Seewölfe - Piraten der Weltmeere 61. Fred McMason

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 61 - Fred McMason


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richtig befriedigte Hasard diese Theorie auch nicht. Aber er brauchte etwas, woran er sich klammern konnte.

      Er ging näher an die Felswand heran, betastete mit den Fingern das Zeichen und schüttelte immer wieder den Kopf, weil er einfach nicht begriff, was sich hier abgespielt hatte.

      „Gebt acht“, schärfte er den Männern ein. „Ihr wißt, wie gefährlich die Araukaner damals waren. Es kann sein, daß uns bereits etliche Augenpaare belauern.“

      Nervös sahen die Männer sich um. Aber nichts rührte sich, die Insel blieb ruhig wie ein großes Tier, das auf der Lauer lag und erst dann zuschlagen würde, wenn niemand es erwartete.

      Nach einem letzten Blick auf das Schlangenzeichen ging Hasard weiter. Immer wieder kreisten seine Gedanken um das Symbol und um die Frage, wie die Araukaner wohl hierher gelangt sein mochten. Er sah an den Gesichtern seiner Leute, daß auch sie diese Frage pausenlos beschäftigte und sie sich ständig nach allen Richtungen umdrehten.

      Es ging jetzt tiefer hinab. Auf den Felsen wuchsen Pflanzen, Blumen und große Büsche. Der Boden wurde noch poröser. In einem geschwungenen Bogen würden sie bald wieder auf den Strand stoßen, diesmal von der Seite her, die den urwaldähnlichen Charakter hatte.

      Dan O’Flynn hob die Hand. Er zeigte zu den rechts neben dem Pfad verlaufenden Gebüsch.

      „Wasser!“ schrie er. „Da muß eine Quelle sein!“

      In die Seewölfe kam Bewegung. Der Durst strapazierte sie schon eine ganze Weile, nur hatte ihn jeder unterdrückt, so gut es ging.

      Deutlich war ein leises Murmeln zu hören, ein Plätschern und leichtes Rauschen, das ihnen wie liebliche Musik in den Ohren klang.

      „Langsam, nichts überstürzen“, hielt sie die Stimme des Seewolfs zurück. „Denkt immer an die Feuerstellen und das Schlangenzeichen!“

      Dan zerteilte die Büsche und schob sich hindurch, gefolgt von den anderen, die sich erst vergewisserten, daß niemand zu sehen war. Diesmal war es eine angenehme Überraschung, die ihnen bevorstand. Nicht weit vor ihnen, im schimmernden Grün von Büschen und fremdartigen Gewächsen verborgen, sprudelte kristallklares Wasser aus einer kleinen Höhle. Es bildete einen Bach, danach einen kleinen Tümpel und verschwand dann wieder unter dem Pflanzengrün.

      Ein Aufschrei der Freude ertönte. Während Hasard nach allen Seiten sicherte, stürzte sich die durstige Meute der Seewölfe in das kühle Naß.

      Carberry stöhnte vor Wonne. Mit ausgebreiteten Armen hing er in dem kleinen sprudelnden Bach und trank.

      Die anderen lachten und tobten ausgelassen herum. Sogar Big Old Shane brachte es nicht über sich, einfach nur so dazustehen. Mit seinen mächtigen Händen schaufelte er Wasser, goß es sich über den erhitzten Körper, beugte sich nieder, trank wie ein Verdurstender.

      „Wasser! Sie hatten Trinkwasser entdeckt!

      Von Hasard fiel eine dumpfe Beklemmung ab. Das, was ihnen die allergrößte Sorge bereitet hatte, das Fehlen von Wasser, jetzt hatten sie es genügend und reichlich.

      Auch er trank in langen Zügen.

      „Gleich nachher werden wir Wasser mannen“, sagte er. „Der Weg hierhin ist nicht weit. Wir werden alles an Fässern herschleppen, was wir an Bord haben.“ Er lächelte leicht und reckte die Schultern.

