Seewölfe Paket 11. Roy Palmer

Seewölfe Paket 11 - Roy Palmer


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Balian?“

      „Nichts“, murmelte der Medizinmann. „Wir müssen es erwarten, und es soll so geschehen, wie der Herr über Leben und Zerstörung gesagt hat. Geht jetzt und holt Atun. Bringt ihn zum Friedhof.“

      „Und was ist mit dem Fest, Balian?“ fragte ein Brahmane, ein dürrer ausgemergelter Mann, der der höchsten balinesischen Kaste angehörte. „Hanuman, der König der Affen, wird uns grollen, auch der Dämon Barong!“

      „Wir werden es für ein paar Sonnenaufgänge verschieben“, lautete die Antwort des Medizinmannes.

      Die Menge wandte sich schweigend vom Strand ab und kehrte zurück.

      Zwei junge Balinesen holten den toten Atun und brachten ihn zum Friedhof.

      Dort wurde der Priester aber nicht beigesetzt, denn ihm stand eine aufwendige Verbrennung bevor. Er wurde vorerst auf dem Friedhof unter schützenden Matten zur vorläufigen Verwesung ausgelegt.

      Die festliche Stimmung war vorbei, die Insulaner warfen immer wieder besorgte Blicke auf das Meer, das sich wie wild gebärdete. Schon lange hatte man dieses merkwürdige Naturereignis nicht mehr gesehen, lediglich die alten Brahmanen wußten noch darüber zu berichten.

      Immer wenn sich das Meer so wild benahm, obwohl kein Wind es aufwühlte, geschah ein Unglück, und über die Insel kamen Unheil und Verderben wie jene riesige Flutwelle, die über den Norden der Insel gebraust war und fast alles Leben vernichtet hatte.

      Ein ähnlicher Vorgang würde sich wiederholen, das stand für alle fest, und niemand vermochte es zu ändern.

      In den Gesichtern der fröhlichen Menschen standen Schatten der Angst und der Trauer. Einige von ihnen ahnten, daß das Brodeln der See mit dem Vulkanausbruch zusammenhing, denn so war es schon einmal vor langer Zeit gewesen. Auch damals hatte sich der Vulkangott Basaki wieder beruhigt, aber dafür hatte er die See aufgewühlt, und eins war so schlimm wie das andere.

      Mit Bangen wurde die Nacht erwartet, doch das Meer beruhigte sich nicht, es wurde nur noch wilder, und damit würde sich die Voraussage des Medizinmannes genauso bewahrheiten, wie sie verkündet worden war.

      Das fremde Schiff war es nicht, was ihnen Angst einflößte, und auch die Männer schreckten sie nicht, vor denen sie sich in acht nehmen sollten, wie der Balian gesagt hatte.

      Es war nackte Existenzangst, die Urangst, das Leben durch die tobende See zu verlieren. Man wurde zwar nur geboren, um zu sterben, aber selbst auf der Insel starb man nicht gern.

      Noch einmal zogen sie in dieser Nacht ans Meer und beteten zu den Göttern, die sich nicht besänftigen ließen.

      Die Nacht war pechschwarz, dunkle Wolken jagten über den Himmel. Der Mond hatte sich hinter finsteren Wolkenbänken versteckt, und jetzt heulte auch auflandiger Wind von der See her und trieb lange weiße Schaumkronen an den Strand.

      Die einzige Stelle, die man erkennen konnte, war das Riff, das sich zwei Meilen vor der Küste befand. Es war ein Korallenriff, an dem sich donnernd die Wassermassen brachen und aufgischteten.

      In den Palmenwedeln rauschte es, der Wind peitschte ihre Kronen und schüttelte die Kokosnüsse herab. Immer wilder wurde die See.

      Und dann – gegen Morgen – riefen sie alle wild durcheinander, als das erste Grau über das Meer zog.

      „Da ist das Schiff, das der Balian verkündet hat!“

      Tatsächlich war im dunstigen Grau über dem aufgewühlten Meer ein großer Schatten mit nur einem Mast zu sehen. Der andere war vom Sturm oder von überkommender See geknickt worden.

      Das Schiff der Fremden fuhr keinen Fetzen Tuch mehr an den Masten, es torkelte und schlingerte durch die See. Es lag mit Kurs auf die Insel, und der Wind, der es vor sich hertrieb, würde es mit Sicherheit auf das Korallenriff werfen, wenn nicht noch ein Wunder geschah.

      Wie ein dunkelgraues Gespenst jagte es heran, taumelnd und rollend, ein hilfloser Spielball des erregten Meeres.

