Seewölfe - Piraten der Weltmeere 128. Fred McMason

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 128 - Fred McMason


Скачать книгу
erwischt!“ stieß Ben Brighton hervor, und deutlich schwang die Überraschung in seiner Stimme mit. Aber der Seewolf hörte schon nichts mehr. Er hatte sich einen Belegnagel aus der Nagelbank des Besans gerissen und war über die Schmuckbalustrade des Achterkastells in die Kuhl geflankt.

      „Los, Ferris! Hinterher! In dieser Suppe kann man ja Freund von Feind nicht unterscheiden. Der Don ist ein ziemlich großer Kasten, und wenn es den Dons gelingt, die ‚Isabella‘ zu entern, dann kriegen wir hier einen schweren Stand.“

      Er lief an der Reling entlang, dabei sah er, daß sich das fremde Schiff von der „Isabella“ zu lösen begann. Zwischen den beiden Bordwänden klaffte bereits ein breiter Spalt.

      Aber Ben Brighton sah auch noch etwas anderes – einen hageren, großen Mann, der mit ein paar anderen weiter vorn auf die „Isabella“ sprang. Genau dort, wo Hasard sich in diesem Augenblick befinden mußte.

      Abermals dröhnten an Bord der „Isabella“ Culverinen auf – und nur Sekunden später blitzte es auch bei dem Spanier auf.

      Ben Brighton ließ sich instinktiv fallen. Das war seine Rettung. Ein Hagel von gehacktem Blei fuhr über ihn weg, zerfetzte die Segel der „Isabella“ und schlug prasselnd in die Takelage.

      Auf dem Spanier zuckte erster Flammenschein auf, Brände schienen an Deck des riesigen Schiffes aufzulodern.

      Ferris Tucker tauchte neben Ben Brighton auf. Der Hüne packte ihn und riß ihn hoch.

      „Alles in Ordnung?“ brüllte er, und Ben Brighton sah, wie ihm das Blut über das Gesicht lief. „Wir müssen nach vorn, unsere Leute sind in der Klemme, da – Hasard hat nur einen Belegnagel, sonst nichts!“

      Undeutlich sahen sie die kämpfenden Gestalten, und wieder heftete sich Ben Brightons Blick auf den hageren, großen Mann, der eben auf den Seewolf mit gezogenem Degen eindrang.

      Aber dann blieb Ben Brighton und Ferris Tucker keine Zeit mehr, sich um die anderen zu kümmern, denn die Trümmer der Großrah, Taljen, Blöcke, Segeltuch und ein Trupp von Spaniern, der plötzlich aus dem Nebel auftauchte, versperrten ihnen den Weg.

      Der hünenhafte Schiffszimmermann schwang seine riesige Axt. Ben griff sich einen Belegnagel, der in der Nagelbank zu seiner Linken steckte.

      Die Spanier drangen auf sie ein, aber dann wichen sie vor der kreisenden Axt des Schiffszimmermanns zurück, und Ben Brighton setzte mit dem Belegnagel sofort nach.

      Ben hörte das Geräusch, mit dem die Axt Tuckers einen der Helme der spanischen Seesoldaten traf – und dann wuchs plötzlich neben ihm Batuti auf, der seinen schweren Morgenstern schwang.

      „Warten, Ben, Batuti dich herausprügeln, Belegnagel allein nix gut, Dons hauen und stechen wie verrückt. Batuti oft nicht weiß, welches Mann Freund und welches Feind – so jetzt, da, da …“

      Der Morgenstern sauste nieder. Die Spanier brüllten auf. Ben Brighton spürte, wie ihm eine der Degenklingen die Haut auffetzte, und wütend schlug er zurück. Aus der Drehung heraus traf er seinen Gegner. Der Schlag war mit einer solchen Wucht geführt, daß er den Mann durch das zerstörte Schanzkleid ins Meer beförderte. Sein Schrei ging unter im Tumult, der um die drei Seewölfe herrschte.

      Die Spanier wichen zurück, und Ben Brighton nutzte seine Chance.

      „Los, zu Hasard, er ist dort vorn irgendwo, ein ganzer Trupp Spanier hat ihn in der Mangel!“

      Mit seiner Behauptung hatte Ben Brighton nur zu recht. Woher sie plötzlich erschienen waren, wußte der Seewolf nicht. Aber der baumlange Kerl, der seinen Degen verteufelt geschickt zu führen verstand und von den vier anderen Männern fast perfekt gegen etwaige Angriffe abgeschirmt wurde, war für Hasard ein mächtiges Problem. Sein Belegnagel reichte als Waffe gegen diesen exzellenten Fechter und Kämpfer nicht aus.

