Seewölfe - Piraten der Weltmeere 479. Frank Moorfield
den Befehl ihres Kommandanten. Sie fieberten förmlich danach, diesen Schurken von der „Trinidad“ was auf den Pelz zu brennen.
Rasch drückten sie die flackernden Luntenstöcke auf die Zündkanäle der schweren Geschütze, und das Feuer fand blitzschnell seinen Weg. Die gußeisernen Rohre waren auf Anweisung des Kommandanten schon vorher auf das Rigg der Handelsgaleone ausgerichtet worden, und das sollte sich als äußerst nützlich erweisen.
Innerhalb weniger Augenblicke brach in der idyllischen Bucht, in deren Wasser sich an jenem Morgen des 25. Mai 1595 die Sonne spiegelte, die Hölle los.
Ein gewaltiger Ruck erschütterte die Verbände der „San Sebastian“. Im selben Moment spien die Kanonen mit ungeheurer Wucht ihre zerstörerische Ladung hervor. Rollender Donner überlagerte die Bucht, als die Kettenkugeln, mit denen man die Rohre geladen hatte, in einem höllischen Wirbel durch die Luft rasten.
Die Geschütze rumpelten schwerfällig in ihren Holzlafetten zurück, während die Geschosse fauchend und zischend in das Rigg der „Trinidad“ schlugen. Die Richtkanoniere hatten in der Tat sauber gezielt, denn auch in ihnen kochte die Wut über die Strolche, die mit den königlichen Schatzgütern verschwinden wollten – und über den Tod ihrer sechs Kameraden, die beim Wasserfall Wache gehalten hatten und aller Wahrscheinlichkeit nach von den Deserteuren, die sich jetzt dort oben im zerklüfteten Gestein verschanzt hatten, ermordet worden waren.
Die Kettenkugeln, die man speziell zur Zerstörung des Riggs einzusetzen pflegte, zeigten eine ungeheure Wirkung. Im Handumdrehen wurde die „Trinidad“ im wahrsten Sinne des Wortes abgetakelt.
Das hämische Grinsen Machados und seiner verlotterten Kerle verwandelte sich in jähes Entsetzen, als urplötzlich die Rahen nach unten krachten und das Deck verwüsteten. Ein Hagel von zertrümmerten Holzteilen wirbelte zusammen mit Segeltuchfetzen durch die Luft.
Am schlimmsten aber erwischte es den Fockmast. Er zerbarst mit einem häßlichen Krachen und Splittern und kippte dann über Bord. Dabei hieb er eine Schneise in das Steuerbordschanzkleid und riß zwei Männer außenbords, die nun brüllend und fluchend im Wasser herumhampelten.
Einige weitere Kerle waren von den niederstürzenden Spieren erheblich verletzt worden und krümmten sich stöhnend auf den Planken. Innerhalb von wenigen Augenblicken glich die „Trinidad“ mit ihren zerfetzten Segeln und dem weitgehend verwüsteten Rigg einem Schiff, das durch einen schweren Sturm zum Wrack geworden war.
In der Tat – das Verschwinden der Handelsgaleone war erfolgreich verhindert worden, denn in ihrem jetzigen Zustand war an ein Weitersegeln nicht mehr zu denken.
Diego Machado schäumte vor Wut. Das Lachen war ihm längst vergangen, und er mußte wohl oder übel einsehen, daß er sich gründlich in de Mello getäuscht hatte. Der Kommandant der „San Sebastian“ hatte keine leeren Drohungen ausgestoßen, wie er zunächst angenommen hatte.
Diese bittere Erkenntnis untermauerte er mit einigen wilden Flüchen. Seine Augen blitzten haßvoll zu der Kriegsgaleone hinüber, und angesichts der schlanken Gestalt de Mellos, die dort noch immer am achteren Steuerbordschanzkleid verharrte, hob er mit einer üblen Verwünschung die Fäuste. Dann erst wandte er sich dem Chaos zu, das an Deck seines Schiffes herrschte.
„Hört mit dem Gebrüll auf!“ schrie er die Verletzten an, und den Kerlen, die mit ratlosen Gesichtern über die Trümmer stiegen, warf er böse Blicke zu. „Was steht ihr tatenlos herum?“ herrschte er sie an. „Packt lieber zu und setzt den Anker wieder. So können wir unmöglich weitersegeln.“
Das leuchtete selbst dem Dümmsten an Bord ein. Die „Trinidad“ war zwar nicht am Sinken, denn ihr Rumpf war unversehrt geblieben, aber an Deck glich sie einem riesigen Trümmerhaufen. So hatte sich das keiner von ihnen vorgestellt, und sie alle hatten sich voll auf den Spürsinn ihres Kapitäns verlassen, der de Mellos Warnung für Bluff gehalten hatte. Nun aber waren sie alle eines Besseren belehrt worden, als ihnen die Fetzen um die Ohren geflogen waren.
