Seewölfe - Piraten der Weltmeere 584. Fred McMason
sie die Sänfte aufgetrieben hatten, war den Arwenacks allerdings schleierhaft, aber sie hatten eine, mit Baldachin, mit Plüsch ausgeschlagen und silbernen und goldenen Bommeln und Troddeln an der Seite. Sehr eindrucksvoll sah das aus.
Old Donegal selbst sah allerdings auch sehr eindrucksvoll aus. Er betrachtete die Sänfte etwas geringschätzig, als sei sie für ihn zu schäbig, ließ sich aber schließlich zu einem gnädigen Kopfnicken herab und betrat etwas steifbeinig die Pier, wo die Soldaten sofort respektvoll vor ihm zurückwichen.
Hasard schluckte trocken, als Old O’Flynn in die Sänfte hineinkomplimentiert wurde.
Der Seewolf selbst mußte laufen, für ihn stand keine Sänfte bereit.
Aber schließlich war er auch nicht der Sohn des Herzogs von Alba.
„Das darf nicht wahr sein“, sagte der Profos Edwin Carberry ungläubig und leise. „Das darf wirklich nicht wahr sein. Jetzt wird das alte Zauselchen auch noch getragen. Lacht bloß nicht, ihr lausigen Kanalratten“, fügte er grimmig hinzu. „Das ist eine verdammt bierernste Angelegenheit.“
Der Alte gönnte dem „Pöbel vorm Mast“ natürlich keinen einzigen Blick.
Er stieg auf einen Hocker, den zwei Kerle eifrig zurechtrückten, warf noch einen Blick zum Achterkastell der Kriegsgaleone und nahm dann mit einem leisen Seufzen in den Pfühlen der Sänfte Platz.
Hasard, mit einem Gesicht wie aus Stein gehauen, ging neben der Sänfte her. Idiotisch ist das, dachte er immer wieder, einfach verrückt. Das gibt es doch gar nicht in Wirklichkeit.
Die Sanfte wurde von vier Männern vorsichtig angehoben. Die vier Kerle marschierten ab zur Stelling der „El Lucifero“, wo überall Posten und Wachen standen.
Der Seewolf wurde ziemlich von oben herab und nachlässig behandelt. Bei Old O’Flynn dagegen war das anders. Er genoß schon jetzt gewisse Privilegien, obwohl kein Mensch wußte, wer er überhaupt war.
An der Stelling grüßten sie, aber wiederum nur den Alten, der das mit grantigem Gesicht oder meist gar nicht zur Kenntnis nahm. Er schien die Leute überhaupt nicht zu sehen, die ihn umstanden.
Die Kerle mühten sich mit der sperrigen Sänfte redlich ab, konnten aber nicht verhindern, daß sie hin und wieder in der Enge leicht aneckten. Jedesmal war dann ein unwilliges Grunzen aus der Sänfte zu vernehmen.
Hasard ging mit steinernem Gesicht weiter. Immer wenn er in die Sänfte blickte, sah er den vorgereckten Hals Old Donegals mit der weißen Halskrause. Der Alte schien alles schlechtgelaunt zu mustern, und er scheute sich auch keinesfalls, die Sänftenträger anzupfeifen, wenn sie mal stehenblieben oder irgendwo aneckten.
Sein Spanisch ist jedenfalls perfekt, dachte Hasard. Aber was bezweckte Old Donegal nur mit seinem merkwürdigen Aufzug?
Die Sänfte wurde im Achterdeck vor einem verzierten Schott abgesetzt.
„Bitte, geduldigen Sie sich einen Augenblick“, sagte der schnaufende Teniente. „Der Generalkapitän wird Sie sofort empfangen.“
„Was heißt hier, sofort empfangen?“ wetterte Old O’Flynn erbost. „Ich bin nicht gewohnt, daß mich ein Generalkapitän warten läßt. Schließlich will er mich sehen, nicht umgekehrt. Er weiß wohl immer noch nicht, wen er vor sich hat!“
Es wurde dezent geklopft, dann öffnete Don Miguel de Salamanca persönlich das Schott. Mit einer einladenden Handbewegung wies er in eine luxuriös eingerichtete riesige Kammer mit getäfelten Wänden und dicken Teppichen auf dem Boden.
Zwei Wachen blieben am Schott zurück. Der Teniente, wohl eine Vertrauensperson des Generalkapitäns, nahm innen am Schott Aufstellung und stand verlegen herum.
