Seewölfe - Piraten der Weltmeere 128. Fred McMason
er drohend hinzu, „und wenn ich jeden verdammten Affenarsch auf diesem Schiff mit dem Tampen oder der Neunschwänzigen persönlich durchbleuen muß!“
Als der Seewolf sich trotzdem nicht rührte, blieb der Profos, der sich schon herumgedreht hatte, ruckartig stehen.
„Sir“, sagte er düster, „wir sollten uns jetzt wirklich um die ‚Isabella‘ kümmern, oder sie säuft uns tatsächlich ab. Ich glaube, wir haben ein mächtiges Loch in der Backbordseite. Außerdem brennt es im Schiff! Ob diese Schweinehunde das Feuer gelegt haben, oder ob ein paar der Öllampen bei dem Rammstoß vom Haken gefallen sind, weiß ich noch nicht …“
Der Seewolf unterbrach ihn mit einer Handbewegung. Dann wandte er sich an Ferris Tucker, der ebenfalls stehengeblieben war.
„Ich danke dir für deine schnelle Hilfe, Ferris, der Kerl war ein verdammt guter Kämpfer“, sagte er. „Aber trotzdem fürchte ich, daß wir einen schweren Fehler begangen haben. Dieser Spanier kannte unser Schiff, er hat die ‚Isabella‘ bei der Schlangeninsel gesehen. Irgendwie muß er auch mit jenem Capitan zu tun gehabt haben, der mit seinem Schiff auf dem Höllenriff gestrandet ist. Vielleicht ist das der Bursche, der uns während der ganzen Überfahrt mit seiner Karavelle gejagt hat, der uns nie an sich herankommen ließ und in keine unserer Fallen ging. Und dieser Kerl war so fair, mir einen Degen zuzuwerfen, obwohl er mich einfach hätte abstechen können. Viel hätte ich, weiß der Himmel, dagegen nicht unternehmen können …“
Der rothaarige Schiffszimmermann starrte den Seewolf an.
„Was meinst du damit, daß wir einen Fehler begangen haben, Hasard? Ich bin nicht der Mann, der einen Gegner von hinten abmurkst, deshalb habe ich ihn einfach über Bord geworfen. Ich hätte ihm auch den Schädel einschlagen können, meinst du etwa das? Das glaube ich dir nicht, ich kenne dich dafür zu gut und zu lange!“
Es war das erstemal, daß Hasard den rothaarigen Hünen wirklich zornig sah, und daß er der Anlaß dieses Zorns war.
„Nein, Ferris, das meine ich nicht. Aber dieser Mann wird jetzt alle spanischen Schiffe alarmieren, die in der Gegend sind. Er wird bestimmt wahrmachen, was er uns angedroht hat – er wird uns jagen. Den werden wir nicht wieder los. Und das paßt mir absolut nicht in den Kram. Los, sehen wir jetzt, was mit der ‚Isabella‘ ist. Und du, Ben, trommelst die ganze Crew zusammen, ich will wissen, ob es uns noch alle gibt!“
Die Männer liefen los, Eine halbe Stunde später hatten sie trotz des immer dichter werdenden Nebels eine erste Übersicht. Die Crew war vollzählig bis auf Bill, den Schiffsjungen. Der Junge war nicht zu finden. Die „Isabella“ hatte in der Backbord-Bordwand ein respektables Loch, und Ferris Tucker fluchte lauthals, als er es entdeckte. Außerdem war das Schanzkleid fast völlig zerstört, drei Geschützpforten ebenfalls. Ein Wunder, daß die schweren Geschütze sich nicht losgerissen hatten.
Die Großrah vom Hauptmast war an Deck geschlagen und hinüber, das laufende Gut des Großmastes nur noch ein einziges Durcheinander, das sich auch nicht so schnell klarieren lassen würde. Brände flammten im vorderen Bereich des Hauptdecks, hervorgerufen durch herabgefallene oder herübergeworfene Schiffslaternen, waren aber bereits unter Kontrolle.
Verwundete hatte es ebenfalls gegeben. Ein Don hatte Carberry die linke Brustseite mit einem Entermesser aufgeschlitzt. Eine Fleischwunde zwar nur, aber sie schmerzte höllisch. Dem Kutscher hatte irgend jemand eins über den Schädel gezogen, vielleicht sogar einer aus der eigenen Crew, so genau wußte man das nicht. Aber er war ebenfalls schon wieder voll einsatzfähig. Ferris Tukker blutete aus mehreren Wunden, desgleichen der hitzige Engländer Luke Morgan, der Decksälteste Smoky und Matt Davies, der zusammen mit Al Conroy und anderen gegen eine Übermacht von Spaniern auf dem Geschützdeck gekämpft hatte.