      „Ich denke, wir werden es auf dieser Insel schon eine Weile aushalten. Wir haben alles, was wir zum Leben benötigen, auch wenn wir vorerst nicht mehr wegkommen. Fische, Vögel, Schildkröten, Früchte und klares Wasser. Ist das nichts?“

      „Wir haben mehr Glück als Verstand“, gab Ben ihm recht. „Notfalls können wir hier jahrelang hausen.“

      „Jetzt aber weiter. Wer noch Durst hat, soll noch einmal trinken. Ich möchte sehen, wie der Weg wieder zur Bucht führt. Es ist besser, wenn wir gleich soviel wie nur möglich erkunden, dann stehen uns auch keine unangenehmen Überraschungen bevor.“

      Es war kein Weg und kein Pfad mehr, auf dem sie jetzt marschierten. Es ging teilweise über Felsen, dann wieder zwischen Büschen hindurch. Mitunter versperrten ihnen große Felsbrocken den Weg, überzogen von wild wuchernden Pflanzen, die sich um die Felsen geklammert hatten. Aasblumen reckten sich ihnen entgegen, und jedesmal zogen die Männer angewidert die Köpfe vor dem verwesenden Geruch ein.

      Hasard versuchte den sprudelnden Bach wiederzufinden, aber er schien auch weiterhin unterirdisch zu verlaufen, denn er tauchte nicht mehr auf. Außerdem bestand der Untergrund jetzt wieder teilweise aus spitzen scharfkantigen Felsen, über die sich schlecht laufen ließ.

      Einmal war Hasard, als höre er einen nachhallenden Gong.

      Er sah Ben an, aber der grinste nur. Dann, beim zweitenmal, erklang der Gong ferner und dumpfer. Man mußte schon genau hinhören, wenn man das Geräusch vernehmen wollte.

      Hatte er sich geirrt? Keiner seiner Leute reagierte, und so ging der Seewolf wieder weiter, nachdem er einmal kurz stehengeblieben war. Vielleicht hatte er sich doch getäuscht.

      Er dachte an das Wasser, das sie nachher holen wollten. Der Profos konnte diese Aktion sofort starten, sobald sich herausgestellt hatte, daß diese Insel nicht bewohnt war.

      „Profos!“ sagte er.

      Keine Antwort.

      Hasard drehte sich um. Carberry befand sich direkt hinter ihm.

      „Mister Carberry!“ rief er scharf.

      Zu seiner großen Verwunderung befand sich der Profos nicht mehr hinter ihm. Er war auch nicht mehr zu sehen.

      „Jetzt soll doch gleich der Teufel ...“ fluchte Hasard.

      Da war wieder dieser merkwürdige dumpfe Gong, den jetzt auch die anderen deutlich vernahmen. Und dazwischen mischte sich – immer lauter werdend– ein unheimliches Pfeifen und Gurgeln.

      Es schien aus den Felsen zu ertönen, nur verfing sich hier kein Wind mehr in ihnen.

      Stumm und bleich sahen die Seewölfe sich an. Der Gong dröhnte weiter, hallende Schläge, die sich nun im gleichen Rhythmus ständig wiederholten.

      „Wo ist der Profos?“ schrie Hasard.

      „Eben war er noch da“, murmelte Dan. „Er ging ein paar Schritte hinter dir her.“

      „Das wird ja immer unheimlicher“, sagte Matt Davies. „Verdammt, diese Insel behagt mir gar nicht mehr. Hier ist alles viel zu perfekt.“

      Zwischen seinen Worten dröhnte immer noch der Gong, dessen dumpfe Töne von überall und nirgends erklangen.

      Der Profos war spurlos verschwunden, von einer Sekunde zur anderen hatte er sich buchstäblich in Nichts aufgelöst.

      Hasard rasten die verrücktesten Gedanken durch den Kopf. Die Indianer hatten eine hinterhältige Taktik entwickelt, wenn Weiße in ihr Revier eindrangen. Den jeweils am Schluß gehenden letzten Mann ließen sie verschwinden oder brachten ihn um.

      Aber das alles hatte sich so lautlos abgespielt, und daher wirkte es auch so unheimlich.

      Hasard legte die Hände an den Mund. Wild sah er sich um.

      „Carberry!“ brüllte er mit seiner Donnerstimme.

      Der unsichtbare Gong hallte pausenlos dazwischen, überlagert von dem Pfeifen und Gurgeln, das aus dem Boden zu dringen schien.

      Immer noch keine Antwort. Hasard zog seine Radschloßpistole und suchte aus schmalen Augen einen unsichtbaren Gegner, den noch keiner gesehen hatte, der sie aber ständig zu belauern schien.

      Die Insel schwieg, nachdem seine Stimme verklungen war. Nur der Gong schlug weiter, von einem Unsichtbaren geschlagen, der sich anschickte ihnen das Grauen beizubringen.

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