Seewölfe Paket 24. Roy Palmer

Seewölfe Paket 24 - Roy Palmer


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      Mary und Gotlinde, die Frau des Wikingers, enterten in die kleine Jolle ab und pullten näher zum Ufer, um Langusten zu fangen.

      Auch das entging Old O’Flynn. Selbstvergessen und total in sich versunken hockte er auf der Gräting. Dann endlich bewegte er sich, aber nur, um einen Finger nachdenklich an die Nase zu legen und weiterzugrübeln.

      „Er sitzt da wie ein nordischer Troll, der etwas ausheckt“, meinte Roger Lutz grinsend. „Jetzt hat er auch noch mehr Runzeln im Gesicht.“

      „Das sind keine Runzeln“, widersprach Don Juan lächelnd, „das ist nur eine ganz besonders detailreiche Gesichtshaut, wie er sie immer beim Nachdenken hat.“

      Als auch der zweite Anruf auf kein Echo traf, winkte Jean Ribault ab. Aber Martin Correa hatte verstanden und zeigte klar. Dabei grinste er über das ganze Gesicht.

      Jean Ribault nahm noch das Lot mit, um an der Krümmung der Bucht die Wassertiefe zu loten.

      Gleich darauf setzten sie Fock und Großsegel der Jolle und glitten über die Bucht.

      Renke Eggens und Oliver O’Brien standen an Deck ihrer Schiffe und blickten ihnen nach.

      Dicht unter Land segelten sie nordostwärts. Palmen säumten den langen Strand, die ihre kokosbehangenen Wipfel sanft im Wind wiegten. Hin und wieder war in großer Höhe ein Vogel zu sehen. Sonst sah alles wie unberührt aus, obwohl Mubaraks Schnapphähne hier lange Zeit gehaust hatten.

      Von einem der zerstörten Flöße fanden sich noch ein paar Trümmer, die die Wellen an den Strand geworfen hatten. Backbord voraus stob ein Schwarm rosafarbener Flamingos hoch und entschwand in den Lüften.

      „Herrlich“, sagte Ramsgate, der die Ruderpinne übernommen hatte und dicht unter Land ging. „Die Bucht da oben sieht sehr vertrauenerweckend aus.“

      Roger Lutz lotete ein paarmal Tiefe, aber es gab genügend Wasser unter dem Kiel selbst für größere Schiffe.

      Dann segelten sie in die Bucht hinein.

      „Tatsächlich so, wie ich das durch den Kieker gesehen habe“, sagte Jean Ribault. „Die Eight Miles Bay bildet hier oben eine Bucht, die von einer von Nordosten nach Südwesten verlaufenden Halbinsel gegen Sicht von See her abgeschirmt wird. Seht euch das nur an.“

      Sie merkten kaum, daß die Fock schlaff in sich zusammenfiel und die Jolle träge auf dem Wasser zu schaukeln begann. Sie saßen auf den Duchten und blickten nach Backbord hinüber.

      Der Strand war hier immer noch schneeweiß, breit und sauber. Dort, wo er aufhörte, wuchsen die Abakoskiefern. Ein kleiner Wald begann. Der Kiefernbestand ging allmählich wieder in Palmengruppen und Buschwerk über. Auf den Dünenkämmen wuchs haferähnliches Gras, das sich wellenförmig vor dem leise säuselnden Wind beugte und wie sanft fließendes Wasser wirkte.

      „Wir haben Nordostwind“, sagte Don Juan in die Stille hinein, „aber in der Bucht ist davon nichts zu spüren. Hier bläst wohl nur ganz selten der Wind hinein.“

      „Und wenn – dann bestenfalls aus Westen oder Südwesten“, sagte Ribault nachdenklich. „Von See aus kann man hier jedenfalls nicht gesehen werden, und wenn eine ganze Flotte vorbeisegelt. Wie steht es mit der Tiefe, Roger?“

      „Zwölf Faden fast konstant. Der Ankergrund ist reiner Sand.“

      „Dann pullen wir mal ein Stückchen näher heran. Auf der Ostseite scheint es ein ziemlich großes Korallenriff zu geben.“

      Wenn sie nach Steuerbord blickten, sahen sie die Schaumwirbel und Untiefen des Riffs. Immer wieder schäumte es dort auf, und kleine Wellen erschienen wie aus dem Nichts.

      Diese korallengespickte Bank der Insel zog sich bis zur südwestlichen Spitze der Halbinsel hin. Hier kam niemand durch, bestenfalls bei Flut eine Jolle. Das langgestreckte Korallenriff verhinderte auf natürliche Weise, daß Schiffe näher an das Land herangehen konnten. Es war eine unüberwindliche Barriere aus rasiermesserscharfen Dolchen und Sägezähnen.

