Seewölfe - Piraten der Weltmeere 479. Frank Moorfield

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 479 - Frank Moorfield


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nachgeladen worden waren, wurde die Flucht Machados erst bemerkt, als die Jolle bereits am Strand landete. Die nahezu abgetakelte „Trinidad“ lag so in der Bucht, daß sie die Sicht nach Südosten versperrte.

      Während Don Gaspar de Mello die Meldung des Ausgucks zunächst schweigend zur Kenntnis nahm, begann der hagere Alonzo de Escobedo zu fluchen wie ein Fuhrknecht. Ja, Seine Exzellenz, der Gouverneur von Kuba, der von seinem Vorgänger, dem beleibten Don Antonio de Quintanilla, ins Amt berufen worden war, benahm sich wie das, was er früher einmal gewesen war: ein kleiner devoter Hafenkapitän, der nur durch die Gunst seines Vorgängers zunächst Hafen-, dann Stadtkommandant und schließlich Gouverneur geworden war.

      Aber an Qualitäten für dieses hohe Amt mangelte es de Escobedo ganz offensichtlich, denn das, was über die erlauchten Lippen sprudelte, paßte ganz und gar nicht zu dem blütenweißen Rüschenhemd, der eleganten Kürbishose und den kostbaren Schuhen mit Silberschnallen. Von dem mit Brokat besetzten Wams und dem Federhut gar nicht zu reden.

      „Verdammte Höllenbrut!“ keifte de Escobedo. „Scheißkerle! Lumpenpack! Räudige Hunde!“ Der Erlauchte war außer sich vor Wut und ballte sogar die mit kostbaren Ringen besetzten Finger zur Faust, um damit angriffslustig in die Luft zu schlagen.

      „Machado, dieser elende Hurensohn, erdreistet sich, mich übers Ohr zu hauen!“ brüllte der Gouverneur. „Dafür wird das Schwein hängen und wenn ich ihn eigenhändig hochziehen muß. Der Kerl gibt sich nicht einmal mit den Schätzen zufrieden, die bereits an Bord sind, er will noch mehr holen. Verdammt, das soll er büßen.“

      Don Gaspar de Mello kam aus dem Staunen nicht mehr heraus. Nicht nur, daß er sich über die wenig vornehme Ausdrucksweise de Escobedos wunderte – es war vielmehr das, was der Gouverneur ausdrückte, was ihn aufmerksam werden ließ und das Mißtrauen, das er schon seit geraumer Zeit gegenüber diesem Mann hegte, wieder wachrief.

      „Ich glaube nicht, daß er noch mehr von den Schatzgütern auf die ‚Trinidad‘ holen will“, sagte Don Gaspar ruhig.

      „Natürlich will er das!“ keifte Alonzo de Escobedo und stampfte dabei wie ein trotziger Junge mit dem Bein auf die Planken. „Der Mistkerl will alles haben. Alles – verstehen Sie?“

      „Offen gesagt – nein“, erwiderte de Mello ungerührt. „Was hätte er denn davon, wenn er noch weitere Schätze auf sein Schiff bringen würde? Die Galeone ist ein halbes Wrack und uns völlig ausgeliefert. Er könnte unmöglich mit seiner Beute davonsegeln, wie er das ursprünglich vorgehabt hat.“

      „Was wollen Sie damit sagen, Don Gaspar?“ Auf der Stirn des Erlauchten standen dicke Schweißperlen.

      „Ich will damit sagen, daß gerade die derzeitige Nutzlosigkeit der ‚Trinidad‘ der Grund für seine Flucht ist. Er ließ alles im Stich, suchte sich so viele Leute aus, wie er brauchte, und wird sich höchstwahrscheinlich an Land mit den Deserteuren verbünden. Offenbar hat er sich große Chancen ausgerechnet, auf diese Weise doch noch an das große Geld zu gelangen.“

      Das schien auch dem aufgebrachten Gouverneur einzuleuchten, aber es verhinderte nicht, daß er einen neuen Tobsuchtsanfall erlitt. Und wieder sprach er davon, daß ihn das „Schwein Machado übers Ohr hauen“ wollte.

      Der Kommandant der Kriegsgaleone begriff mehr und mehr, was die Glocke geschlagen hatte. Was meinte der Erlauchte ständig mit „übers Ohr hauen“? Warum war er es, der übers Ohr gehauen wurde? Gehörten die Schatzgüter nicht Seiner Majestät, dem König von Spanien?

