Seewölfe Paket 29. Roy Palmer

Seewölfe Paket 29 - Roy Palmer


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Ihr wollt die Bauchtänzerin begaffen!“

      „Hast du doch auch getan“, sagte Philip kühl.

      „Stimmt genau“, sagte der Profos grinsend, „und beim Gaffen wurden deine Taschen immer leerer. Du hättest nicht mal gemerkt, wenn dir jemand dein Holzbein geklaut hätte.“

      „Lächerlich! Diese beiden Burschen wollen sich an Land herumtreiben und mit liederlichen Weibern amüsieren!“ fauchte Old Donegal. „Als ich in dem Alter war, habe ich um diese Zeit in der Bibel gelesen oder Flöte gespielt!“

      „Ach du lieber Gott“, sagte der Profos, „man hört’s, bei dir piept’s immer noch!“

      Old Donegal ging nicht darauf ein.

      „Ihr bleibt an Bord!“ fuhr er die beiden Junioren an. „Soweit kommt das noch, daß solche Hänflinge an Land schießen und den Weibern nachstellen! Das gab’s zu meiner Zeit nicht! Da herrschte noch Sitte und Anstand! Aber das hier ist ja das reinste Sodom und Kamarra!“

      „Gomorrha“, verbesserte Philip.

      „Wie?“

      „In der Bibel steht ‚Sodom und Gomorrha‘, Sir“, sagte Philip, „aber vielleicht fehlte die Seite in deiner Bibel, in der du gelesen hattest, als du noch in unserem Alter warst.“

      „Was hast du denn auf der Flöte gespielt, Sir?“ erkundigte sich Hasard junior interessiert. „Hirtenlieder oder Schlafliedchen oder was? Konntest du gut spielen?“

      „Vielleicht sollten wir Granddad von Land eine Flöte mitbringen, damit er uns mal was vorspielen kann“, schlug Philip vor. „Hirtenlieder höre ich sehr gern.“

      „Oder Liebeslieder“, sagte Hasard junior.

      „Ich werde euch was anderes flöten!“ wetterte Old Donegal, und er hatte rote Ohren.

      „Ich glaube, er kann gar nicht Flöte spielen“, sagte Philip.

      „Und in der Bibel hat er auch nicht gelesen, sonst wüßte er, daß es ‚Gomorrha‘ und nicht ‚Kamarra‘ heißt“, sagte Hasard.

      Jetzt war Old Donegals ganzes Gesicht dunkelrot, während Carberry bis zu den Ohrläppchen grinste, denn die beiden Enkelchen hatten das Großväterchen ziemlich schnell entlarvt, so mal eben im Handumdrehen. Und sie heizten ihm mächtig ein, dem alten Zauselchen.

      „Gut, wir bringen ihm eine Flöte mit“, sagte Philip, „da kann er Klein-Edwin-Shane, der unser Onkel ist, lustige Weisen vorflöten, wenn der am Plärren ist.“

      „Da plärrt unser Onkel noch lauter, Phil“, sagte Hasard, „was ich gleichfalls tun würde, wenn mir einer falsche Töne ins Ohr bläst.“

      „Hast du auch wieder recht, das können wir unserem Onkel nicht zumuten“, meinte Philip.

      „Unserer Großmutter Mary ebenfalls nicht“, erklärte Hasard, „sie würde hysterisch reagieren, schätze ich.“

      „Ihr bleibt an Bord!“ brüllte Old Donegal. „Unverschämte Lümmel!“ Er stampfte mit dem Holzbein auf.

      Carberry schaltete sich ein. „Jetzt hör mir mal zu, Mister O’Flynn: Hier an Bord hat der Kapitän das Sagen, und der Kapitän hat den beiden Junioren den Landgang genehmigt, da kannst du dich auf den Kopf stellen oder dein Holzbein auffressen – die beiden gehen an Land, basta!“

      „Unerhört! Was ist das für eine Erziehung!“ tobte Old Donegal. „Und wer trägt die Verantwortung?“

      „Die beiden selbst“, erwiderte der Profos, grinste und fügte hinzu: „Sie sind ja schließlich keine Wickelkinder mehr wie ihr Onkel.“

      „Hört endlich auf, dauernd diesen Onkel herauszukehren!“ erboste sich Old Donegal.

      „Ach ja? Wer ist denn für diese verrückten Familienverhältnisse verantwortlich?“ fragte der Profos. „Habe ich vielleicht Klein-Edwin-Shane auf Stapel gelegt? Kann ich was dafür, daß die Neffen älter als ihr Onkel sind?“ Der Profos schnaufte erbittert. „Aber du scheinst die Neffen dauernd mit ihrem Onkel zu verwechseln und sie für Windelpisser zu halten.“

      „Jedenfalls verbiete ich, daß sie an Land gehen.“

      „Das hast du Flötenspieler gerade zu bestimmen!“ höhnte der Profos.

