Seewölfe - Piraten der Weltmeere 127. Roy Palmer

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 127 - Roy Palmer


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Pfanne verrückt! Bill, du Würstchen, du halbe Portion von einem Moses, wann lernst du es endlich, dich deutlich auszudrükken, wie sich das für einen guten Ausguck gehört? Enter ab, damit ich dir deine Hammelbeine langziehen kann, du Kakerlak!“

      „Ich kann nicht …“

      „Was?“ brüllte Carberry. „Du wagst es, dich den Anordnungen deines Profos’ zu widersetzen? Oh, du Himmelhund, ich setze dich mit dem nackten Hintern ins Kombüsenfeuer, wenn du nicht sofort parierst!“

      Der Anflug eines Grinsens stahl sich in die Mienen der Männer auf der Kuhl. Ja, das war er wieder, der Profos, wie er leibte und lebte, ihr tausendmal verfluchter und doch so verehrter Ed Carberry mit der Stentorstimme, die Planken zittern und das Rigg schlottern ließ.

      Eine Auseinandersetzung bahnte sich an, ein Streit sozusagen zwischen dem Büffel und der Maus, und allein der Dialog von der Kuhl zum Großmars war eine willkommene Abwechslung in dem allzu eintönigen Schiffsalltag.

      „Sir“, stieß Bill verzweifelt aus. „Ich kann doch meinen Posten jetzt nicht verlassen!“

      „Gary Andrews“, röhrte Carberry, „’rauf in den Hauptmars mit dir, den Ausguck ablösen!“

      „Aye, aye“, sagte Gary – und konnte sich kaum ein Grinsen verkneifen.

      „Ed“, sagte Smoky, der Decksälteste, der sich bei Carberry schon mal ein Wörtchen erlauben konnte. „Ich halte es für einen Fehler, Bill zu maßregeln. Er will sich nur keine Pflichtverletzung und grobe Fahrlässigkeit zuschulden kommen lassen …“

      „Da!“ schrie Bill. „Sie rückt näher!“

      Carberrys Stirn hatte sich in düstere Falten gelegt, seine Miene verkündete Unheil.

      „Wer rückt näher?“ stieß er grollend hervor. „Die Wolke oder was?“

      Zu weiteren Fragen oder Erörterungen blieb keine Zeit, denn die schwache Brise hatte die Erscheinung geradezu unheimlich schnell herangetragen, und aus dem „Gebilde“ hatten sich längliche Teilchen hervorkristallisiert, schwarz, klein, in etwa an Reiskörner erinnernd.

      Ein Sirren erfüllte die Luft.

      Old O’Flynn hatte das Ruderhaus auf dem Quarterdeck verlassen. Er beugte sich übers Steuerbordschanzkleid, sah, was sich da näherte, prallte zurück und bekreuzigte sich.

      „Heiliger Strohsack“, stieß er aus. „Ich hab’s ja gesagt, wir kriegen noch Verdruß, das ist die Rache des Wassermanns – ich hab’s ja immer gesagt.“

      Pete Ballie hatte den Kopf gedreht und gewahrte in diesem Augenblick, wie das Phänomen dunkel und drohend hinter dem Heck der „Isabella“ aufstieg. Das Sirren verdichtete sich zu einem Zischen, und Pete kriegte gerade noch einen würgenden Laut heraus.

      Zweieinhalb Yards oberhalb des achteren Fensters des Ruderhauses war Big Old Shane an der Querbalustrade herumgefahren.

      „Ein Sandsturm“, sagte er im ersten Entsetzen.

      Ein Sandsturm – auf See?

      Eine Wasserhose wäre wahrscheinlicher gewesen, aber die alarmierte Besatzung der „Isabella“ erkannte trotz ihrer Betroffenheit, daß es sich um alles andere als das handelte. Die Erscheinung war „trokken“, schien in der Luft zu knistern wie Elmsfeuer bei gewittriger Atmosphäre an Toppen und Nocken eines Segelschiffes – und jetzt hatte sie die „Isabella“ fast ganz ereilt.

      Da war Leben in der Luft, quirlige, raschelnde, beängstigende Aktivität, und in einer reflexartigen Reaktion duckten sich die Männer, griffen Shane, Ferris Tucker, Pete Ballie, Carberry und einige andere zu den Waffen. Das Verhängnis tanzte über der See, ganz nah der Heckgalerie der Galeone, und es schien nichts zu geben, das das Schicksal von der „Isabella“ fernhielt, wie immer dies auch ausfallen mochte.

