Seewölfe - Piraten der Weltmeere 61. Fred McMason

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 61 - Fred McMason


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um sich woanders niederzulassen.

      Der Strand war aus ihrer Sicht verschwunden, auch die Passage war nicht mehr zu sehen, obwohl sie immer höher kletterten.

      Nach einer knappen halben Stunde Marsch begann die Vegetation spärlicher zu werden. Vor ihnen lag ein erhöhtes Felsengewirr, in dem nur ab und zu Büsche und kakteenähnliche Gewächse standen.

      Es war jetzt Mittagszeit. Die Sonne stach senkrecht vom Himmel, die dunklen Lavafelsen strahlten die gespeicherte Wärme tausendfach zurück. Die Landschaft wurde gespenstisch, wenn die Felsen scharfe Schlagschatten warfen.

      „Hier oben finden wir bestimmt kein Wasser“, sagte Hasard und wischte sich den Schweiß von der Stirn. „Aber wir erhalten einen prächtigen Überblick über die Insel.“

      Jetzt gab es rechts und links nur noch Felsen, über die singend ein leichter Wind strich. Sie näherten sich der Südseite. Das Gewirr der Felsen wurde dichter, rechts und links ragten sie in den Himmel, immer mehr, immer spitzer und höher wurden sie.

      Nach ein paar weiteren Minuten hatte Hasard den Scheitelpunkt erreicht. Er blieb stehen, während die anderen folgten. Ein einmalig schöner Ausblick bot sich ihnen.

      Soweit der Blick reichte, erstreckte sich endlos das blaue Meer in seiner ganzen Pracht. Die Insel lag wie ein gewaltiger Bienenkorb darin.

      Zwanzig Schritte vor den Seewölfen fiel es steil ab. Klippen, die senkrecht ins Meer ragten, wurden von Brandungswogen angelaufen, Schaumkronen bildeten sich und man hörte deutlich das leichte Grollen der Brandung.

      „Von dieser Seite kommt niemand an die Insel heran“, meinte Ben versonnen. „Und von links auch nicht. Da gibt es nur Klippen, steile Felsen und Stein, sonst nichts. Die Insel scheint eine uneinnehmbare Festung zu sein. Kein Schiff würde sich auch nur in die Nähe dieser Klippen trauen.“

      „Ganz sicher nicht“, sagte Hasard. „Der einzige Zugang ist die Passage, und selbst da kann man nicht hindurchsegeln.“

      „Nur, wenn man der Seewolf persönlich ist“, sagte Carberry grinsend.

      Hasard blickte in die Runde. Mit dem Finger deutete er nach links.

      „Wir gehen im Bogen zurück, so daß wir uns jetzt von der anderen Seite der Bucht nähern. Ich bin gespannt, wie es dort aussieht!“

      Zwischen den Felsen bahnten sie sich ihren Weg. Es ging jetzt in einem sanften Bogen leicht bergab, wobei sich auch gleichzeitig der Charakter der Landschaft veränderte. Die Felsen bildeten eine schmale Gasse, standen nicht mehr vereinzelt herum, waren jetzt massiver.

      Unter ihren Stiefeln knirschte das erstarrte Lavagestein. Es war so porös, daß ein paar Männer pausenlos fluchten, als es unter ihren Schritten leicht nachgab und zerbröckelte.

      Ganz plötzlich blieb der Seewolf stehen und lauschte. Er hatte ein merkwürdiges Geräusch vernommen. Er hob die Hand, die anderen verharrten ebenfalls ruckartig.

      Eine seltsam klagende Melodie erfüllte die Luft. Wie Sirenengesang, dünne hohe, sehr weit entfernte Stimmen waren zu hören, die ein melodisches Lied anstimmten.

      Carberry spürte, wie sich seine Nackenhaare aufrichteten. Ein eisiger Schauer lief ihm über den Rükken.

      „Verdammt! Geht denn das schon wieder los?“ fragte er erbittert. „Was mag das nur sein?“

      „Halt doch mal den Mund!“ fuhr ihn Hasard an.

      Das klagende Geräusch rückte mal näher, dann schien es wieder sehr weit entfernt zu sein. Seltsam hohl klingende Töne mischten sich ständig dazwischen, dann wieder hörte es sich an, als wenn man über den Hals einer leeren Flasche blies.

      „Äolsharfen“, sagte der Seewolf nach einer Weile. „Der Wind fängt sich in ihnen und bringt sie zum Klingen.“

      Er blickte zurück, zu den höherliegenden Felsen.

