Seewölfe - Piraten der Weltmeere 479. Frank Moorfield
sagte Batuti, während er von einem Ohr bis zum anderen grinste.
„Zum Teufel, gebt jetzt Ruhe!“ sagte Dan O’Flynn. „Da unten tut sich wieder was.“
„Endlich!“ Ed atmete auf. „Und was?“
„Der Hundesohn Machado gibt nicht auf“, berichtete Dan, der das Spektiv auf die „Trinidad“ gerichtet hatte. „Jetzt will er wohl die Jolle abfieren lassen, sofern sie noch heilgeblieben ist. Ich bin wirklich gespannt, was er vorhat. Vielleicht will er die Ladung im Boot verstauen und sich damit verdrücken.“
„Dann wäre er echt verrückt“, sagte Edwin Carberry. „Die plattfüßigen Heringe auf dem Kriegsschiff würden bestimmt nicht lange zusehen.“
Dan zuckte mit den Schultern.
„Nun“, sagte er, „wir werden ja sehen, was der saubere Kapitän der ‚Trinidad‘ unternehmen wird. Eins steht fest: Wenn er auf dem schwer angeschlagenen Schiff bleibt, sitzt er in der Falle. Und so, wie es aussieht, wird er einiges riskieren.“
Die Aufmerksamkeit der drei Seewölfe konzentrierte sich voll auf das Geschehen in der Bucht.
2.
„Bewegt euch!“ brüllte Diego Machado den Männern zu, die damit begonnen hatten, Trümmerstücke von der einzigen Jolle zu räumen, die sich noch an Bord der Handelsgaleone befand. Er hoffte, daß das Boot noch zu gebrauchen war. Die beiden anderen großen Jollen befanden sich an Land. Mit ihnen waren jene Kerle zum Strand gepullt, die den Transport der Schatzgüter fortsetzen sollten, doch sie waren dabei in das Massaker geraten, das die Deserteure sorgfältig vorbereitet hatten.
An Bord der „Trinidad“ herrschte hektische Eile. Den Männern glänzte der Schweiß auf den sonnengebräunten Gesichtern. Und in all die emsige Betriebsamkeit mischte sich die Frage, ob Don Gaspar de Mello den Beschuß fortsetzen würde.
„Die werden uns versenken, ohne daß wir was dagegen tun können!“ rief ein junger, schmalbrüstiger Bursche mit ängstlichem Gesicht.
„Das werden sie nicht tun“, fauchte Machado und schleuderte ein Holzstück, über das er beinahe gestolpert wäre, über Bord.
„Wir sollten die Hundesöhne nicht mehr unterschätzen, Capitán“, fuhr der junge Decksmann fort. „Wir haben es schon einmal getan und gesehen, wohin es führte. Die können uns jederzeit einige Löcher in den Rumpf pusten, wenn wir …“
„Willst du wohl das Maul halten und mit zupacken?“ schrie ihn Machado an. Sein Gesicht war rot vor Wut. Er sprang auf den Mann zu und holte zu einem gewaltigen Tritt aus.
Es gelang dem schmalbrüstigen Kerl nicht mehr, voll auszuweichen. Die Stiefelspitze Diego Machados erwischte ihn noch am Achtersteven. Eine Sekunde später fand er sich mit ausgebreiteten Armen inmitten der zertrümmerten Holzteile wieder.
„Für dummes Geschwätz ist keine Zeit!“ rief Machado. „Wer nicht zupackt, kriegt Ärger.“ Er hob drohend eine Faust. „Manuel, sorge dafür, daß alle verfügbaren Schußwaffen sowie genug Pulver an Bord geschafft und in der Jolle verstaut werden.“
Mit einem Aufatmen hatte er festgestellt, daß das Boot so gut wie unbeschädigt war. Er würde also seinen riskanten Plan weiterverfolgen können.
Manuel, ein stiernackiger Kerl mit nacktem, muskulösem Oberkörper, wirbelte herum.
„Jawohl, Capitán!“ rief er. Dann winkte er einige Männer herbei und verschwand mit ihnen unter Deck. In fieberhafter Eile wurden die Musketen, Tromblons und Pistolen nach oben geschafft. Auch Hieb- und Stichwaffen wurden nicht vergessen.
Nachdem man die Jolle an der Steuerbordseite zu Wasser gelassen hatte, bemannte Diego Machado sie mit sechzehn ausgesuchten Kerlen. Die langen Gesichter, die es auf der Seite jener gab, die nicht mehr in das Boot paßten, hatte er einkalkuliert. Entsprechende Fragen sowie die Bitten der Verletzten, um die sich nach wie vor niemand kümmerte, beantwortete er mit einem Schulterzucken.
