Seewölfe Paket 24. Roy Palmer
Capitán.“
„Halten Sie den Mund und lassen Sie die Kerle weitermachen! In Dreier-Formation antreten, zack-zack!“
„Diese verdammte Sau!“ sagte einer der Hands etwas später voller Inbrunst. „Den könnte ich eigenhändig schlachten und vierteilen. Das ist wirklich der allerletzte Bastard.“
So dachten auch die anderen, die todmüde und erschöpft waren. Viele konnten kaum noch kriechen.
Um sechs Uhr, als längst die Sonne aufgegangen war, wurde das Exerzieren abgesetzt. Die Männer empfanden nicht einmal mehr Dankbarkeit.
„Der Hilfskoch soll mir das Frühstück bringen“, befahl de Zavallo, „und dann soll er auch die anderen Kerle versorgen. Sie übernehmen solange, Señor Torres. Später lasse ich Sie ablösen.“
Um halb sieben wurde an die Mannschaft das Essen ausgegeben. Der Hilfskoch schöpfte es mit einer Kelle eigenhändig in die Kummen.
„Euer Frühstück fällt heute nicht so opulent aus“, bemerkte er sarkastisch. „Da hat’s der Kommandant besser. Ihm mußte ich Käse, frisches Brot, Eier, Oliven und gesalzene Sardellen bringen. Zum Abschluß geruhte er, frisches Obst zu sich zu nehmen. Hoffentlich bleibt es ihm im Halse stecken.“
Rotgeränderte Augen stierten müde in die Kummen. Den Fraß, den es für die Männer vorm Mast gab, hatte man noch in St. Augustine gefaßt. Es war nut eine labbrige, klebrige und pappige Mehlsuppe.
„Was ist denn da drin?“ fragte der Besenbinder, der sich an der Back festhalten mußte, um nicht umzufallen.
Der Hilfskoch erklärte es ihm gemütlich.
„Das sind Mehlwürmer, die sich zusammengeklumpt haben, weil sie die Hitze nicht vertrugen. Fleischeinlage sozusagen. Schließ am besten die Augen, dann siehst du es nicht. Und bevor du den Schiffszwieback ißt, klopf ihn erst tüchtig an der Back aus.“
„Warum denn das?“ fragte der Besenbinder angewidert.
„Weil da Maden drin sind. Das sind so kleine Viecher mit schwarzen Köpfen. Sehen direkt lustig aus, aber sie schmecken nicht. Ich kann natürlich den Capitán fragen, ob ich euch auch frisches Brot, Oliven und Obst bringen soll. Ich fürchte nur, er wird …“
„Hau bloß ab, sonst trete ich dir in den Arsch!“ brüllte einer der Seesoldaten total verärgert.
„Sachte, sachte“, meinte der Koch, „ich will euch ja nur den Standesunterschied erklären. Die Seefahrt ist doch lustig, wie?“
„Sehr lustig“, höhnte ein anderer. „Was kriegen denn die fünf Mann in der Vorpiek zum Frühstück?“
„Nur ein wenig Wasser, vom Feinsten natürlich. Aber dafür können sie wenigstens pennen. Insofern haben sie es ganz gut, und fast könnte man sie beneiden.“
Haßerfüllt auf Capitán und spanischen König mampften sie ihren labbrigen Brei mit der „Fleischeinlage“. In Gedanken beschäftigte sich jeder damit, den „Bastard“ umzubringen.
„Wenigstens können wir jetzt ein bißchen ausruhen“, meinte der Silhouettenschneider, der noch nie in seinem kargen Leben so gezwiebelt worden war wie in der letzten Nacht.
Aber darin hatte er sich gründlich geirrt. Die Kummen waren noch nicht richtig leer, als der Schatten des Profos drohend am Schott auftauchte. In den Pranken hielt er die Neunschwänzige, aber sie sah schon jetzt total zerfranst und zerpliesert aus.
„Befehl vom Capitán!“ brüllte er die zusammenzuckenden Männer an. „Antreten zum Deckschrubben! Die Planken sehen wie der reinste Misthaufen aus. Weg mit der Sauerei! Das Frühstück ist beendet!“
Krumme Gestalten schlichen gebrochen an Deck. Das „Frühstück“ hing ihnen wie ein Klumpen im Magen, und als der Besenbinder an die Mehlwürmer dachte, da rannte er mit einem erstickten Schrei zum Schanzkleid und gab die Mehlwürmer wieder von sich. Vielleicht waren ja die Fische scharf drauf, die störten sich nicht an Würmern.