      Sie pullten ein paar Schläge nordwärts und sahen sich um. Roger Lutz lotete erneut Tiefe. Diesmal waren es elf Faden mit immer noch sandigem Untergrund.

      An der Nordseite der Bucht war der Strand flach, während er auf der Südseite, gebildet durch die Halbinsel, etwas steiler war. Auch die Ostseite, die sich der See zukehrte, war steiler.

      Hier wehte nur noch ein kaum spürbares Lüftchen, das nicht einmal das Focksegel zum Killen brachte. Immer noch hing es faltig und fast unbeweglich am Mast.

      Die Männer sahen sich an und grinsten. Sekundenlang herrschte eine fast andächtige Stille. Jeder begutachtete das Plätzchen, das so verlockend schien.

      Hesekiel Ramsgate rieb sich die Hände. Sinnend sah er über das Wasser zum Strand.

      „Das wäre doch etwas für uns, meint ihr nicht auch?“ fragte er. „Die Bucht bietet Platz für alle Schiffe des Bundes, die Wassertiefe ist mehr als ausreichend, und als Ankergrund haben wir feinen Sand, den man sogar von der Jolle aus erkennen kann.“

      Hesekiel Ramsgate sprach damit genau das an, was Hasard schon geplant hatte: nämlich hier oben nach einem Stützpunkt zu suchen, einem Ersatz für die untergegangene Schlangen-Insel.

      „Ja, das wäre ein feiner und idealer Platz“, meinte Ribault nachdenklich, wobei er immer noch in die Runde blickte.

      „Hier ließe sich auch gut aufslippen“, sagte Old Ramsgate mit einem feinen Lächeln. „An den mächtigen Kiefern könnte man zum Beispiel schwere Taljen anschlagen. Das Schiff dann auf den Nordstrand zu ziehen und abzupallen ist ebenfalls kein Problem.“

      Don Juan und Roger Lutz waren von diesem „Plätzchen“ ebenfalls total begeistert. Roger Lutz stierte ins Wasser und zeigte immer wieder auf Langusten, die sich verzerrt durch das Wasser spiegelten.

      „Hier sitzen die Viecher massenweise“, sagte er, „da brauchen die Frauen erst gar nicht lange zu suchen. Man kann sie einfach mit Keschern vom Grund holen.“

      „Kehren wir um und erzählen es den anderen“, sagte Don Juan. „Ich denke, sie werden ebenso begeistert sein wie wir. Auch Hasard wird später angenehm überrascht von unserer Entdeckung sein.“

      „Dann laßt uns mal zum Wind pullen, damit wir die Neuigkeit verbreiten können“, sagte Ribault, der es jetzt plötzlich sehr eilig hatte.

      Sie pullten bis zu jener Stelle, wo der Nordostwind wieder einsetzte.

      Der Wind fuhr in die beiden Segel und blähte sie. Mit rascher Fahrt ging es zurück, bis sie wieder bei den anderen waren.

      Ribault und Don Juan berichteten dem interessiert lauschenden Renke Eggens und dem ebenfalls neugierig zuhörenden Oliver O’Brien von der Abgeschiedenheit und Ruhe der Bucht. Da läge man auch nicht wie hier auf dem Präsentierteller, sondern sei vor allen neugierigen Blicken absolut geschützt.

      „Dann sollten wir sofort in jene Bucht verholen“, schlug Renke Eggens vor.

      O’Brien, der kein Freund vieler Worte war, nickte ebenfalls.

      „Verholen wir“, sagte er, „es ist ja nicht weit.“

      Noch am Vormittag war alles erledigt. Innerhalb kurzer Zeit hatten alle Schiffe in die schützende Cherokee-Bucht verholt und gingen vor Anker.

      Die „Golden Hen“ ankerte dicht unter dem Nordufer, an jener Stelle, wo sie auf den flachen Strand gezogen werden sollte.

      Der Platz war gut zum Aufslippen, daran gab es nichts zu bemängeln. Er war geradezu ideal. Aber Jean Ribault war von der ganzen Angelegenheit trotzdem nicht sehr begeistert. Das alles würde einige Tage dauern.

      „Halb so schlimm“, sagte Hesekiel wieder, der Jean Ribaults unmutiges Gesicht sah. „Bis heute nachmittag sind wir mit den gröbsten Arbeiten fertig. Ich denke, daß wir morgen etwa um die gleiche Zeit das Schiff auf den Strand ziehen können.“

      „Dein Wort in Gottes Ohr“, brummte Jean. „Schließlich


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