Seewölfe - Piraten der Weltmeere 259. Roy Palmer
klar?“
„Aye, Sir“, sagte Blacky und zog sich mit dünnem Grinsen zurück.
Narrenbande, dachte Carberry, euch soll doch alle der Wassermann holen. Und wenn ihr glaubt, daß ihr mich irgendwie verschaukeln könnt, dann ziehe ich euch die Haut in Streifen von euren verfluchten …
Er unterbrach den Fluß seiner Überlegungen, denn sein Blick fiel jetzt wieder auf die Hafenanlagen, dorthin, wo immer noch das Dromedar angebunden war, das Dan O’Flynn und Batuti hergebracht hatte.
„Kutscher“, sagte Carberry. „Komm mal her.“
„Sofort.“ Der Kutscher hatte seinen Koffer wieder verschlossen und gab den Zwillingen durch eine Gebärde zu verstehen, sie sollten ihn zurück in die Kombüse tragen. Während sie sich entfernten und hinter dem Schott verschwanden, schritt er zum Profos und sah diesen fragend an.
„Das blöde Kamel“, sagte Carberry. „Es steht da drüben und glotzt zu uns rüber.“
„Das arme Tier.“ Der Kutscher hob leicht verwundert die Augenbrauen. „Was soll es denn sonst tun?“
„Gar nichts. Ich meine bloß, wir können damit doch jetzt nichts mehr anfangen, oder? Schlachten lohnt sich nicht, das Fleisch ist bestimmt zäh wie Sohlenleder und ungenießbar.“
„Bestimmt.“
Carberry sah zum Achterdeck hinauf. „Sir, können wir das Kamel nicht an die Araber versilbern?“
Der Seewolf drehte sich überrascht um.
„Warum nicht?“ sagte er. „Versuchen könnt ihr’s von mir aus.“
Carberry grinste. „Na, dann mal los. Kutscher, du hast ja schon Erfahrung, was das Feilschen mit diesen Fellachen und dattelkauenden Eseltreibern betrifft. Eingekauft hast du ja nicht schlecht, was?“
Der Kutscher, der schon ahnte, was jetzt auf ihn zukam, hob die Schultern und ließ sie wieder sinken. „Ach Gott, es geht so.“
„Richtig, richtig, du bist der Mann, der das kann. Geh runter zu den armen Teufeln, und biete ihnen das Kamel an, dann haben sie wenigstens was zu tun. Sieh mal zu, daß du noch ein ordentliches Stück Geld rausschlägst. Wäre ja nicht schlecht, oder? Also ab mit dir, und nimm von mir aus die Zwillinge als Dolmetscher mit.“
„Ist das ein Befehl?“
„Natürlich“, sagte der Profos so laut, daß Sir John, der karmesinrote Aracanga, fluchend von seiner Schulter abhob und zur Großrah emporflatterte. „Wird’s bald?“
Der Kutscher rief die Zwillinge, ging mit ihnen für kurze Zeit von Bord, und alsbald war das Dromedar tatsächlich an einen hageren Mann mit bräunlichen Zähnen, der eine gelbe Djelaba trug, verkauft.
2.
Ali Abdel Rasul erschien nur kurze Zeit später freudestrahlend in seiner braunen Uniform eines türkischen Hafenbeamten, den rechten Arm trug er in der Binde. Bislang hatte er Philip Hasard Killigrew und dessen Männer täuschen können, aber mittlerweile war er nicht mehr so sicher, ob sie nicht etwa Lunte gerochen hatten und seine Rolle des Othman Mustafa Ashmun als Täuschung durchschauten.
Bei der wilden Keilerei in der Kaschemme von Kuft hatte ihn ein Messerwurf versehentlich an der rechten Hand erwischt – dieses Merkmal war unverkennbar. Dort hatte er den Kneipenwirt gespielt, denn er war ein Meister der Verkleidung und der Verstellung. Daß er durch einen unerwarteten Degenstreich Hasards, der einen dieser verrückten Fanatiker abwehrte, eines Teils seines falschen Bartes beraubt worden war, hätte er durchaus noch verkraften können, nicht aber dies.
Dennoch gab Ali sich alle erdenkliche Mühe, seine Selbstsicherheit zu wahren und die Person des Othman Mustafa Ashmun so überzeugend darzustellen wie ehedem. Bei allen Bedenken, die er hegte, wußte er nämlich nicht, ob der Seewolf die ganze Angelegenheit mit der Hand im Eifer des Gefechtes so richtig mitgekriegt hatte.