      „Ich werde beim Kapitän Einspruch erheben“, verkündete Old Donegal und schwang drohend die Faust. „Hier geht es schließlich um Zucht und Ordnung, um Sitte und Moral!“

      „Einspruch abgelehnt“, ertönte hinter ihm eine Stimme.

      Er drehte sich um, und da stand Philip Hasard Killigrew. Er winkte seinen Söhnen zu und sagte: „Ihr könnt abziehen, Gentlemen.“

      Das ließen sich die beiden „Gentlemen“ nicht zweimal sagen – das Palaver hatte ja auch lange genug gedauert. Sie schoben ab und schlenderten am Kai entlang.

      „Es ist unerhört!“ sagte Old Donegal keuchend.

      Hasard nickte. „Da stimme ich dir zu. Es ist wirklich unerhört, wenn einer hier was von Sitte und Moral predigt, der sich beim Busenbegaffen einer Bauchtänzerin das Geld aus den Hosentaschen klauen läßt, was wohl klar beweist, wie hingerissen der Betreffende gestarrt haben muß. Im übrigen sind Hasard und Philip Killigrew vollwertige Mitglieder dieser Crew und haben die gleichen Rechte und Pflichten wie alle anderen auch. Zu ihren Rechten gehört folglich – jedenfalls nach meiner Logik – unter anderem der Landgang. Bei diesem Landgang steht es ihnen, völlig frei, was sie tun. Das ist ihre Privatsache. Daß sie sich mit liederlichen Weibern amüsieren oder ihnen nachstellen – wie laut genug zu hören war –, ist eine böswillige Unterstellung nach dem Motto: Was ich denk und tu, das trau ich auch dem anderen zu. Ferner hatten die beiden meine ausdrückliche Genehmigung zum Landgang. So ist denn zu fragen, ob du jetzt hier an Bord darüber befindest, wer an Land geht und wer nicht. Ich schätze, als Kapitän dieser Mannschaft habe ich wohl ein Recht, diese Frage zu stellen. Also, ich höre!“

      „Ich bin der Großvater“, trumpfte Old Donegal auf, „und habe als solcher die Pflicht, mich um die Erziehung meiner Enkel zu kümmern.“

      „Da bin ich dir sehr dankbar, Donegal“, sagte Hasard ein bißchen hintergründig, „nur sind diese beiden Knaben inzwischen siebzehn Jahre alt und stehen bereits ihren Mann – ob im Gefecht, im Sturm, oder was weiß ich wo. Über das, was sich zwischen Frau und Mann abspielt, sind sie aufgeklärt. Das Thema wird ja hier häufig sehr drastisch behandelt. Erfahrungen, mein lieber Donegal, haben sie gefälligst selbst zu sammeln. Ich stehe als Vater nicht an, sie bis ins Bett ihrer Geliebten zu begleiten und auch dort noch zu bevormunden!“

      Der Profos grinste unverhohlen. Old Donegal hingegen wirkte ziemlich verdattert.

      „Oder“, fuhr Hasard fort, „war dein Vater dabei, als du die Liebe kennenlerntest? Wie alt warst du da eigentlich?“

      „Ich – ich“, stotterte Old Donegal, „äh – das weiß ich nicht mehr!“

      „Dann sollten wir darauf einen trinken“, sagte Hasard grinsend und holte die Flasche aus der Jacke.

      Die Beule in der Jacke war dem Profos eh aufgefallen. Das war vielleicht ein Kapitän – Himmel-Arsch-und-Bauchgewackel …

      Fatima, die Blume von Istanbul, tanzte wieder.

      Der Platz war günstig gewählt, nämlich in unmittelbarer Nähe des Anlegers von Cibali auf der Westseite des Goldenen Horns, jener tiefen und langen Bucht, die Istanbul in zwei Hälften teilt.

      Vom Anleger Cibali aus fuhren Fähren im Pendelverkehr hinüber zum Anleger von Kasimpasa am Ostufer des Goldenen Horns. Die Fähren waren ständig in Betrieb und bildeten eine Art Brücke zwischen den beiden Stadtteilen. Istanbul war und ist wahrscheinlich die einzige Stadt der Welt, die auf zwei Erdteilen zugleich liegt – der Bosporus bildet die Nahtstelle der beiden Kontinente.

      Auch an diesem


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