      Nach Don Gaspars Meinung ließ diese Redewendung erkennen, daß zwischen beiden Señores eine Art Kumpanei bestand. Richtigerweise hätte die Formulierung zum Ausdruck bringen müssen, daß Machado den König übers Ohr gehauen hatte, aber nicht ihn, de Escobedo. Oder hatten am Ende Machado und der Gouverneur ein „Geschäft“ miteinander vorgehabt, und der eine fühlte sich nun vom anderen übers Ohr gehauen?

      Don Gaspar überlegte scharf. Die Wangenmuskeln in seinem Gesicht zuckten. Seine Augen musterten de Escobedo sehr genau. Das Mißtrauen in ihm wuchs ganz gewaltig. In sein Gedächtnis kehrten Situationen zurück, die ihn schon vor einiger Zeit argwöhnisch gestimmt hatten.

      Er erinnerte sich daran, wie er den Gouverneur noch in Havanna nach der Art der Schiffsladung befragt hatte, die er in seiner Eigenschaft als Kommandant eines Kriegsschiffes schützen sollte. Nach einer Reihe von ausweichenden Erklärungen war ihm klipp und klar gesagt worden, das gehe ihn nichts an.

      Wäre er nicht ein Mann gewesen, der es wagte, sich auch gegen den Gouverneur zu behaupten, hätte er wohl heute noch nicht gewußt, um welche Art „Ware“ es sich handelte, die er gemäß den Worten de Escobedos „bis zum letzten Blutstropfen“ verteidigen sollte. Schon da hatte ihn das seltsame Gebaren beider Männer – sowohl de Escobedos als auch Machados – stutzig werden lassen. Aber erstmals zufällig eine Kiste aufbrach, hatte er erfahren, was für eine Ladung übernommen worden war.

      Aber das war noch nicht alles. Es gab noch eine Reihe weiterer Punkte, die ihn nachdenklich stimmten. Warum, zum Beispiel, hatte man den Seeweg zu jener westlich von Batabanó gelegenen Bucht gewählt, wenn doch der Landweg sehr viel kürzer war? Und seit wann versteckte man solche Mengen von königlichen Schatzgütern unbewacht in irgendwelchen einsam gelegenen Höhlen?

      Ob er wollte oder nicht – Don Gaspar de Mello sah in Alonzo de Escobedo immer weniger den Gouverneur und immer mehr eine zumindest zwielichtige Person.

      Es wird Zeit, daß ich diesem Mann einmal auf den Zahn fühle, dachte er.

      Don Gaspar wurde in seinen Gedankengängen unterbrochen, denn Alonzo de Escobedo ließ eine neue Schimpfkanonade vom Stapel und malte mit hochrotem Gesicht aus, was er alles mit dem „Lumpenpack“ anfangen würde, wenn er erst einmal die Gelegenheit hätte, die Kerle am Schlafittchen zu packen.

      Don Gaspar unterbrach ihn mit ruhiger, aber fester Stimme.

      „Wir hätten die Flucht Señor Machados wahrscheinlich verhindern können“, sagte er sachlich, „wenn wir sofort nach unserem Beschuß mit einem Teil der Soldaten die ‚Trinidad‘ geentert hätten.“

      Der Gouverneur sah ihn unwirsch an.

      „Fangen Sie nicht schon wieder damit an!“ fauchte er. „Wir müssen die Höhlen stürmen, das ist viel wichtiger. Lernen Sie endlich einmal, Prioritäten zu setzen!“

      „Genau das versuche ich ja schon die ganze Zeit“, sagte de Mello ungerührt. „Es wären genug Seesoldaten auf der ‚San Sebastian‘ zurückgeblieben, um während dieser Zeit die Felswände zu beobachten und mit unseren Drehbassen in Schach zu halten.“

      De Escobedo schluckte und wollte mit seinem wütenden Gezeter fortfahren, doch bevor er zu weiteren Reden ansetzen konnte, dröhnte plötzlich die Stimme des Mannes im Großmars über die Decks.

      „Auf der ‚Trinidad‘ scheint sich etwas anzubahnen!“ lautete die zunächst recht spärliche Meldung, die sowohl de Mello als auch den Gouverneur veranlaßte, das Spektiv ans Auge zu führen.

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