      Der Seewolf hörte, daß jetzt auch irgendwo weiter hinten auf dem Geschützdeck der Kampf tobte. Einmal hörte er Al Conroys Stimme, dann dröhnte die von Ed Carberry ganz in seiner Nähe auf, aber sehen konnte er den Profos nicht. Denn der Nebel, der sich mit dem Pulverqualm der Culverinen vermischt hatte, war in diesem Moment so dicht, daß manchmal sogar sein Gegner zu einem Schemen zerrann. Der Seewolf gab sich keinen Illusionen hin: Die „Isabella“ befand sich in einer äußerst gefährlichen Lage.

      Der Spanier unternahm einen Ausfall und trieb den Seewolf bis zum Schanzkleid zurück. Dabei mußte Hasard die blitzschnelle Klinge dieses Mannes ständig mit dem Belegnagel abwehren und parieren.

      Plötzlich ließ der Spanier seinen Degen sinken. Verblüffung stand in seinem Gesicht.

      „Verdammt, Sie sind niemals El Mot! Wer, zum Teufel, sind Sie?“

      Der Seewolf wurde einer Antwort enthoben, denn in diesem Moment begann mit dem Gebrüll Ed Carberrys eine Kette von Ereignissen, die die Seewölfe auch später nie wieder vergessen sollten.

      „Feuer im Schiff! Ho, ihr verdammten Affenärsche, schmeißt endlich die Dons über Bord oder besorgt es ihnen, das Schiff, unsere ‚Isabella‘, braucht jetzt jede Hand!“

      Der Spanier zuckte zurück. Seine Augen begannen zu glühen.

      „‚Isabella‘?“ stieß er hervor und starrte den Seewolf an. „Ich kenne ein Schiff dieses Namens! Zum letztenmal habe ich es im Pazifik gesehen. Bei einer kleinen Insel, in deren Riffen Capitan Roca und fast seine ganze Besatzung ihr Ende fand! Señor, ich ahne, wer Sie sind. Und diesmal werden Sie nicht entwischen, so wahr ich Capitan de Toria bin!“

      Er richtete die Spitze seines Degens auf Hasards Brust.

      „Einen Degen für diesen Señor, einen Degen für Spaniens Feind Nummer eins!“ rief er seinen Männern zu und streckte gebieterisch die Linke aus, ohne den Seewolf auch nur eine Sekunde aus den Augen zu lassen.

      Einer reichte ihm den verlangten Degen, und de Toria warf ihn dem Seewolf zu.

      „Ich werde Sie töten, Señor. Aber niemand soll von Capitan de Toria sagen, er habe einen wehrlosen Mann einfach so abgeschlachtet. Und jetzt zeigen Sie, ob Sie wirklich der Mann sind, für den Spanien Sie hält!“

      De Toria drang auf den Seewolf ein.

      Der Seewolf, starr vor Staunen über soviel Fairneß, parierte den Ausfall, kam aber nicht mehr dazu, das Verlangen des Spaniers zu erfüllen. Ben Brighton, Batuti und Ferris Tucker stürmten heran. Der Morgenstern Batutis fegte die Spanier beiseite, die de Toria den Rücken deckten. Der hünenhafte Schiffszimmermann packte den völlig Überraschten von hinten und warf ihn kurzerhand über das Schanzkleid ins Meer. Selbst der Seewolf konnte das nicht mehr verhindern.

      Der Nebel war noch dichter geworden. Auch auf der „Isabella“ loderten Brände. Aber durch den Nebel, geisterhaft anzuhören, dröhnte die Stimme des Torias zur „Isabella“ hoch.

      „Ihr hättet mich töten sollen, feige von hinten ermorden, dann wärt ihr mich los gewesen. Aber jetzt, Seewolf, lebe ich. Und ich werde dich von nun an jagen, wenn es sein muß, bis ans Ende der Welt. Du wirst wieder vor meinem Degen stehen, und ich werde dich töten, denn wenn wir uns wiedersehen, dann wird dir niemand mehr feige von hinten helfen können …“

      Die Stimme verklang. Ed Carberry tauchte aus dem Nebel auf. Fragend starrte er auf die Gruppe von Männern, fragend starrte er auf den Seewolf.

      „Ein Verrückter?“ fragte er. „Was brüllt dieser verdammte Kerl da im Meer herum, was, wie? Warum habt ihr ihm denn nicht das Maul gestopft wie allen anderen? Und jetzt kümmert euch alle gefälligst mit um die ‚Isabella‘, du besonders, Ferris, oder sie säuft und brennt uns unter dem Hintern ab!“

      Man sah dem Profos an, daß er es ernst meinte. Sein Narbengesicht wies etliche Wunden auf, seine Jacke war blutdurchtränkt. Er warf einen grimmigen Blick nach Backbord, dorthin, wo sich das fremde Schiff eben in seinen allerletzten Konturen im Nebel auflöste.

      „Entschuldige, Sir“, sagte er dann. „Mit mir sind eben alle Gäule durchgegangen. Aber wenn du erst mal weißt, wie unsere gute alte ‚Isabella‘ nach diesem Rammstoß der dreimal verfluchten


Скачать книгу