Seewölfe Paket 28. Roy Palmer

Seewölfe Paket 28 - Roy Palmer


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Mustafa den Seewolf.

      „Ich kenne nur den Namen des Anführers der Bande“, erwiderte Hasard. „Silvestro Moravia. Ein großer Mann mit Vollbart.“

      „Sein Name ist mir bekannt“, erklärte Mustafa. „Aber er hat immer vorgegeben, daß er in dem von ihm gepachteten Gewölbe nur seine eigenen Waren lagere, die er an Bord seines Schiffes mitgebracht habe. Das Schiff verkaufte er ein halbes Jahr nach seiner Ankunft in Masquat an einen Spanier, der seine Galeone in einem Sturm verloren hatte. Seitdem hat Moravia das Gewölbe. Hin und wieder verkauft er etwas von seinem Gut, um sich und seine Mannschaft zu ernähren.“

      „Ein schönes Märchen“, sagte der Seewolf. „Was Moravia unter der Hand betreibt, erfährt kein Mensch.“

      „Ich werde ihn mir kaufen!“ stieß Quabus bin Said empört aus. „Ihn und seine Schergen! Was fällt diesen Kerlen ein, unschuldige Männer auszurauben und zu mißhandeln? Was sind das für Machenschaften? Mustafa, warum ist im Palast nichts davon bekannt?“

      „Das ist mir ein Rätsel, Herr.“

      „Es scheint so manches zu geben, von dem ich nichts weiß“, sagte der Sultan. „Vielleicht habe ich mich blenden lassen, vielleicht hat man mir Sand in die Augen gestreut. Doch das wird sich ändern.“ Wütend hob er die rechte Faust. „Ich werde allen beweisen, daß ich noch lange kein alter, einfältiger Narr bin!“

      „Hoheit“, sagte Hasard mit beschwichtigender Stimme. „Ich habe dich nicht aufgesucht, um deinen Gram zu verstärken und deine Wut zu schüren. Ich halte es lediglich für meine Pflicht, dich über das aufzuklären, was im Hafen von Masquat geschieht. Sollte ich einen Fehler begannen haben, so bitte ich dich, alles zu vergessen, was ich dir erzählt habe.“

      Quabus bin Said sah Hasard forschend an.

      „Ich bin dir dankbar, Kapitän Killigrew“, sagte er. „Es ist gut, daß du mir die Augen geöffnet hast. Vielleicht gerade noch rechtzeitig genug. In Masquat scheint es mehr als einen Verräter zu geben. Ich werde Lamias Mörder auch bei den Portugiesen suchen.“

      „Natürlich will ich keinen falschen Verdacht äußern“, gab der Seewolf zu bedenken. „Der Mord hat mit dem, was im Hafen vor sich geht, sicherlich nichts zu tun.“

      „Ich will hoffen, daß es so ist“, erwiderte der Sultan. „Auf jeden Fall werde ich eine Untersuchung der Angelegenheit einleiten.“

      Hasard erhob sich. Seine Söhne folgten seinem Beispiel.

      Hasard sagte: „Wir möchten uns jetzt von dir verabschieden, Hoheit. Falls du es wünschst, halten wir uns zu deiner Verfügung.“

      „Ihr sollt meine Gäste sein“, sagte der Sultan. „Wir werden etwas essen und etwas trinken und uns noch weiter unterhalten. Ich möchte, daß wir Freunde werden, Kapitän Killigrew.“

      Der Seewolf wollte darauf antworten, aber plötzlich trat etwas völlig Unerwartetes ein. Und wieder ging das Grauen im Palast des Sultans um.

      4.

      Nabila, eine der jüngsten Frauen aus dem Harem des Quabus bin Said, frisierte sich in ihrem Gemach, als es geschah. Draußen, auf dem Flur, ertönte mit einemmal ein erstickter Laut – ein Wimmern, gefolgt von einem Stöhnen. Dann hörte Nabila einen dumpfen Fall.

      Sie eilte zur Tür und teilte den Vorhang aus Perlenschnüren mit ihren Händen. Sie sah die dunkel maskierte Gestalt, die sich gerade wieder aufrichtete, und auch den reglosen Körper des Haremswächters, der auf dem Flur Posten gestanden hatte. Mehrere Messerstiche hatten den Eunuchen gefällt. Der Mörder war wieder im Palast – und mit einem pantherhaften Satz warf er sich auf Nabila.

      Nabila war vor Schreck wie erstarrt. Sie schrie erst, als der Unheimliche sie zu Boden warf und mit dem Dolch auf sie einstieß. Ein Krummdolch – eine furchtbare Waffe! Nabila kreischte wie von Sinnen und schlug und trampelte um sich. Die Lähmung hatte sich gelöst. Die Todesangst verlieh ihr übermenschliche Kräfte.

