Seewölfe - Piraten der Weltmeere 259. Roy Palmer

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 259 - Roy Palmer


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Dabei haben Dan und Batuti das Rote Meer selbst gesehen, es war keine Gaukelei, oder?“

      „Nein, war es nicht“, bestätigte Dan.

      Hasard drehte sich zu seinen Männern um. „Eben. Und damit haben wir die Bestätigung, daß die Sache mit dem Kanal der Pharaonen kein Schmus ist und Ashmun uns keinen Bären aufgebunden hat. Ich finde, wir können uns auf seine Angaben ruhig verlassen. Überhaupt, er ist so ziemlich der einzige, der sich hier uns gegenüber loyal verhalten hat.“

      „Kabil hat uns auch geholfen“, sagte der Alte.

      Hasard fixierte ihn. „Das steht doch auf einem ganz anderen Blatt. Außerdem ist der Shilh jetzt fort und kann nichts mehr für uns tun. Auf wen sollen wir uns denn wohl sonst stützen, wenn nicht auf Ashmun?“

      „Das weiß ich auch nicht“, entgegnete Old O’Flynn. „Vielleicht wäre es das beste, ganz von hier zu verschwinden und so schnell wie möglich ins Mittelmeer zurückzukehren.“

      „Das könnte dir so passen“, sagte Ferris Tucker ziemlich aufgebracht. „Stell dir mal vor, was für eine Chance uns entgeht, wenn wir den Kanal einfach vergessen und statt dessen dahin segeln, woher wir gekommen sind. Mann, ein Korsar ist doch auch ein Entdecker! Die Lissy wird uns fürstlich belohnen, wenn wir diesen neuen Weg nach Indien für sie finden.“

      „Finden“, sagte der Alte ärgerlich. „Und was ist, wenn wir uns dabei vertüdern?“

      „Das Risiko nehmen wir auf uns“, antwortete der Seewolf und schickte seinem rothaarigen Schiffszimmermann, der gerade so richtig aufbrausen und vom Leder ziehen wollte, einen zurechtweisenden Blick zu. „Wir haben doch nun oft genug darüber gesprochen, Donegal.“

      „Ja, so oft, daß es mir schon zum Hals raushängt.“

      „Donegal“, sagte der Seewolf kühl. „Ich habe es schon mal zu Beginn unserer Reise gesagt: Wer allzu viele Bedenken hat, der kann hier auch an Land gehen und eventuell darauf warten, daß wir zurückkommen.“

      „So?“ Der Alte verzog seinen Mund. „Schon gut, ich hab’s verstanden. Wer nicht abmustern will, der hält am besten das Maul. In Ordnung. Aber du wirst noch an meine Worte denken, verlaß dich drauf.“

      Dies sollte tatsächlich der Fall sein.

      Aber Hasard war von der Idee beseelt, den Kanal der Pharaonen zu erkunden, und so schlug er alle Warnungen in den Wind.

      Die Stimmung an Bord der „Isabella“ indes war nicht gerade rosig, trotz der geglückten Rückkehr von Dan und Batuti.

      Nach der anfänglichen Freude blieb eine Spur von Unbehagen, die auf den Gemütern der Männer lastete. Nach und nach erschienen sie alle auf Deck und blickten zum Hafen, hielten nach Othman Mustafa Ashmun Ausschau und fragten sich, wo er blieb.

      Spielte er etwa doch falsch? Führte er etwas gegen sie im Schilde? Die Muselmanen waren unberechenbar, das hatte sich oft genug gezeigt.

      Am Abend hatte Ashmun wortreich zu verstehen gegeben, daß er es bedauert hätte, nicht schon eher erschienen zu sein. Bei einem unglücklichen Sturz hätte er sich den rechten Arm gebrochen, und wegen dieser unangenehmen Geschichte wäre er eben leider aufgehalten worden.

      Tatsächlich war sein rechter Arm samt Hand dick verbunden und geschient.

      Heute früh aber, so hatte er versichert, könne die Reise nun weitergehen, er würde als Lotse fungieren, und im übrigen sei der Nil auch leicht angestiegen, die Zeit zum Vordringen in den Kanal der Pharaonen sei also richtig.

      „Was soll mit den Schätzen geschehen?“ fragte Ben Brighton. „Wir hätten sie besser bei Dunkelheit ausgeladen, wenn wir sie hier zurücklassen sollen.“ Er wies auf das Menschengewimmel an Land. „Glaubst du wirklich, die lassen uns ungestört arbeiten? Das gibt einen Riesenauflauf, und im Nu haben wir jede Menge Türken am Hals.“

      „Ashmun hat gesagt, dies alles würde sich heute morgen klären“, erwiderte Hasard. „Vielleicht plant er etwas Sinnvolleres, als die Ladung hier zu löschen.“

      „Und du willst sie wirklich den Ägyptern überlassen?“

      „Ja, sie steht ihnen rechtmäßig zu.“

      „Alles, was wir uns mühsam erkämpft haben?“ fragte Old O’Flynn.

