Seewölfe - Piraten der Weltmeere 293. Frank Moorfield

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 293 - Frank Moorfield


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      Impressum

      © 1976/2017 Pabel-Moewig Verlag KG,

      Pabel ebook, Rastatt.

      ISBN: 978-3-95439-690-0

      Internet: www.vpm.de und E-Mail: [email protected]

      Inhalt

       Kapitel 1

       Kapitel 2

       Kapitel 3

       Kapitel 4

       Kapitel 5

       Kapitel 6

       Kapitel 7

       Kapitel 8

       Kapitel 9

       Kapitel 10

      1.

      Jetzt, in der Mitte des Monats November 1592, schien sich die Sonne ganz von der zerklüfteten Küstenlandschaft der Bretagne und der kabbeligen Wasserfläche des Atlantiks zurückgezogen zu haben. Am Himmel segelten bleigraue Wolkenfetzen entlang, die sich irgendwo hinter der östlichen Kimm verloren. Es war kühl, und der kalte Wind strich leise singend durch die Wanten und Pardunen der wracken Galeone, die vor der Nordküste der bretonischen Felseninsel Mordelles hilflos in der Dünung schaukelte.

      Über das Hauptdeck der „Louise“, einstmals das Flaggschiff einer ganzen Piratenflotte, drang ein langgezogenes Stöhnen.

      Yves Grammont wälzte sich mit schmerzverzerrtem Gesicht zur Seite. Die rechte Hand hatte er gegen die Rippen gepreßt, sein weißes Hemd war blutverschmiert.

      Aber nicht nur die schmerzhaften Fleischwunden, die über den ganzen Oberkörper verteilt waren, ließen ihn aufstöhnen, sondern auch die unbändige Wut, die sich wie ein Geschwür durch seinen Körper fraß. Er, Yves Grammont, einer der berüchtigsten Piratenkapitäne Frankreichs, hatte die größte Niederlage seines Lebens hinnehmen müssen. Jedesmal, wenn er daran dachte, wie dieser Philip Hasard Killigrew, den man den Seewolf nannte, ihn gedemütigt hatte, schloß er erneut in ohnmächtigem Zorn und blindwütigem Haß die Augen.

      Mühsam versuchte Grammont auf die Beine zu kommen. Sein Blick fiel dabei auf Saint-Jacques, der sich nur wenige Schritte von ihm entfernt auf den Planken wälzte. Auch er, der ehemalige Kapitän der „Coquille“, stöhnte unter seinen Blessuren.

      „Was, zum Teufel, ist mit dir los?“ fragte Grammont keuchend. Es gelang ihm, sich schwankend auf den Beinen zu halten. Sein Gesicht war kalkweiß, das Auge, das nicht von der schwarzen Binde verdeckt wurde, wirkte blutunterlaufen.

      Saint-Jacques, der nicht besser aussah, drehte ihm den Kopf zu.

      „Meine Schulter – und die Hüfte!“ stieß er hervor. „Verdammt, tu endlich was! Oder willst du, daß wir beide hier verrecken?“

      Über Grammonts Lippen drang ein wütender Fluch.

      „Schau mich an!“ zischte er. „Glaubst du vielleicht, daß ich noch wie ein Fohlen springen kann?“

      Der flackernde Blick des Piratenführers tastete sich über die Decks der „Louise“ – oder vielmehr über das, was davon übriggeblieben war. Es gab tatsächlich noch einige Männer an Bord, die das Gefecht mit der „Hornet“ überlebt hatten. Außer fünf Kerlen aus seiner Bande, die teilweise apathisch auf den Planken hockten und, aus zahlreichen Wunden blutend, vor sich hin starrten, entdeckte er noch vier Engländer aus der Horde Easton Terrys, die ebenfalls auf seiner Seite gekämpft hatten. Auch sie sahen aus wie lebende Leichen.

      Grammont wandte sich wieder dem verletzten Saint-Jacques zu.