      Obwohl sie schon getroffen war, gelang es ihr, den Mörder von sich zu stoßen. Sie sprang auf, taumelte auf den Flur und rannte schreiend davon. Jetzt tauchten von allen Seiten Frauen und Eunuchen auf. Sie erblickten die blutende Frau. Entsetzte Rufe und Flüche wurden laut. Die Eunuchen zückten ihre Waffen und rasten auf den Schauplatz des Geschehens zu. Einer strauchelte und fiel hin. Er spießte sich um ein Haar mit seinem eigenen Säbel auf. Ein zweiter stolperte über ihn.

      Die anderen schimpften und wetterten – und sahen voll Grauen, wie der Unheimliche aus dem Gemach hervorschoß und sich erneut auf Nabila warf.

      Nabila stürmte kreischend vorwärts. Der Mörder verfehlte sie um wenige Zoll, stach mit dem Messer auf sie ein und fiel der Länge nach hin. Blitzschnell war er wieder auf den Beinen. Er sah die Eunuchen, die auf ihn zuliefen, und ergriff die Flucht.

      Der Maskierte sprang über den toten Eunuchen hinweg und war mit einem langen Satz im Park. Wächter hasteten vom Hauptgebäude heran. Zwei blieben stehen und richteten ihre Musketen auf den Eindringling. Sie drückten ab. Die Schüsse krachten dumpf, Pulverdampf quoll von den Mündungen hoch. Aber der Vermummte schlug gedankenschnell einen Haken – die Kugeln flogen an ihm vorbei.

      Sultan Quabus bin Said und Mustafa waren aufgesprungen, als die ersten Schreie aus dem Harem ertönten. Hasard und die Zwillinge wirbelten herum und stürmten auf den Flur. Mit wenigen Schritten waren sie im Freien – und sahen den Unheimlichen, der vor seinen Verfolgern in ein Nebengebäude floh.

      Der Seewolf zückte seine Pistole und jagte hinter dem Maskierten her. Im selben Augenblick tauchte die verletzte Frau aus dem Harem auf, gestützt von zwei Eunuchen. Nabila schrie wieder auf und streckte anklagend und hilfesuchend zugleich die Hände aus.

      Hasard war vor den Wächtern an der Tür des Nebenbaus und stürmte ins Innere. Er mußte damit rechnen, daß der Mörder ihn angriff, aber dieses Risiko ging er ein. Der Seewolf ahnte, daß der Unheimliche einen geheimen Ausgang oder einen Zufluchtsort kannte, an dem ihn keiner mehr fassen würde. Also war Schnelligkeit Trumpf – und Hasard hatte es sich in den Kopf gesetzt, den heimtückischen Messerstecher zu stoppen.

      Der Eindringling trug eine Art Kutte und eine Kapuze über dem Kopf, so daß nicht zu erkennen war, ob es sich um einen Mann oder eine Frau, einen Araber oder einen Europäer handelte. Nur eins stand fest – der Mörder konnte geradezu unerhört schnell laufen.

      Bei dem Nebengebäude handelte es sich um eine Abstellkammer, die durch eine Tür mit den Stallungen verbunden war. Hasard hörte etwas poltern, konnte im Dunkel aber nichts Genaues vor sich erkennen.

      Er duckte sich und lief weiter, gelangte an die Verbindungstür und verharrte kurz. Dann schlich er zu den Stallboxen, in denen Rassepferde schnaubten und mit den Hufen scharrten. Sie schienen die Nähe des Unheimlichen zu spüren, die Gefahr, die von ihm ausging.

      Hasard hielt Ausschau nach dem Vermummten – er schien sich in Luft aufgelöst zu haben. Hinter dem Rücken des Seewolfs waren die Stimmen der Palastwächter zu vernehmen. Sie betraten soeben den Abstellraum. Jemand stolperte über einen Kübel oder einen Eimer und fluchte fürchterlich.

      Hasard pirschte weiter, an zwei Pferdeställen vorbei. Da geschah es: jäh schoß von links, aus der Deckung einer Boxwand, eine Gestalt auf ihn zu. Der Mörder! Er hatte ihm nun doch eine Falle gestellt. Wie besessen stach er mit seinem Krummdolch auf Hasard ein.

      Hasard ließ sich fallen, rollte sich zur Seite ab und entging einem heftigen Stich, der tödlich hätte enden können. Hasard trat mit dem linken Fuß und traf den Angreifer in der Bauchgegend. Der Kerl stöhnte und krümmte sich. Der Seewolf schnellte wieder auf die Beine und streckte seine Pistole vor.

      „Keine Bewegung!“ sagte er auf Spanisch.

      Aber der Unheimliche lachte nur dumpf. Er zog den Kopf ein und rannte davon. Hasard legte auf ihn an, ließ die Waffe aber wieder sinken. Er riskierte es, eins der Pferde zu treffen.

      Es gab nur noch eine Möglichkeit. Mit einem langen Satz warf


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