      „Hölle und Teufel!“ rief Ben Brighton. „Was, in aller Welt, ist das bloß, Hasard?“

      Der Seewolf erwiderte nichts. Er hatte sich an Deck gekauert und sich Shanes Bogen sowie den Köcher mit den Pfeilen genommen, die ganz in seiner Nähe vor dem Schanzkleid gelegen hatten. Ehe der graubärtige Riese oder sonst jemand an Bord zu einer ähnlichen Reaktion gelangen konnte, hatte Hasard mit Feuerstein und Feuerstahl Funken entfacht, die auf den ölgetränkten Lappen an der Spitze eines Pfeiles übersprangen.

      Eine Flamme züngelte auf. Hasard hob den Brandpfeil, legte ihn in den Bogen und spannte die Sehne. Er wußte selbst nicht genau, was er sich davon versprach, wenn der Gluthauch durch die unselige Erscheinung fuhr, aber er wollte es wenigstens versuchen, sie mit Feuer zu teilen.

      Dann geschah etwas Unerwartetes.

      Die Wolke zerfiel ohne das Zutun des Seewolfs. Unzählige schwirrende Körper stürzten knapp hinter dem Heck der Galeone der See entgegen, nur ein geringer Teil schwang sich in taumelndem Flug über das Schanzkleid des Achterdecks weg und torkelte quer über Deck.

      Hasard hielt den Pfeil immer noch an der gespannten Bogensehne fest. Er riß die Waffe hoch, und über seinem Kopf tauchte eins der Tiere in die Flamme.

      Sir John, der Aracanga, ließ sich von der Großrah fallen. Im Sturzflug erhaschte er mit geöffnetem Schnabel eins der Flattertiere, raste flach über die Quarterdecksplanken weg, zog wieder hoch und hielt in einer Schleife fliegend nach weiteren Opfern Ausschau.

      Arwenack, der Schimpanse, hockte neben dem fassungslosen Bill im Großmars und hielt sich mit beiden Vorderpfoten die Augen zu. Er stieß einen klagenden, fast heulenden Laut aus.

      Auf der Kuhl hatten die Männer nach Handspaken und Belegnägeln gegriffen und hieben damit nach den heranzischenden Kreaturen, ja, der Kutscher war sogar mit einem Schwabberdweil aus der Kombüse aufgetaucht und hieb wild um sich. Unglücklicherweise traf er bei einem kühnen Rechtsschwenker Matt Davies’ Gesicht. Matt kippte hintenüber, setzte sich auf die Planken und spuckte und fluchte, weil er den Schwabber zwischen die Zähne gekriegt hatte.

      Der einzige, der sich überhaupt nicht rührte, war Batuti. Der schwarze Herkules aus Gambia stand mit abgespreizten Beinen da, war bleich unter seiner dunklen Haut geworden und stammelte Unverständliches.

      Auf dem Achterdeck hatte Hasard voll Widerwillen gespürt, wie das angesengte Tier auf seinen Kopf gefallen und von dort aus auf seine Schulter gerutscht war. Hasard ließ den Brandpfeil von der Sehne schwingen, schleuderte den Bogen von sich und schnippte sich das Opfer seiner Aktion mit einer raschen Fingerbewegung von der Schulter.

      Er stand auf und lief zum Achterschanzkleid. Der Brandpfeil tauchte in die See.

      Ganz oben auf dem leicht erhöhten Teil des Achterdecks standen Shane, Ferris, Ben und der junge O’Flynn. Sie hatten sich weit über die Reling gelehnt und blickten in die Tiefe.

      Hasard hastete auf sie zu. Als sie beiseite rückten, konnte auch er in das Kielwasser der „Isabella“ sehen. Dort unten hatte sich der Schwarm, einem Teppich gleich, auf die sanften Wellen gelegt, und letzte zappelnde, zuckende Bewegungen der Tiere erstarben in diesem Moment. Das unheilvolle Phänomen blieb achteraus zurück.

      Hasard drehte sich um, lief über die Backbordniedergänge auf die Kuhl hinunter und hob hier eins der Tiere auf. Sir John war auf den Planken gelandet und schickte sich an, die Unglückswürmer einzeln aufzupicken, aber der Profos packte den Vogel am Hals, zog ihn zu sich hoch und steckte ihn sich mit einem Fluch unter das Wams.

      Ben Brighton war auch heran und musterte über Hasards Schulter das gelb und schwarz gemusterte Tier in den Fingern seines Kapitäns – zweifellos ein Insekt mit ausgeprägten Flügeln und Fühlern, einem gepanzerten Kopf und großen Augen.

      „Was ist das?“ fragte der Seewolf. Demonstrativ hielt er den kleinen Kadaver hoch.

      „Ganz einfach, ein Grashüpfer!“ rief Dan O’Flynn vom Niedergang. „Und deswegen haben wir soviel Wind gemacht.“

      Hasard schüttelte den Kopf. „Batuti, du müßtest es wissen.“

      „Zahn des Windes“, stieß der Mann aus


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