Seewölfe - Piraten der Weltmeere 61. Fred McMason

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 61 - Fred McMason


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schluckte jetzt noch, wenn er daran dachte, mit welcher Höllenfahrt die „Isabella“ über diese flache Schwelle gerast war.

      „Der riesige Wasserschwall hat uns hinübergehoben, ohne daß wir die Barriere auch nur berührt haben. Damit steht fest, daß eine Rückkehr ausgeschlossen ist. Wir können uns auf der Insel häuslich einrichten.“

      Hasards Worte klangen bitter, sinnend sah er ins Wasser.

      „Es gibt noch einen Ausweg“, überlegte der Profos. „Wenn wir hier hinabsteigen und das Riff Stück um Stück unter Wasser zertrümmern.“

      „Eine Arbeit, die Monate in Anspruch nehmen würde, selbst wenn jeden Tag ein paar unserer Leute daran arbeiten. Wie breit ist die Felsbarriere, Dan?“

      O’Flynn tastete sich vorsichtig nach links. Er konnte fast vier Yards quer darauf laufen. Dann kehrte er zurück und versuchte es auf der anderen Seite.

      Hasard überschlug die Maße. Die Passage war knapp zwölf Yards breit, und über diese gesamte Breite legte sich das Riff, als wäre es gemauert worden. Und dieses Riff selbst maß in seiner Breitenausdehnung etwa fünf Yards, ehe es steil nach unten abfiel.

      So schnell gab der Seewolf nicht auf, aber jetzt schüttelte er resignierend den Kopf.

      „Nein, ausgeschlossen“, sagte er. „Diese Barriere zertrümmern wir selbst in einem Jahr nicht, da können wir schuften, wie wir wollen.“

      Carberry, Tucker und Dan sahen das ebenfalls ein. Sie ließen die Köpfe hängen und sahen Hasard an, aber der Seewolf hatte diesmal keine Lösung zur Hand.

      Es sah ganz so aus, als würden sie den Rest ihres Lebens auf dieser Insel beschließen müssen.

      „Wir fahren zurück und sehen uns die Insel an“, befahl er. „Augenblicklich haben wir ein größeres Problem. Es geht ums Überleben. Wir müssen Trinkwasser suchen, eine Quelle oder einen Bach. Finden wir das hier nicht, sind wir erledigt. Dann können wir die Musketen laden und uns eine Kugel durch den Schädel jagen.“

      Die drei Männer wurden blaß. Hasard sprach nie in diesem pessimistischen Ton, aber er hatte natürlich recht. Wenn sie kein Trinkwasser fanden, dann ...

      Schweigend ruderten sie zur „Isabella“ zurück, wo der Kutscher sie mit Freudengeheul empfing.

      „Fische gibt’s hier“, rief er. „daß es eine wahre Freude ist! Die Angel hing noch keine fünf Minuten im Wasser und schon hat einer angebissen. Man kann sie hin und her flitzen sehen!“

      Auf dem Deck lag ein riesiger Zakkenbarsch, der den Kutscher grimmig anzublicken schien, weil er auf den billigen Speckköder hereingefallen war. Der Fisch mochte etwa einen halben Zentner wiegen.

      „Wir haben ein Problem“, sagte Hasard und sah sich im Kreis der Seewölfe um, die den riesigen Zackenbarsch ausgiebig bestaunten. „Es gibt keine Rückkehr mehr. Mit der ‚Isabella‘ kommen wir hier nicht mehr heraus, die Barriere ist nur einen Faden tief unter Wasser. Sturm, Strömung und ein großer Wasserschwall haben uns darüber hinweggehoben.“

      Er las Bestürzung in den Gesichtern. Plötzlich erschien ihnen die Insel nicht mehr als das Paradies, sondern eher als die Hölle.

      „Und jetzt?“ fragte Ben Brighton tonlos. „Jetzt müssen wir hierbleiben bis uns durch Zufall jemand findet?“

      „Vermutlich wird uns niemand finden“, entgegnete Hasard, „denn diese Insel ist auf keiner Karte verzeichnet. Und wer sie doch entdeckt, wird schleunigst weitersegeln. Erst waren wir tagelang im Tang gefangen, jetzt hält uns eine Insel fest. Wir haben hier allerdings größere Überlebenschancen, vorausgesetzt, daß es Trinkwasser gibt.“

      Der Kutscher begab sich schweigend daran, dem Zackenbarsch eins mit Tuckers Axt vor den Schädel zu hauen und ihn auszunehmen.

