Seewölfe - Piraten der Weltmeere 27. Roy Palmer

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 27 - Roy Palmer


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ineinander. Holz splitterte – solides spanisches Edelkastanienholz! Die Männer schrien wie besessen durcheinander, jemand erhielt einen Splitter ins Bein und ging wimmernd in die Knie. Urbano wurde durch die Wucht des Aufpralls über die Handleiste der Balustrade weggehoben. Hart landete er auf der Kuhl.

      Der Offizier brüllte außer sich vor Wut. Doch als der Bug des anderen Schiffes sich noch ein Stück tiefer in den Leib ihrer Galeone schob und sie – anhob, verlor er die Balance und schlidderte quer über Deck auf das Steuerbordschanzkleid zu. Er ging über Bord und nahm dabei den schreienden und gestikulierenden Diego mit.

      Genau in diesem Moment löste sich die Galionsfigur der anderen Galeone aus den Resten des zertrümmerten Bugs und krachte aufs Achterdeck des anderen Schiffes. Sie hieb glatt durch und landete ein Deck tiefer in der Kapitänskammer.

      Urbano arbeitete sich zu ein paar Kameraden vor. Es gelang ihnen, ein Beiboot aus den Laschungen zu lösen und aufs Wasser abzufieren. Hierin lag die einzige Möglichkeit, noch das nackte Leben zu retten.

      Unterdessen nahm der Lärm auf der Reede zu. Die Wachtposten auf den anderen Schiffen hatten den Vorfall bestürzt beobachtet. Jetzt ließen auch sie Beiboote zu Wasser. Auf einer Galeone wurden das Vormarssegel und das Großmarssegel gesetzt. Sie schwang herum, um den beiden havarierten Schiffen zu helfen – viel zu spät. Die beiden Galeonen hatten sich bereits so weit mit Wasser gefüllt, daß ihr kläglicher Untergang nicht mehr verhindert werden konnte.

      2.

      Es war Nacht, aber Ben Brighton benötigte weder Licht noch Spektiv, um das Durcheinander verfolgen zu können, das sich da auf der Reede entwickelte. Mit bloßem Auge sah er, wie die ersten beiden Galeonen ineinander krachten, sich nicht mehr voneinander lösten und immer tiefer wegsackten. Er konnte ein schadenfrohes Grinsen nicht unterdrücken. Die Dons befanden sich mal wieder in hellstem Aufruhr. Da wurden die lästerlichsten Flüche ausgestoßen, sämtliche Teufel der Hölle herbeizitiert, daß sie die am Drama Schuldigen vernichten sollten, und Gott angerufen, er möge den Schiffbrüchigen beistehen. Da klatschten Beiboote zu Wasser, da stöhnten und jammerten Verwundete, da erloschen schwankende Laternen, während auf den noch unversehrten Schiffen immer mehr Lichter aufflammten.

      Inzwischen glitt die Pinasse zwischen den Galeonen dahin. Nicht einmal Ben Brighton konnte sie entdecken. Der erste Offizier und Bootsmann des Seewolfs erkannte aber bald, wie an Bord einer dritten Galeone mörderisches Geschrei losbrach und das Schiff in Bewegung geriet. Wieder grinste er. Ferris Tukker, Carberry und die anderen spukten wie die Kastenteufel auf der Reede umher und taten ihre Arbeit. Noch gab es keinen Grund, mit der „Isabella III.“ einzugreifen, und das sollte auf Hasards Anweisung hin auch nicht geschehen, solange es nicht unumgänglich wurde.

      Die „Isabella III.“ sollte ihr Gesicht als „Valparaiso“ wahren – als spanisches Schiff, das im Geheimauftrag des Gouverneurs von Chile den berüchtigten „El Draque“, Francis Drake, jagte. Nur so hatte die Seewolf-Crew sich frech und gottesfürchtig unter die Schiffe auf der Reede des Hafens von Panama stehlen können, nur so war es gelungen, die drei bereits versenkten Galeonen wie fette alten Enten auszunehmen. Was inzwischen in der Stadt geschehen war, wußte Ben Brighton nicht, doch es war klar, daß zumindest die Besatzungen der spanischen Galeonen nach wie vor fest davon überzeugt waren, in der ehemaligen „Valparaiso“ einen der ihren unter sich zu haben.

      Trotz allem hatte Ben natürlich gefechtsklar machen lassen. Die Männer kauerten auf der Kuhl hinter den schußbereiten Demi-Culverinen, auf Achterdeck und Back hinter den Drehbassen. Sie warteten nur darauf, den Dons mal wieder eins auf den Pelz zu brennen.