„Haut ab, wenn ihr Lust habt“, sagte er höhnisch. „Ihr werdet nicht mehr gebraucht.“
Einen Augenblick sahen sich die Kerle betroffen an, dann kapierten sie.
„Das ist eine elende Schweinerei!“ brüllte ein älterer Mann wütend. „Ihr könnt doch nicht einfach abhauen und uns auf diesem Wrack zurücklassen. Der Gouverneur wird uns hängen lassen.“
„Sollen wir vielleicht ans Ufer schwimmen und riskieren, daß uns die Haie fressen?“ fragte ein anderer erregt.
„Macht, was ihr wollt“, erwiderte Machado unwirsch. „Ihr seht selber, daß auf der Jolle kein Platz mehr ist.“
Die Männer begannen zu fluchen und zu drohen, auch einige der Verletzten stießen üble Verwünschungen aus.
„Ihr Hunde wollt euch alles alleine unter den Nagel reißen!“ schrie Rodrigo, ein kleiner, dicklicher Kerl mit einem dünnen Oberlippenbart.
Machados Gesicht war immer noch zu einem höhnischen Grinsen verzogen.
„Irrtum“, erwiderte er, „ich lasse euch als reiche Leute zurück. Ihr könnt das ganze Zeug, das sich an Bord befindet, haben, ich nehme es nicht mit. Ich begnüge mich mit dem, was noch drüben an Land ist.“ Er lachte gemein.
Für Rodrigo war das zuviel, der kleine, dickliche Kerl drehte durch. Er bückte sich blitzschnell und griff nach einer Holzlatte. Aber Diego Machado hatte mit einer solchen Reaktion gerechnet. Er kannte die Kerle nur zu gut. Er sprang mit einer Gewandtheit, die man ihm bei seiner Körperfülle nicht zugetraut hätte, vor und hieb Rodrigo die Faust unters Kinn, noch bevor dieser mit der Latte zum Schlag ausholen konnte.
Aus dem Mund Rodrigos drang ein dumpfes Röcheln, während sein Körper durch die Wucht des Hiebes zurückgeschleudert wurde und gegen das Backbordschanzkleid der Kuhl krachte.
Mit einer raschen Bewegung zog Machado eine Pistole aus dem Gürtel. Das hämische Lachen in seinem Gesicht war verschwunden, seine Augen zogen sich zu schmalen Schlitzen zusammen.
„Der Nächste empfängt eine Kugel in den Bauch“, sagte er mit schneidender Stimme. „Auch wenn ihr das nicht kapieren wollt – ich bin fair zu euch. Ich überlasse euch das Schiff und die wertvolle Ladung. Auch einige Blankwaffen werdet ihr noch vorfinden. Daß nur noch eine Jolle zur Verfügung steht, kann ich nicht ändern.“
„Dann kommt zurück und holt uns!“ forderte einer der Verletzten, der die blutverschmierten Hände auf seinen linken Oberschenkel preßte.
Jetzt begann Machado wieder zu grinsen.
„Wer weiß, vielleicht tue ich das sogar“, erwiderte er. „Das wird ganz von der Lage der Dinge abhängen.“ Natürlich dachte er nicht im entferntesten daran, sich auf ein solches Risiko einzulassen, denn er konnte bereits von Glück sagen, wenn es ihm überhaupt gelang, unbehelligt den Strand zu erreichen.
Diego Machado verlor keine weitere Zeit. Nachdem die Männer in der Jolle vorsichtshalber ihre Musketen in Richtung Steuerbordschanzkleid in Anschlag gebracht hatten, verließ er sein Schiff. Augenblicke später legte die Jolle ab.
Die unflätigen Flüche und Drohungen, die den Schnapphähnen von ihren zurückgebliebenen Kameraden und von den Verletzten nachgebrüllt wurden, quittierten sie mit einem schadenfrohen Lachen.
Machado ging eiskalt aufs Ganze. Er dachte nicht daran, auf der „Trinidad“ zu bleiben und auf seine Gefangennahme durch die Seesoldaten der „San Sebastian“ zu warten. O nein, ein Mann wie er gab nicht so schnell auf. Wenn er schon auf die Schatzgüter in den Laderäumen seines Schiffes – notgedrungen – verzichtete, dann wollte er sich zumindest an dem, was noch an Land vorhanden war, gütlich tun. Die Höhlen waren ja noch immer voll von den Reichtümern, die Don Antonio de Quintanilla zusammengerafft hatte. Er würde es schon schaffen, sich mit den Deserteuren an Land zu verbünden, wenn er bereit war, deren Schlagkraft zu verstärken.
Diego