      Erst einmal hatten die Menschen von Bali ein derart großes Schiff gesehen, aber das war schon lange her, und die Fremden waren ganz dicht an der Insel vorbeigesegelt, ohne hier anzulegen.

      Aufregung bemächtigte sich der Leute, und der Brahmane fragte den Balian, ob sie den Fremden helfen sollten.

      „Nein“, entschied der Medizinmann. „Mit unseren Booten schaffen wir die Brandung nicht, ohne zu ertrinken. Außerdem sind die Fremden Dämonen, die Unheil über uns alle bringen werden.“

      „Können Dämonen denn in Not geraten?“ fragte ein junger Mann, der aufgeregt über das Wasser blickte, wo das fremde Schiff jetzt heranritt wie ein großer schwarzer Teufel.

      „Sie können“, beschied der Balian. Mißtrauen lag in seinen dunklen Augen und Furcht vor dem hölzernen großen Ungetüm, das sich immer weiter dem Riff näherte.

      Dann schwieg er und richtete den Blick wieder starr auf das fremde Schiff, das sich hilflos in den Wellen um seine eigene Achse drehte.

      Immer dichter trieb der Wind es auf die Nordküste zu. An Bord des Fremden waren nun auch vereinzelte Gestalten zu erkennen, hilflose Männer, die nicht mehr in der Lage waren, ihr Schiff zu steuern.

      Und sie sahen auch das Riff nicht, das jetzt vor ihnen aufwuchs, sich aber nur durch die langen Gischtfahnen und aufbrandende Wellen verriet.

      In dem wilden Auf und Ab hantierten sie an einem Boot, und sie hatten es auch schon auf halbe Höhe hochgezogen, doch da donnerte eine harte Welle gegen die Seite und warf das Schiff fast um.

      Das Boot sauste an Deck zurück, ein paar Männer verloren den Halt und wurden von wirbelnden Wassermassen begraben.

      Stumm standen die Insulaner da, ohne ein Wort auf den Lippen. Selbst der Balian blieb stumm und in sich gekehrt. Nur sein mißtrauischer Blick änderte sich nicht.

      Ebenso reglos sahen sie zu, wie die See einen Mann über Bord wusch. Mit weit ausgebreiteten Armen verschwand er in der See und tauchte auch nicht mehr auf. Das Meer verschlang ihn gierig.

      Der Medizinmann drehte sich um.

      „Die Wassergötter werden noch viele Opfer fordern“, sagte er. Dann schwieg er wieder.

      Es war ein grausames Schicksal, das die Fremden dort draußen vor dem Riff erlebten. Sie kämpften hart um ihr Leben, jetzt, da sie ganz dicht vor dem Riff waren.

      Das Schiff tanzte und hüpfte in wilden Sprüngen, wälzte sich hart durch das Wasser und richtete das Heck mitunter steil zum Himmel.

      Es war jetzt heller geworden. Über der Kimm ließ sich ganz zaghaft ein feiner Strahlenkranz sehen, der aber alle Augenblicke von Wolken verdunkelt wurde.

      Dann ging ein Aufschrei durch die reglos am Strand stehende Menge.

      „Das Riff!“

      Es ging alles ganz schnell. Eine große wild anrollende Woge hob das Schiff der Fremden hoch empor, schleuderte es mit gewaltigem Schwung gleichzeitig nach vorn und warf es mit unvorstellbarer Kraft auf das Korallenriff.

      Die Götter der See schlugen unbarmherzig zu. Sie kannten keine Gnade, kein Erbarmen und erst recht kein Mitleid. Sie zerstörten das, was ihnen nicht gefiel, und dieses Schiff gefiel ihnen nicht.

      Das Krachen war laut und schrecklich klar bis an den Strand zu hören, obwohl das Riff zwei Meilen entfernt war. Es war ein harter berstender und laut schmetternder Schlag, der mühelos das Rauschen des Windes und das Fauchen der See übertönte.

      Der einzige noch stehende Mast zersplitterte, als habe ihn eine Riesenfaust zerbrochen. Eine Rah flog wie ein Geschoß durch die Luft und wirbelte ins Wasser.

      Das Vorschiff brach ab, Planken stoben nach allen Seiten und zersplitterten, anschließend löste sich ein ganzer Teil der Seite und schwamm in der See.

      Doch damit hatte es noch kein Ende.

      Eine zweite Welle hob das Wrack an und warf es noch einmal mit aller Kraft auf die Korallenbank.


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