      „Warte einen Augenblick“, stieß er hervor, „ich werde mich um Verbandszeug kümmern. Irgendwo muß sich der verdammte Kasten mit den Quacksalbereien ja noch befinden.“

      „Beeil dich“, winselte Saint-Jaques, der plötzlich um sein verlottertes Leben zu bangen schien, „beeil dich, oder ich krepiere!“ Wieder drang ein Stöhnen über seine schmalen Lippen.

      Yves Grammont stolperte mehr, als daß er ging, auf das Schott des Achterdecks zu. Der große, athletische Mann, dem Kopftuch und Augenbinde ein verwegenes Aussehen verliehen, wirkte jetzt wie ein Greis, dessen Körper von der Gicht gekrümmt war. Unablässig fluchend bewegte er sich vorwärts. Die scharfen Windstöße, die über die Decks pfiffen, bemerkte er nicht. Ihm war heiß – vor Schmerz, Zorn und Haß.

      Ja, er hatte sich tatsächlich zu früh die Hände gerieben, weil er den Seewolf gewaltig unterschätzt hatte. Der größte Teil seiner Flotte war von den beiden englischen Galeonen und diesem unheimlichen Schwarzen Segler mit den Nordmännern an Bord versenkt worden. Wenn man einmal von den Verlusten der vergangenen Tage und Nächte absah, hatten auch jetzt, beim letzten Gefecht, wieder mehrere Schiffe daran glauben müssen.

      Die „Coquille“ und eine Karavelle des Viererverbandes aus Saint-Nazaire waren versenkt worden. Eine weitere Galeone war durch die fürchterlichen Höllenflaschen der englischen Bastarde zerfetzt worden, und das letzte noch intakte Schiff hatte sich in Anbetracht der gewaltigen Schlagkraft der Engländer hinaus auf See verzogen.

      Die „Louise“, auf der er selbst blutend zurückgeblieben war, erinnerte nur noch in Fragmenten an ihr einstmals so stolzes Aussehen.

      Auch an Menschen hatte Yves Grammont gewaltige Einbußen erlitten. Pierre Servan und Jean Bauduc waren tot. Desgleichen Ferret, Jules Arzot und zahlreiche andere Männer aus seiner Bande. Zudem hatten noch einige der englischen Meuterer, die unter Terrys Führung für ihn gekämpft hatten, ins Gras beißen müssen. Darunter auch Halibut, der Kerl mit der platten Nase und dem stumpfsinnigen Gesichtsausdruck. Easton Terry lebte zwar noch, aber er war von den Seewölfen gefangengenommen worden.

      Yves Grammont fand die Holzkiste, in der das Verbandszeug aufbewahrt wurde. Stöhnend und mit zusammengebissenen Zähnen versorgte er seine Wunden. Dann schleppte er, müde und gebeugt, die Kiste an Deck, um auch Saint-Jacques und die anderen Männer zu verbinden.

      Der Kapitän der gesunkenen „Coquille“ lag immer noch wimmernd auf den Planken.

      „Ich – ich sterbe! Mon dieu – ich verblute!“ jammerte er. Hilfesuchend streckte er Grammont eine Hand entgegen.

      Doch der Bandenführer war aus härterem Holz geschnitzt.

      „Hör auf mit dem Gejammer!“ fauchte er Saint-Jacques an. „Bist du ein Mann oder ein verheultes Weibsstück, he? So schnell, wie du meinst, stirbt man nicht! Jetzt hoch mit dir, sonst kann ich dich nicht verbinden!“ Obwohl selbst noch auf wackligen Beinen stehend, packte er den Verletzten, richtete dessen Oberkörper auf und legte ihm die nötigen Verbände an.

      Dann nahm er sich die übrigen Kerle der Reihe nach vor, deren Verletzungen jedoch weniger schwer waren. Meist hatten sie Beulen oder Schrammen davongetragen.

      „Macht, daß ihr so rasch wie möglich wieder auf die Beine kommt!“ brüllte Grammont sie an. „Wir können uns nicht auf die faule Haut legen und auf den Winter warten. Wenn es diesem Killigrew einfällt, kehrt er zurück und schießt uns endgültig in Fetzen!“

      Diese düster gefärbten Zukunftsaussichten schienen zu wirken. Einer nach dem anderen raffte sich auf.

      Grammont arbeitete sich abermals


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