      Ben trat neben Pete Ballie, den Rudergänger. „Wenn Ferris, der Profos und die anderen mit der Pinasse in der Nähe sind, gehen wir ankerauf. Es muß so aussehen, als ob wir auch zu den Leidtragenden gehören.“

      „Aye, aye. Dan O’Flynn hockt im Vormars und wird die Pinasse rechtzeitig sehen. Bloß eins frage ich mich, Ben.“ Pete, der stämmige Mann mit den riesengroßen Fäusten, blickte Brighton an. „Was tun die acht, wenn sie von den Dons entdeckt werden?“

      „Das ist kein Problem. Karl von Hutten spricht hervorragend Spanisch. Er kann sich damit herausreden, daß sie Schiffbrüchige von den ersten beiden sinkenden Galeonen sind.“

      „Stimmt.“ Pete lachte leise. „Daran habe ich gar nicht gedacht.“

      Dan O’Flynn hockte hoch über ihnen im Vormars. Arwenack, der Schimpansenjunge, saß neben ihm auf der Segeltuchverkleidung. Jedesmal, wenn eine weitere spanische Galeone sich von ihrem Anker löste und sichtlich unkontrolliert in die Dunkelheit hinausdümpelte, klatschte er in die schwieligen Hände und gab gegrunzte Beifallslaute von sich. Dan hielt gespannt Ausschau und sichtete die Pinasse im entscheidenden Augenblick.

      Er gab ein Zeichen. Batuti, der wie eine Art größerer Bruder von Arwenack in den Luvhauptwanten hing, leitete ihn an Ben Brighton weiter. Ben ließ den Anker lichten, und fortan spielte Pete Ballie am Kolderstock verrückt. Die „Isabella III.“ krängte mal nach Backbord, mal nach Steuerbord über, und es wirkte tatsächlich so, als „treibe“ sie infolge eines dreisten Überfalles der Pinassenbesatzung von der Reede ab.

      Der Lärm auf der Reede nahm zu, denn Philip Hasard Killigrews Mannschaft beteiligte sich nun nach Kräften an dem Gebrüll – damit es so echt wie möglich wirkte. Ben Brighton ließ ellenlange Tiraden vom Stapel. Die anderen stimmten mit ein, so gut sie konnten. Einige deftige Ausdrücke wie „Maldido“ und „Mierda“ hatten sie immerhin schon gelernt. Dan O’Flynn kreischte im Vormars, als wolle man ihn abstechen. Arwenack quietschte vor Vergnügen. Batuti ließ sich auf Deck fallen und trampelte mit den nackten Füßen. Einige andere wie Blacky, Gary Andrews, Gordon Watts, Nils Larsen, Patrick O’Driscoll und Bob Grey schrien sich die Kehlen heiser. Der Kutscher beförderte einen prall gefüllten Sack mit Abfällen übers Schanzkleid. Als er ins Wasser plumpste, sah es wahrhaftig so aus, als sei jemand baden gegangen.

      Ben ließ die Vorstellung andauern. Das Theater mußte solange dauern, bis sie in der Dunkelheit außer Sicht gerieten. Ben brauchte Pete keine Anweisungen mehr zu geben. Dieser wußte ja, daß ihr Ziel die Insel Chepillo war. Sie lag etwa dreizehn Seemeilen in ostsüdöstlicher Richtung von Panama, jedoch nur eine knappe Seemeile von der Küste entfernt. An ihrer Ostseite sollte sich die „Isabella“ verstecken und dort auf die acht Männer mit der Pinasse sowie auf den Seewolf und dessen Begleiter Jean Ribault warten.

      Ben trat an die Heckgalerie und betrachtete das Durcheinander, für das Ferris, Carberry und die anderen aus der Pinasse gesorgt hatten. Die Verwirrung auf den Schiffen wurde noch dadurch gesteigert, daß sich die Kapitäne und die meisten Offiziere an Land befanden. Niemand wußte recht, was er tun sollte, kurzum, das Tohuwabohu war perfekt. Um Mitternacht hatte Tucker sechs der neun Schiffe auf die letzte Reise geschickt. Wrackstücke und Schiffbrüchige trieben auf der Reede, es herrschte ein heilloser Zustand.

      Ben Brighton entging nicht, daß einige Schiffbrüchige plötzlich und auf Nimmerwiedersehen verschwanden. Etwas zerrte sie in die Tiefe. Ben lief ein eisiger Schauer über den Rücken. Unwillkürlich schüttelte er sich und gab einen tiefen, unwilligen Laut von sich.

      Blacky, der ganz in seiner Nähe an der einen Drehbasse stand, sagte: „Haie. Ist doch ein Ding, wie die immer zur Stelle sind, wenn es irgendwo einen fetten Happen zu holen gibt.“

      Ben wollte etwas erwidern, wurde jedoch durch die Vorgänge am Hafen abgelenkt. Fackeln und andere Lichter wurden dort bewegt. Zweifellos trachtete man danach, Boote flottzukriegen und den Schiffbrüchigen zu Hilfe zu eilen. Ben Brighton wurde aber das Gefühl nicht los, daß es noch einen anderen Grund für die plötzlich entstandene Aufregung an der Mole gab, einen Grund, der unmittelbar mit Hasard und Jean Ribault zusammenhing.

      „Verdammt und zugenäht!“

      Hasard blickte entgeistert auf die Nebenpier, an der Jean Ribault und er ihr Boot vertäut hatten. Es war verschwunden. Irgend jemand hatte es sich unter den Nagel gerissen – wer, das war ganz egal, von Bedeutung war nur die Tatsache, daß die Lage nun wirklich prekär für sie wurde.

      „Der Fall ist klar“, sagte Jean Ribault. „Ferris und die anderen


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