Seewölfe - Piraten der Weltmeere 353. Davis J.Harbord

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wann sich mir die Chance bietet. Mein ganzes Denken wäre nur noch darauf ausgerichtet. Und da würde ich ziemlich schnell spitzkriegen, daß sich die Bewachung vermindert hat.“

      „Hm.“ Mordekai nickte. „So gesehen, hast du recht. Dann sollten wir noch in dieser Nacht zuschlagen.“

      „Nein, in der nächsten Nacht.“

      „Warum das?“

      Jan Ledebur zeigte wieder sein Grinsen. „In dieser Nacht ist die Situation noch neu für die restlichen Soldaten. Um so schärfer werden sie auch aufpassen. In der nächsten Nacht sollten sie sich an die veränderte Situation bereits gewöhnt haben. Wird schon nichts passieren, werden sie denken. Außerdem werden sie müde sein – weniger Posten bedeutet, daß sie häufiger aufziehen müssen. Bisher haben sie ihre Wachen recht gut aufteilen können, so daß immer eine Gruppe wachfrei hatte und sich auspennen konnte. Das hat sich jetzt radikal geändert. Ich bin also nicht für diese, sondern für die nächste Nacht.“

      „Und warum nicht die übernächste oder überübernächste? Da sind die dann doch noch müder und lahmer.“

      „Vergiß nicht die Galeone“, erwiderte Jan Ledebur. „Sie hatte ziemliche Sturmschäden. Wo werden die repariert? Ich schätze, in Vera Cruz, dem nächstgelegenen Stützpunkt der Olivenfresser, wo es auch eine Werft gibt. Die Galeone ist nach Nordwesten gesegelt – mit den zwanzig Soldaten, die hier abgezogen wurden. Ich glaube auch, daß sie bis Vera Cruz als Ersatz einspringen mußten. Das bedeutet aber, daß sie wieder hierher zurückkehren müssen, und zwar schleunigst, denn hier sind ja immerhin an die einhundertachtzig Sklaven zu bewachen. Es ist also damit zu rechnen, daß diese zwanzig Kürbishosen innerhalb der nächsten drei, vier Tage wieder in Marsch gesetzt werden. Und da müssen wir bereits verschwunden sein – obwohl ich den Plan hatte, länger zu bleiben!“

      „Länger zu bleiben?“ fragte Mordekai verblüfft. „Wieso denn das?“

      „Ich hatte die Absicht“, sagte Jan Ledebur mit der Sachlichkeit eines kühl rechnenden Pfeffersacks, „die Nigger und diese anderen Wilden eine Weile für uns das Gold abbauen und in Barren gießen zu lassen. Man muß eine Kuh melken, solange sie Milch gibt, verstehst du? Das bisher abgebaute Gold fällt uns sowieso zu. Aber in der Mine ist noch mehr.“ Der Ausdruck in seinem Gesicht wurde noch zynischer. „Was meinst du wohl, wie schnell und ertragreich wir melken können, wenn wir mal ein bißchen die Peitsche einsetzen oder drei, vier von diesen miesen Arbeitsläusen über die Klinge springen lassen, damit die anderen sehen, wo’s langgeht, wenn gefaulenzt wird? Dieser Stützpunktkommandant ist ein Vollidiot. Der hätte längst mehr herausholen können, wenn er härter wäre. Wir haben das doch lange genug beobachtet! Diese Burschen kriegen genug zu fressen und von einer Peitsche war nichts zu sehen. Die Kerle arbeiten im Trott, zwar bewacht, aber keiner reißt sich ein Bein aus. Bei mir wäre das anders!“

      Mordekai hatte glitzernde Augen. Ihm war erst jetzt bewußt geworden, welche Reichtümer ihnen entgingen, wenn die Goldmine nicht restlos ausgebeutet wurde. Bildlich gesehen hatten sie die Türklinke zu einer Schatzkammer in der Hand, schlugen die Tür aber wieder zu, um sich mit der kleinen Vorkammer zu begnügen.

      „Sind wir Idioten?“ sagte er aufgebracht.