Notgedrungen befolgten sie den Befehl Machados und warfen erneut den Anker. Um die Verletzten oder die Kerle, die im Wasser schwammen, kümmerte sich niemand. Jeder an Bord der „Trinidad“ war sich selbst der Nächste, und die einzige Sorge Machados und seiner Männer galt jetzt der eigenen Haut und den Reichtümern im Bauch der Galeone. Nur davon wurde das Denken dieser Beutegeier beherrscht, als der Anker noch vor dem Ausgang der Bucht faßte und das Hinaustreiben des Schiffes verhinderte.
Schon in den frühen Morgenstunden breitete sich flirrende Hitze über Kuba aus. Über den tropischen Wäldern und Palmenhainen der südlichen Küstenregion bildete sich eine Dunstglocke, die wenig von der schwachen Brise aus Nordosten beeinflußt wurde. Schon jetzt war abzusehen, daß der noch junge Tag einen beachtlichen Tribut an Schweiß fordern würde.
Edwin Carberry, der Profos der „Isabella IX.“, wischte sich mit dem Handrücken über die zernarbte Stirn.
„Das hat einen ganz schönen Haufen Kleinholz gegeben“, sagte er sachlich, nachdem unten in der Bucht die Geschütze der „San Sebastian“ auf gebrüllt hatten.
„Deshalb brauchst du aber nicht zu schwitzen“, erwiderte Dan O’Flynn grinsend. „Schließlich hast du nichts dazu beigetragen.“
„Was willst du blaukarierter Zackenbarsch damit sagen, he?“ Reflexartig schob Ed das mächtige Rammkinn vor.
„Daß du dir schon wieder den Schweiß aus dem zarten Engelsgesicht wischst, obwohl du seit Stunden faul auf dem Bauch herumliegst.“ Dan lächelte hintergründig. „Wie wir übrigens auch“, fügte er dann hinzu.
Der kritische Blick Edwin Carberrys, dem das stundenlange untätige Ausharren auf dem Beobachterposten mächtig auf den Geist ging, entspannte sich wieder.
„Ich dachte schon, du seist wild auf einen niedlichen klitzekleinen Stunk, um die verflixte Langeweile zu verscheuchen“, sagte er. „Aber da du deinen eigenen dürren Bauch mit eingeschlossen hast, werde ich in echt christlicher Langmut deine hinterfurzigen Reden ertragen.“ Seufzend schaute er zur Bucht hinunter.
Dan O’Flynn verbiß sich ein Lachen.
„Es ist schon verdammt hart, dich so in christlicher Ergebenheit leiden zu sehen“, sagte er schließlich. „Aber die Aufgaben von Beobachtern erfordern nun mal eine gehörige Portion Geduld. Im Moment könnten wir höchstens einige Steinchen in die Bucht kullern lassen, um die verrückten Dons da unten zu erschrecken. Sonst gibt es nichts für uns zu tun.“
„Wenn die trüben Tassen wenigstens zurückschießen würden“, sagte Edwin Carberry. „Aber die hüpfen ja nur wie Flöhe herum und brüllen sich gegenseitig an.“
„Zurückschießen geht nicht“, sagte Dan. „Das Schiff ist in seinem jetzigen Zustand völlig manövrierunfähig. An einen Einsatz der Geschütze ist da nicht zu denken.“
„So ist es“, entgegnete der Profos nickend. „Kaum ist mal was los, da ist es auch schon wieder vorbei. Und unsereiner hockt hier in den Felsen herum und zupft an seinem eigenen Geduldsfaden.“
Die beiden Männer und Batuti hatten sich, als die Suchtrupps der Spanier losgezogen waren, ein Stück von Philip Hasard Killigrew sowie von Siri-Tong und Edmond Bayeux zurückgezogen, die ebenfalls auf der Lauer lagen und die Ereignisse beobachteten. Die Seewölfe hatten sich hinter mächtigen Felsen verschanzt, von wo aus sie alles überblicken konnten, ohne Gefahr zu laufen, selbst entdeckt zu werden.
„Dem Koch der ‚Trinidad‘ wird es in nächster Zeit nicht an Brennholz mangeln“, bemerkte Batuti, der am Boden kauerte und den breiten Rücken gegen einen Felsbrocken lehnte. Auch dem muskulösen Schwarzen war anzusehen, daß es ihn einige Geduld kostete, untätig auf dem Beobachterposten auszuharren. Er begann leise durch die Zähne zu pfeifen.
Edwin Carberry warf ihm einen schrägen Blick zu.
„Soll das vielleicht die Ballade von der rothaarigen Mary sein?“
Batuti grinste und entblößte dabei eine Reihe perlweißer Zähne.
„Nein. Das Lied handelt von der schwarzen