werde ich bestätigen, daß der Capitán der ‚Santa Rosa‘ Ihre sachlichen Vorbehalte ignoriert und durch den Abzug von zwanzig Soldaten die militärische Sicherheit des Stützpunktes in gefährlicher Weise geschmälert hat. Wenn hier etwas passiert, wird sich der Capitán dafür verantworten müssen. Sie haben ihn gewarnt.“

      „Bringen Sie die zwanzig Soldaten her!“ brüllte der Capitán. „Ich habe es nicht nötig, mir das Geschwätz eines Sargento abzuhören.“

      „Auch das wird in dem Protokoll stehen“, sagte Don Julio trocken. Immerhin hatte er erreicht, daß der Capitán nicht mehr darauf bestand, die Truppe antreten zu lassen und sich die zwanzig Soldaten selbst herauszusuchen. Er nickte dem Sargento zu. „Mustern Sie die zwanzig Mann aus.“

      „In


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