      In dem Lavagestein befanden sich Löcher, einige mannsgroß, andere nur sehr klein. Vor und hinter ihnen standen andere Felsen, deren Löcher sich teilweise überdeckten. Und durch sie strich leise und klagend der Wind, der diese melodischen Töne erzeugte, die sich jedoch unheimlich und fremd anhörten.

      „Eine natürliche Erscheinung?“ fragte der Profos mißtrauisch.

      „Kein Grund zur Beunruhigung. Wenn kein Wind geht, wirst du diese Musik nicht hören, Ed.“

      „Ich kann gern darauf verzichten“, murrte der Profos. „Hört sich nach Totengesang an!“

      Hasard ging weiter, einem natürlichen Pfad folgend, den Regen, Wind und Wetter geschaffen hatten. Sie folgten einer Biegung, beruhigt, daß sich die Musik als etwas Natürliches herausgestellt hatte, als der zweite Schock folgte.

      Diesmal traf er Hasard völlig unvorbereitet. Er blickte auf eine Felsenfläche und konnte nicht glauben, was er dort sah.

      Das Schlangenzeichen! Dort war es in den Felsen geritzt!

      „Mich – mich trifft der Schlag“, stammelte Dan O’Flynn ungläubig. „Wie kommt das denn hierher?“

      „Wenn ich das wüßte“, murmelte Hasard tonlos. Das war eine Überraschung, die selbst den Seewolf fast umwarf.

      Die Hohepriesterin Arkana, das Mädchen, das ihm auf der Insel Mocha das Leben gerettet hatte – sofort stand ihr Bild vor seinen Augen. Ihre schwarzen Haare, die dunklen Augen, die hochgewachsene schlanke Gestalt, die Nacht im Schlangentempel mit Arkana – Arkana, immer wieder Arkana, das Indianermädchen, das ihn gesund gepflegt hatte. Der Schlangengott in dem unheimlichen Tempel.

      Wie ein Schleier legte es sich über seine Augen und sekundenlang stand Wehmut darin. Kramphaft versuchte er, sich an Einzelheiten zu erinnern, und immer wenn er glaubte, das Bild wäre deutlich, dann schob sich ein feiner Schleier dazwischen, der die Erinnerung weit fortzudrängen schien in eine andere Welt, die Hasard vertraut und bekannt vorkam, deren Konturen sich aber immer wieder leicht verzerrten.

      Arkana! hämmerte es in seinem Schädel. Mocha, die Insel ... Und dann hatte sie ihm den Armreif geschenkt, den Ring züngelnder Schlangen aus purem Gold, wie sie ihn auch um ihren Kopf als Reif trug. Er entsann sich des Bildnisses der Statue, den goldenen Schlangengott, der sich in der Mitte des Gewölbes um eine nackte, aus Bronze gearbeitete Indianerin ringelte, die Arkanas Züge trug. Um die Statue ringelten sich in weitem Kreis goldene Schlangen, die eine Anzahl kupferner, in blaßblaue Flammen getauchte Schalen einschlossen. In seinem Schädel war ein dumpfes Pochen, ein Hämmern, ein Druck, der ihm den Kopf zu zersprengen drohte.

      Arkana ... Wie lange war das schon her? Einen Monat, ein Jahr, Jahrhunderte? Ewigkeiten?

      Arkanas Bild verblaßte wie ein Schemen, dafür hoben sich um so deutlicher die Konturen dieser Zeichnung an dem Fels hervor. Es ähnelte in allem der Statue des Schlangengottes.

      Das konnte kein Zufall sein, dachte der Seewolf wie betäubt.

      „Araukaner“, hörte er den Profos wie aus nebelhafter weiter Ferne sagen. „Genau das Zeichen befindet sich auf deinem Armreif, Hasard!“

      „Ja, ich weiß! Sehr eigenartig. Mir kam es so vor, als wäre ich soeben weit weg gewesen.“

      Seine Gestalt straffte sich, der Nebel vor seinen Augen zerstob. Augenblicklich fand er wieder in die harte Wirklichkeit zurück, wo es keine Arkana gab, wo man gefangen war und Wasser suchte, um zu überleben und nicht elend zu verdursten.

      „Sollten die Araukaner hier auf diese Insel ...“ begann Ben, unterbrach sich aber gleich darauf selbst. „Quatsch! Wie sollen die wohl hierher gelangt sein?“

      „Und die Feuerstellen?“ hielt Hasard dagegen. „Von wem mögen die wohl stammen?“

      „Ich kann mir schlecht vorstellen, wie dieser Stamm der Araukaner sich so weit vorgewagt hat. Zählt man aber die Feuerstellen und dieses Zeichen zusammen, so gibt das zwei und zwei, also gleich vier. Die Annahme ist logisch. Nur – wo sind sie?“

      „Wir werden sie suchen,


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