      „Natürlich nicht alles“, erwiderte der Seewolf und gab sich Mühe, ruhig zu bleiben. „Wir behalten schon unseren Anteil, keine Angst. Für wie verrückt haltet ihr mich eigentlich?“

      Ben und Old O’Flynn hätten sich am liebsten beide auf die Zunge gebissen. Ben deshalb, weil er ursprünglich viel weniger Skepsis hatte ausdrücken wollen, Old O’Flynn darum, weil er seinen Mund doch wieder nicht halten konnte. Sie zogen es vor, vorläufig zu schweigen. Alles andere hatte ja doch keinen Sinn.

      „Ein elendes Nest“, brummte auf dem Hauptdeck Edwin Carberry, der Profos der „Isabella“. Wie auch am Vortag blickte er verdrossen auf das Leben im Hafen und schüttelte mißbilligend den Kopf.

      Der Mensch mochte seine Vorurteile haben, wie der Kutscher sagte, doch es gab nun mal eine Menge Dinge, die sich mit Carberrys Vorstellungen nicht vereinbaren ließen. Da mochte der Kutscher, Koch und Feldscher der Seewölfe, ruhig dastehen und erhaben lächeln, er, der Profos, dachte nun mal so und nicht anders.

      Kairo, die größte Stadt Afrikas, El Qâhira, die Siegreiche – das war ein einziges unüberschaubares Chaos: aufdringliche Händler auf den Basaren, Dattel- und Fladenbrotverkäufer, Männer mit Messinggefäßen, die Tamarindensaft und Scharbat feilboten, Blinde und Lahme, Kamele und Esel. Hammel wurden auf offener Straße geschlachtet, überall schwirrten Fliegen, Turban-männer, Kaftan- und Dish-dash-Träger rannten durcheinander, überall war nervenaufreibende Musik, und hinzu kam das Keifen der Muezzins. Kurz, es war ein gewaltiges Durcheinander, und man mußte aufpassen, daß man nicht eine dicke Frau anrempelte oder über Kinder, Katzen und Hunde in den engen Gassen stolperte. Das alles hatten sie, die Männer der „Isabella“, nun schon erlebt, und nichts zog einen Edwin Carberry zurück an Land.

      Von Bord aus konnte man, wenn man den Blick etwas hob, die Festung der Türken sehen, die etwas erhöht lag und das Stadt- und Hafenbild beherrschte. Deutlich erkennen konnte man auch die Mündungen der Kanonen auf dem Söller, man brauchte dazu kein Spektiv.

      Mann, dachte der Profos, wenn wir hier man erst wieder weg sind.

      Er drehte sich zu den anderen um, zu Blacky, Smoky, Gary Andrews, Batuti, Matt Davies und Bob Grey, zum Kutscher, Bill und den Zwillingen, die tatenlos herumstanden und ihre Blicke mal hierhin, mal dorthin sandten.

      Sie alle konnten die fieberhafte Erwartung nicht leugnen, die sie erfaßt hatte, aber auch nicht die gemischten Gefühle, mit denen sie der nahen Zukunft begegneten.

      Die Spannung wuchs.

      Der Kutscher hatte gerade seinen Feldscherkoffer aus der Kombüse geholt und legte jetzt Matt Davies einen neuen Verband an. Matt war bei Kuft in dem Horustempel durch einen Messerstich an der linken Schulter verletzt worden, als sie den Tempel besichtigt hatten und wegen eines Mißgeschicks mit dessen Wächtern aneinandergeraten waren. Inzwischen war die Wunde aber fast wieder verheilt.

      Die ersten Händler hatten sich jetzt auf der Pier eingefunden und näherten sich der „Isabella VIII.“, doch sie wurden barsch von Carberry abgewiesen, ehe sie sich erdreisteten, an Bord zu klettern.

      „Beim Henker“, sagte der Profos in der üblichen Lautstärke. „Wir können hier jetzt keine Neugierigen brauchen.“

      Blacky war neben ihn getreten und sagte freundlich: „Vielleicht solltest du den Kerlen auch gleich mitteilen, daß wir die ägyptischen Schätze entladen wollen, Ed. Könnte ja sein, daß einer von ihnen Englisch versteht.“

      Carberry fuhr zu ihm herum. „Das wäre schon ein verdammter Zufall, weißt du das, Blacky?“

      „Ein Zufall, mit dem man immer rechnen muß – und dann wüßten die Burschen gleich Bescheid. Ob sie wohl Verbindung zu den Nil-Räubern


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