      Jan Ledebur warf ihm einen kühlen Blick zu. „Der Sperling in der Hand ist mir lieber als die Taube auf dem Dach, Mordekai. Außerdem gibt es immer noch die zweite Möglichkeit, nämlich die, daß wir hier abräumen, was es abzuräumen gibt, dann verschwinden, ein Weilchen abwarten, bis sich die Gemüter beruhigt haben, und nach diesem Weilchen noch einmal zuschlagen. Du mußt immer nach dem Prinzip vorgehen, andere für dich arbeiten zu lassen. Wir legen uns nach dem Coup wieder auf die Lauer, schauen zu, wie der Stapel der Goldbarren wächst, und wenn wir ihn für hoch genug halten, wird er von uns ein zweites Mal abgeholt, vielleicht sogar ein drittes Mal. Das wird sich aus der Situation ergeben. Aber vergiß dabei nie, daß nur Narren ein Risiko eingehen. Mein Plan, die Mine zu besetzen und die Kerle eine Weile für uns arbeiten zu lassen, birgt ein gewisses Risiko, aber natürlich auch die Gewißheit, mehr einsacken zu können. Jetzt jedoch hat sich unser Gesamtrisiko durch den Abzug der zwanzig Kürbishosen erheblich vermindert, und wir werden uns das holen, was bisher abgebaut wurde. Das muß uns genügen – in der Gewißheit, fast gar nichts aufs Spiel zu setzen. Es ist der Spatz in der Hand, aber wir alle haben dabei kaum etwas riskiert. Bei der Taube auf dem Dach jedoch könnte es uns passieren, daß wir ganz gehörig Federn lassen müssen. Ist das klar?“

      „Verstehe.“ Mordekai nickte. „Dennoch schmerzt es, auf das noch nicht abgebaute Gold in der Mine verzichten zu müssen.“

      „Vergiß es“, sagte Jan Ledebur, und es klang wiederum so, als spräche er nicht von Gold, sondern von roten Rüben oder einem fettarmen Käse, die auf dem Markt von Vlissingen oder Zwolle zwar angeboten wurden, aber für die Geldkatze der Ledeburs viel zu teuer waren.

      Tatsächlich steckte eine solche Denkart sehr tief in Jan Ledebur drin, dessen Vorfahren im heimatlichen Holland – genauer gesagt in Vlissingen – den Gulden zehnmal umdrehten, bevor sie ihn ausgaben. Die Ledeburs zählten zu den Geizhälsen der Stadt. Zum Geiz hatte sich bei Jan Ledebur noch eine Portion Skrupellosigkeit samt berechnender Kühle hinzugesellt – Eigenschaften, die in dem brodelnden Kessel von Totschlägern, Galgenvögeln, Abenteurern und Glücksrittern des gesamten karibischen Raumes recht selten waren.

      Jan Ledebur sagte fast etwas unwirsch: „Man muß sich mit dem begnügen, was sich einem anbietet.“ Und er wiederholte: „Anbietet! Das ist die Garantie dafür, daß man nicht riskiert, am Halse in die Länge gezogen zu werden, damit man sich totzappelt. Und ich habe auch keine Lust, milder ausgedrückt, mein weiteres Leben einäugig, einarmig oder einbeinig zu verbringen. Ich möchte in einem Stück und ein munteres Kerlchen bleiben, um die Früchte meiner Arbeit genießen zu können – und das sehr lange.“

      Mordekai seufzte, starrte sehnsüchtig dorthin, wo die Goldbarren in einer vergitterten Felsgrotte aufgestapelt waren, und sagte: „Du hast recht, Jan. Mit dem Kopf am Hals und auf den Schultern lebt sich’s länger, vor allem, wenn man’s versteht, sich die Goldbarren einzuteilen.“

      „So ist es“, sagte Jan Ledebur. „Und wenn wir genug eingesackt haben, verschwinden wir hier und setzen uns in Holland zur Ruhe.“

      „Und lassen die Puppen tanzen!“ sagte Mordekai. In seinen Augen glitzerte es wieder.

      „Dummkopf“, sagte Jan Ledebur unwirsch. „Du hast eben doch selbst erklärt, daß man sich die Goldbarren einteilen müsse. Das werden wir auch tun. Aber wir werden auf Gewinn bedacht sein. Wir werden als seriöse Kaufleute arbeiten, mal hier, mal dort, unauffällig natürlich, nie darf jemand erfahren, daß wir auf einem Goldschatz sitzen. Nur so vermehrt sich das Geld. Aber darüber werden wir uns später noch unterhalten. Es bleibt dabei, wir greifen nicht in dieser, sondern in der nächsten Nacht an. Ich verschwinde jetzt und arbeite den genauen Plan dafür aus. Beobachte weiter und versuche festzustellen, auf welche Punkte sie ihre Wachen verteilen. Ich lasse dich in zwei Stunden ablösen. Wir werden auch die Nacht über und morgen weiter beobachten, um die Schwerpunkte der Bewachung zu erfahren. Und morgen nacht schlagen wir dann zu.“

      „Alles klar“, sagte Mordekai und nickte seinem Häuptling zu.

      Jan Ledebur kroch auf dem Bauch zurück, stand in der Deckung der Felsen auf und verschwand lautlos.

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