„Hinaus, hinaus!“ sagte Old O’Flynn hitzig. „Ich liebe es nicht, wenn einfache Stallburschen die Gespräche Adliger mit anhören. Also, verschwinden Sie gefälligst.“
Sehr beeindruckt zog sich der Teniente mit einer leichten Verbeugung zurück. Er war hochrot im Gesicht und seine Narbe schien zu glühen.
Don Miguel de Salamanca nahm hinter einem riesigen Tisch Platz, der mit Intarsien reich versehen war.
Er saß noch nicht richtig, als ihn Old O’Flynn schon respektlos anfuhr: „Wollen Sie einen de Toledo etwa der Lächerlichkeit preisgeben, indem Sie ihm einen angemessenen Sitzplatz verweigern, Señor Generalkapitän, oder wer auch immer Sie sein mögen?“
Don Miguel war verblüfft, ein wenig beschämt und auch etwas indigniert, als er sich wieder erhob.
„Einen de Toledo?“ fragte er leise.
„Wen denn sonst?“ schnappte der Alte grantig. „Oder ist Ihnen etwa Don Fernando Alvarez de Toledo kein Begriff?“
„Der – der Herzog von Alba?“ fragte Don Miguel fassungslos. „Aber Don Alonso Alvarez starb doch vor …“
„Mein Vater starb von sechzehn Jahren im Dezember in Lissabon. Gott habe ihn selig.“ Old Donegal bekreuzigte sich und blickte ernst drein.
„Dann – dann sind Sie – äh …“
Der Generalkapitän starrte Old O’Flynn mit offenem Mund an. Er wagte kaum noch, Luft zu holen.
„Natürlich. Mein seliger Vater hieß auch nicht Alonso Alvarez, sondern Fernando Alvarez, wenn Sie das gütigst zur Kenntnis nehmen wollen. Und nehmen Sie auch bitte weiterhin zur Kenntnis, daß ich mich innerhalb weniger Tage in Madrid einzufinden habe. Wo das ist, werden Sie sich vermutlich denken können.“
Old Donegal trat so selbstsicher und eindrucksvoll auf, daß Don Miguel an den Angaben nicht die geringsten Zweifel hegte. Er verneigte sich tief vor dem Alten.
Daß ihn Old Donegal auf den Arm nahm, wäre ihm nie eingefallen. Dazu sah Old Donegal viel zu distinguiert aus.
„Am – am Hof Seiner Allerkatholischsten Majestät?“ erkundigte er sich ehrfürchtig.
„Ja, und zwar reise ich in einer geheimen Mission, über die nichts verlautbar werden darf.“
Inzwischen saß sowohl Old O’Flynn als auch Hasard. Doch dem Seewolf schenkte der Generalkapitän nur einen flüchtigen Blick. Die Hauptrolle spielte Old Donegal Daniel O’Flynn. Und er spielte sie wirklich hervorragend.
„Dann tut es mir aufrichtig leid, daß wir Sie aufgebracht haben“, sagte Don Miguel entschuldigend. „Es befand sich allerdings ein Staatsfeind an Bord des Schiffes und …“
„Das verstehe ich ja“, sagte Old Donegal ungeduldig. Er zupfte ein wenig an seiner weißen Halskrause herum und sah Don Miguel durchdringend an. „Ich muß meinem Erstaunen aber bedauerlicherweise lebhaft Ausdruck geben“, sagte er gallig. „Pflegen Sie Ihren hochgestellten Gästen nie einen Schluck anzubieten, Don – äh – Don …“
„Miguel de Salamanca“, sagte der Spanier hastig. Er lief jetzt noch roter an als der Teniente. „Verzeihen Sie bitte, aber ich hatte nur selten eine derart höhergestellte Persönlichkeit an Bord meines Flaggschiffes. Es hat mich etwas überrascht. Ich werde das Versäumte natürlich gleich nachholen.“
„Gut, gut, mein Bester, ich hörte, Sie wollten mich sprechen. Würden Sie mir den Grund mitteilen?“
Der Generalkapitän wand sich. Die Frage war ihm offenbar ziemlich peinlich.
„Mein Erster Offizier, Don Pedro, wies mich auf Sie hin. Er war der Meinung, Sie seien ein Schwager Medina-Sidonias. Ich kenne ein paar Edle dieser Linie persönlich, und da dachte ich …“
„Verstehe“, sagte Donegal lächelnd. „Sozusagen ein kleiner Plausch unter Freunden, nicht wahr?“
„So ist es, Don Alonso. Ich darf Sie doch so anreden?“
„Aber selbstverständlich.“
Eine Ordonnanz war inzwischen erschienen und hatte funkelnde Gläser gebracht. Auf einem silbernen Tablett stand eine Flasche erlesener Wein, die Don Miguel persönlich in die Hand nahm.