Eine Woche war seither fast vergangen, aber die tiefe Schnittwunde war noch nicht verheilt, und so fragte er sich immer wieder, ob dem scharfäugigen Mann die Verletzung aufgefallen war und ob er logische Rückschlüsse daraus ziehen würde.
Dann war natürlich der ganze Plan zum Teufel, den er, Ali Abdel Rasul, sich zurechtgelegt hatte – und das jetzt, nachdem die „Isabella“ endlich schwer beladen mit Gold und anderen Schätzen im Hafen von Kairo lag.
Schnell hatte Rasul handeln müssen. So hatte er sich wieder glattrasiert und sah genauso aus, wie die Männer der Galeone ihn als Ashmun kennengelernt hatten. Seinen Arm hatte er kurzentschlossen so verbinden lassen, als sei er gebrochen. Eine andere Möglichkeit hatte er nicht gesehen.
So begab er sich an Bord der „Isabella“ und gleich aufs Achterdeck, wo er von Hasard, Shane, Ferris Tukker und den O’Flynns sowie von Ben Brighton begrüßt wurde.
„Effendi“, sagte Ali Abdel Rasul, „sei mir gegrüßt, Herr.“ Er verbeugte sich mehrfach und überhäufte sowohl Hasard als auch dessen Achterdecksleute mit seinen Floskeln.
Dem alten O’Flynn war dieses unterwürfige Gehabe zuwider, er verließ das Achterdeck und stieg zu Carberry, zum Kutscher und zu den Zwillingen hinunter, die gerade beieinanderstanden.
„Versteht ihr, was der sagt?“ fragte er Hasards Söhne.
„Jedes Wort“, antwortete Philip junior.
„Ist er denn ein echter Türke?“
„Offenbar ja“, entgegnete Hasard junior. „Die Sprache beherrscht er jedenfalls perfekt.“
„Ich trau ihm aber trotzdem nicht“, murmelte der Alte. „Hölle, ich trau ihm nicht.“
Hasard betrachtete unterdessen immer wieder die rechte Hand und den Arm des vermeintlichen Hafenbeamten. Er ließ sich dabei nichts anmerken, doch auch seine Gedanken wanderten zurück zu dem Zwischenfall in der sarazenischen Kneipe. Natürlich entsann er sich dieser Szene noch ganz genau, wie der bucklige Wirt plötzlich eine blutende Hand gehabt und die zuvor die weggeklappte Barthälfte an die Wange gedrückt hatte.
Die rechte Hand!
Merkwürdige Zufälle, dachte er, auch unser Freund Ashmun hier ist ausgerechnet an der rechten Hand verletzt.
Doch seine Bedenken schwanden im Verlauf des nun einsetzenden Gesprächs, denn Othman Mustafa Ashmun wußte in seinem einzigartigen Sprachgemisch aus Spanisch und Englisch glaubwürdig die Ursache für seine Verletzung zu erklären – wie er gestrauchelt und gestürzt war, wie er dabei versucht hatte, sich abzurollen, dies aber kläglich mißlungen war. Auf höchst unglückliche Weise war ausgerechnet seine Rechte verletzt worden, ein furchtbarer Schmerz hatte ihn durchzuckt, und auch den Arm hatte es gleich in Mitleidenschaft gezogen.
„Wenn Sie wollen, Ashmun, kann ich Ihren Arm und die Hand von unserem Feldscher untersuchen lassen“, sagte Hasard.
„O nein, vielen Dank, auch wir Türken haben sehr gute Ärzte“, sagte der andere lächelnd. „Es ist alles gut verbunden und geschient worden, und der Schmerz hat heute morgen nachgelassen, während er mich heute nacht noch geplagt hat. Allah sei gepriesen, Allah ist groß.“
Hasard hörte nicht auf, Othman Mustafa Ashmun zu beobachten, während dieser sprach. Er haderte mit sich selbst, war immer noch etwas kritisch und wußte dabei doch nicht, warum er eigentlich so mißtrauisch war.
Schließlich war es jedoch die Persönlichkeit Ashmuns selbst, die ihn beruhigte, denn der Mann blieb so gelassen und sachlich, wie es ein Mann, der aus irgendeinem Grund ein schlechtes Gewissen hätte haben müssen, nicht hätte sein können.
Old Donegal Daniel O’Flynn und die Zwillinge verhielten sich jedoch weiterhin abweisend dem Hafenbeamten gegenüber. Hasard und die anderen Männer der „Isabella“ hingegen zeigten volles Vertrauen zu Ashmun, und so verlief der weitere Fortgang der Unterhaltung auf dem Achterdeck in einer Atmosphäre der Gelöstheit und Zuversicht.
„Allerdings