Die Kotzerei des Besenbinders löste bei einigen anderen ähnliche Revolten im Magen aus, und so hingen sie stöhnend und rülpsend, Gott und die Welt verfluchend, über dem Schanzkleid.
Danach begann das Deckschrubben, denn die Planken waren noch mit eingetrocknetem Blut besudelt. Der Profos hatte in den letzten Stunden zu hart zugeschlagen.
Als auch das vorbei war, begann der militärische Drill. De Zavallo ließ die Männer erbarmungslos weiterschleifen. Ganze Kerle sollten sie werden. Noch waren sie seiner Ansicht nach untaugliche Hampelmänner, die nicht einmal aufrecht gehen konnten. Aber das würde er schon ändern, man durfte nur nicht zimperlich sein, und das war er nun auch wirklich nicht.
3.
Am Abend vorher.
Jean Ribault starrte düster vor sich hin. Jede Stelle seines zerschundenen Körpers tat ihm weh. Die sadistischen Wärter hatten ihm die Peitsche auch über die Schulter geschlagen, mit voller Absicht natürlich, damit er beim Wasserschleppen jedesmal daran dachte.
Er hatte den verdammten O’Leary mit einem Handkantenschlag außer Gefecht gesetzt, weil der verlangte, Ribault habe ihm seine Suppe und den Kanten Brot auszuhändigen.
Danach war er zusammengepeitscht worden. Aber ein paar Eimer Wasser hatten ihn wieder in die Wirklichkeit zurückgeholt. Dann wurde er weiter geschunden, und ihm blieb nichts erspart. Auf ihn hatten sie es ganz besonders abgesehen, daher genoß er auch eine „Sonderbehandlung“.
Wasserträger war er. Don Lope trieb die Festungsarbeiten in aller Eile voran, denn St. Augustine sollte eine Inselfestung werden.
Ein breiter und tiefer Wehrgraben wurde ausgeschachtet. Das war eine Knochenarbeit, weil der Boden größtenteils sumpfig, matschig und morastig war.
Don Lope hatte Ribault dabei die schlimmste Arbeit zugewiesen – das Ausschöpfen von Schlammwasser in einem abgeschotteten Teilstück des langen Grabens.
Bis die Dreckbrühe ausgeschöpft war, konnten Wochen oder Monate vergehen. Das Wasser sickerte immer wieder nach. Ribault hatte dabei ständig das Gefühl, als versuche er mit einem Sieb, den Atlantik auszuschöpfen. Eine Sisyphusarbeit war das, ein nie ans Ziel führendes Ausschöpfen von Schlammwasser.
Er mußte zwei große Eimer schleppen, die an einem Schulterholz hingen. Das Wasser wurde dreihundert Yards weiter ostwärts zu einem Graben getragen und dort hineingekippt.
Die großen Eimer hatten Eichstriche, die von den Aufpassern immer wieder kontrolliert und nachgesehen wurden. Schwappte Wasser beim Tragen über, dann wurde das als Sabotage angesehen, und der Wasserträger kriegte die Peitsche der Wärter erbarmungslos zu spüren.
Hinzu kamen die Schikanen dieser unmenschlichen Zwangsarbeit, denn unter den Aufpassern gab es ein paar Kerle, die es darauf anlegten, die Wasserträger laufen zu lassen. Dabei schwappte natürlich Wasser über und die Eichmarke war frei. Damit begann der Kreislauf von neuem, und die Peitsche wurde eingesetzt.
Weiter drüben schufteten die anderen: Roger Lutz, Renke Eggens mit weiteren Deutschen, Hein Ropers, Hanno Harms und Karl von Hutten.
Fred Finley war zum Loreschieben eingesetzt worden und befand sich hin und wieder in unmittelbarer Nähe von Jean Ribault.
Zum Glück war Jan Ranse und Mel Ferrow noch rechtzeitig die Flucht von der „Goldenen Henne“ im Beiboot gelungen. Ribault setzte seine ganze Hoffnung auf die beiden Männer. Vielleicht stießen sie auf Thorfin Njal oder auf Hasard, und dann würde sich hier einiges grundlegend ändern.
Ribault war nicht der Mann, der sich selbst bemitleidete, aber er konnte sich an den fünf Fingern ausrechnen, wann sie ihn zur Zwangsarbeit tragen mußten. Ihm war völlig klar, daß diese seelenlosen Sklavenschinder es darauf anlegten, ihn fertigzumachen.
Einer der Kerle stieß ihm den Peitschenstiel hart in die Rippen und grinste hinterhältig. Sirona hieß der