      Trinkwasser! Nahrungsmittel! Das waren jetzt die größten Probleme. Die Bucht schien fischreich zu sein, aber hoffentlich wuchs hier auch noch etwas anderes, denn jeden Tag Fisch würde auch dem Genügsamsten mit der Zeit zum Hals heraushängen.

      „Wir werden die Insel jetzt erkunden“, sagte Hasard. „Dann haben wir Gewißheit, wir wissen ja nicht einmal wie groß sie ist. Wer will, kann mit an Land kommen. Zwei oder drei Mann bleiben an Bord zurück, zur Sicherheit, obwohl ich nicht glaube, daß hier etwas passieren kann oder ein Schiff die Bucht ansteuert.“

      „Ich bleibe an Bord“, erbot sich der Kutscher freiwillig, „dann kann ich den Fisch in aller Ruhe auf einem Holzkohlenfeuer braten.“

      „Aber ja nicht an Deck“, fauchte der Profos, „sonst brennt uns noch der Kahn ab, bis wir wieder zurück sind.“

      „Ich denke, wir brauchen ihn nicht mehr“, stichelte der Kutscher.

      Carberrys Rammkinn stach herausfordernd in die Luft. Er wollte gerade eine geharnischte Antwort geben, als der alte Donegal O’Flynn sich meldete.

      „Ich bleibe auch an Bord“, sagte er. „Mit meinen Krücken kann ich schlecht laufen, und zwischen den Felsen herumsteigen, kann ich schon gar nicht.“

      „Gut, wer noch?“

      Smoky meldete sich. Er hatte genug von Abenteuern, Geistern und Seespuk. Ihm hatte es im Sargassomeer überreichlich gelangt. Er wollte sich mal gründlich auf die faule Haut legen, wie er versicherte.

      Dann blieben noch achtzehn Männer übrig, die den Erkundungsgang vornehmen sollten.

      Der Seewolf teilte sie in zwei Gruppen ein.

      Eine Gruppe sollte in die linke Richtung gehen, die andere die rechte nehmen, um hinter dem Strand in die Felsen aufzusteigen. Danach würde man sich wieder treffen. Auf ein paar Stunden kam es nicht an. Sie hatten ja so unendlich viel Zeit, Zeit wie Sand, der am weißen Strand verlockend herüberleuchtete.

      Ein weiteres Boot wurde abgefiert und bemannt.

      „Der Drang der Entdecker“, sagte Hasard spöttisch zu Ben. „Sie haben alles andere vergessen, jetzt interessiert sie nur noch diese Insel.“

      „Glaubst du, daß sie bewohnt ist?“

      Der Seewolf hob die Schultern. Er sah, wie auch die anderen Männer in die Boote stiegen.

      „Schlecht vorstellbar, dazu ist sie zu klein. Mich interessiert wesentlich mehr, ob wir hier Trinkwasser finden.“

      „Hoffentlich“, erwiderte Ben seufzend. „Sonst müssen wir wirklich noch die Musketen laden.“

      Die beiden Boote liefen auf den Strand zu, der blendend weiß war, wie sie es von Bord aus schon gesehen hatten. Knirschend lief das erste Boot auf den Sand.

      Ein kleiner Vogel piepste schrill und trippelte um sein Gelege, das er sich aus dürren Blättern mitten im Sand gebaut hatte. Er flog nicht davon, als Hasard in den Sand sprang, dafür war er eifrig bemüht, sein Gelege zu schützen.

      „Na, wenn das kein gutes Zeichen ist“, meinte der Seewolf. „Er hat keine Angst, folglich gibt es hier auch keine Menschen, oder er hat noch nie welche gesehen.“

      „Eine Schildkröte“, rief Will Thorne. „Da, noch eine!“

      Zwei mittelgroße Seeschildkröten krochen behäbig ins Wasser und tauchten weg. Eine dritte blieb blinzelnd sitzen und zog nur den eckigen Schädel etwas ein.

      Hasard blieb am Strand stehen und genoß den Anblick, den diese herrliche Bucht bot. Aus dieser Perspektive sah alles ganz anders aus.

      Drüben lag die „Isabella“ vor Anker. Ihr Hintergrund bestand aus einer steil aufragenden Felsformation und scharfen gezackten Klippen, gegen die sie sich wie ein Spielzeug ausnahm. Aus der Kombüse stieg hellgrauer Rauch in den jetzt wolkenlosen Himmel. Der Kutscher war dabei, den riesigen Zakkenbarsch zu verarbeiten.

      Links und rechts hinter der ranken Galeone Felsen und im Wasser Felsen, wie Säulen, die ein Riese sorgfältig placiert hatte. Dann folgte auf der rechten Seite die Passage, und links endete der weiße, leuchtende Strand


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