Der alte O’Flynn war während des Kampfes über Bord gegangen und hockte jetzt schimpfend und pudelnaß an Deck, denn bei dem Sturz hätte er fast sein Holzbein verloren. Sein Sohn Dan konnte es nicht lassen, ihn damit aufzuziehen, was den Alten noch wütender werden ließ.
Arwenack, der Schimpanse, kauerte auf der Back und ließ keinen außer Dan an sich heran, er war – zum erstenmal in seinem Leben – bei dem Rammstoß aus der Takelage an Deck gestürzt.
Nur Bill, der Schiffsjunge, war und blieb verschwunden.
„Wir müssen Bill suchen!“ sagte Carberry, und sein vernarbtes Gesicht wirkte in diesem Moment noch drohender. „Vielleicht liegt der Junge in der See, vielleicht hat ihn einer von diesen Dons über Bord geworfen …“ Er sagte die letzten Worte nur langsam, denn Carberry wußte nur zu gut, daß es auch ganz andere Möglichkeiten gab und sie sogar wahrscheinlicher waren.
Die Männer starrten ihn an und schwiegen.
Jeder dachte in diesem Moment das gleiche, alle hatten sie Bill inzwischen in ihr Herz geschlossen.
„Wir müssen ein Boot aussetzen, Ed“, sagte der Schiffszimmermann, „aber über eine Leine Kontakt mit der ‚Isabella‘ behalten, sonst finden wir in dieser Suppe niemals zurück!“
Das war ein Vorschlag, aber die Männer wußten, daß Bills Chancen äußerst gering sein würden, falls er wirklich über Bord gefallen sein sollte. Die „Isabella“ konnte längst von einer unbekannten Strömung versetzt worden sein, außerdem war sie aus dem Ruder gelaufen, und das Wirrwarr in der Takelage sorgte für ein übriges. Der Teufel mochte wissen, welchen Kurs das Schiff in diesem Moment steuerte.
Der Seewolf schaltete sich ein.
„Wo war Bill zuletzt?“ fragte er.
Keiner wußte es. Jedenfalls nicht für den Moment des Rammstoßes. Aber der Seewolf bohrte weiter.
„Ed, womit war er gerade beschäftigt?“
Der Profos dachte nach. Dann hellten sich seine Züge plötzlich auf, während Sir John, der Bordpapagei, plötzlich ein Mordsgezeter in der Takelage anstimmte.
„Er sollte die Vorräte und Wasserbestände kontrollieren. Ich erinnere mich jetzt, der Kutscher hatte ihn damit beauftragt.“
Carberry schüttelte den Kutscher, der immer noch benommen an der Kombüsenwand hockte und sich den Schädel hielt.
„Wenn ich den Lausekerl erwische!“ sagte er drohend und zog den Daumen über die Schneide eines Küchenmessers. Aber der Profos ließ nicht locker.
„Ich will wissen, wo Bill war, als die Dons uns rammten, du Hammel!“ brüllte er. „Und wenn du nicht augenblicklich das Maul auftust, dann …“
Der Kutscher taumelte hoch. „Schon gut, Ed. Der Junge steckt irgendwo mittschiffs unter dem Hauptdeck, ich …“
Carberry zuckte zusammen. „Und das sagst du erst jetzt? Bist du von allen guten Geistern verlassen? Mann, wenn du nicht einen Dachschaden hättest …“
Der Profos sauste los, Ferris Tukker folgte ihm, ebenfalls Ben Brighton und der Seewolf. Als sich noch mehr Männer anschließen wollten, stoppte Hasard sie.
„Kümmert euch um die Brände. Ladet die Geschütze neu, wir wissen ja nicht, ob wir nicht noch einmal mit den Dons aneinandergeraten. Die haben auch ganz schön etwas abgekriegt.“
Gemeinsam drangen sie ins Innere der „Isabella“ vor. Und es stellte sich heraus, daß die Schäden schwerer waren, als es auf den ersten Blick zu erkennen gewesen war. Bohlentüren klemmten, dort, wo sich über der Wasserlinie das Loch in der Bordwand befand, stachen die Trümmer ins Schiff und waberte dicker grauer Nebel ins Innere der „Isabella“. Außerdem rann Wasser in den Rumpf, denn die Bordwand hatte nicht nur ein Loch, sondern sie war auch bis unter die Wasserlinie eingedrückt.
Die Männer fluchten. Am meisten der Schiffszimmermann, denn was da an Arbeit auf ihn wartete, das sah er mit einem Blick.
Aber wo war Bill? Der Seewolf rief nach ihm. Carberrys Donnerstimme ließ die Verbände des Rumpfes erbeben, Ben Brighton und der Schiffszimmermann brüllten sich ebenfalls die Lunge aus dem Hals.
Keine Antwort.
„Himmelarsch, wo steckt