Seewölfe - Piraten der Weltmeere 188. Roy Palmer

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 188 - Roy Palmer


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zurück. „Sei still, oder ich schieße dich auf der Stelle nieder. Es steht dir nicht zu, Fragen zu stellen. Es geht keinen was an, was der ‚Hernán Cortés‘ widerfahren ist. Für deine bodenlose Frechheit entschuldigst du dich, du Strolch. Los, bitte mich um Verzeihung!“

      Luke Morgan dachte nicht daran, dies zu tun. Er stand neben der Kuhlgräting, nicht weit von Bob Grey und Sam Roskill entfernt, und wartete nur darauf, daß der Spanier sich eine Blöße gab.

      Hasard zweifelte nicht daran, daß Luke es wagen würde, über die Gräting zu springen und sich auf den Glatzkopf zu werfen. Es war fast soweit. Luke war ein leicht aufbrausender, jähzorniger Typ, der in gewissen Situationen seine Natur nicht bezwingen konnte. Jetzt war er an der Grenze seiner Beherrschung angelangt.

      „Luke“, sagte Hasard. „Halt dich zurück. Sei vernünftig. Du würdest es nie schaffen. Und Philip darf kein Haar gekrümmt werden.“

      „Ist das ein Befehl, Sir?“

      „Natürlich, Luke.“

      „Aye, Sir.“ Luke ballte die Hände zu Fäusten, daß das Weiße an den Knöcheln hervortrat. Er zwang sich dazu, den Spanier nicht mehr anzusehen und um jeden Preis an sich zu halten.

      „Was habt ihr wieder auf englisch zu reden?“ fuhr de Larra sie an. „Ich will kein Wort mehr von eurer verdammten Sprache hören. Ich verbiete euch jede Unterhaltung auf englisch. Sprecht spanisch!“

      „Ich habe diesem Mann die Order gegeben, den Mund zu halten“, sagte der Seewolf in seinem fehlerfreien und nur leicht akzentgefärbten Kastilisch. „Er wird jetzt keine Fragen mehr stellen.“

      „Aber er soll sich bei mir entschuldigen!“

      „Das wird er nie tun“, sagte Hasard.

      „Du da“, wandte sich der Glatzkopf an den dunkelblonden Mann mit den blauen Augen. „Wirst du mich jetzt gefälligst um Vergebung für deine Dreistigkeit bitten?“

      Luke schwieg. Er richtete nur wieder seinen Blick auf den Spanier und schien ihn damit durchbohren zu wollen.

      Totenstille lastete plötzlich über dem Deck der „Isabella“.

      Luke Morgan dachte nicht daran, auch nur noch ein einziges Wort zu sprechen. Er bremste sich und ergriff keinerlei Initiative. Er stand einfach nur da und fixierte kalt den Todfeind.

      Schieß doch, du Satansbraten, dachte er, dann hast du eine Kugel weniger, und vielleicht entwischt Philip junior dir genau in dem Moment, in dem du mich abknallst. Dann bist du geliefert, du Hundesohn!

      Don Mariano José de Larras Überlegungen schienen sich in ähnlicher Richtung zu bewegen. Er feuerte nicht, sondern ließ Ben Brightons Radschloßpistole jetzt sinken. Voll Hohn und Verachtung musterte er Luke Morgan. Dann rief er: „Verfluchter Engländer, du wirst deinen Starrsinn noch bereuen. Heute nacht, auf hoher See, lasse ich jeden Widerstand mit der Neunschwänzigen aus dir herauspeitschen, und dann wirst du mich winselnd um Verzeihung anflehen.“

      Bill hatte de Larras Anordnung Folge geleistet und richtete sich jetzt von den ledernen Stulpenstiefeln des Seewolfs auf.

      Der Spanier wandte den Kopf. „Nun, bist du nicht fündig geworden?“

      „Nein, Senor.“

      „Ich will für dich hoffen, daß du die Wahrheit sprichst. Für dich und für den kleinen Bastard hier.“ De Larra wies mit Bens Waffe auf den Sohn des Seewolfs, während er mit der anderen Pistole unverändert auf Philip juniors Schläfe zielte.

      „Der Kapitän hat kein Messer im Stiefel“, sagte Bill laut und deutlich, und das stimmte auch – leider. Wäre es nämlich der Fall gewesen, dann hätte Bill es im Schaft des Stulpenstiefels belassen und auf diese winzige, letzte Chance alle Hoffnungen gesetzt.

      Aber so – welche Aussichten gab es jetzt noch, den hinterhältigen Spanier durch einen Trick zu überlisten?

      Bill schaute zu Philip junior, der erschüttert und hilflos wie ein Häufchen Elend auf dem Rand der Kuhlgräting hockte, und plötzlich war ihm zum Heulen zumute.

      Der Seewolf richtete seinen Blick nach rechts und konnte über das Steuerbordschanzkleid der Kuhl hinweg gerade noch die Umrisse der „Hernán Cortés“ erkennen. Die Dreimast-Galeone schien noch ein Stück tiefer gesunken zu sein, ihre Masten hatten sich näher zur Wasseroberfläche geneigt. Im Morgengrauen würden wohl nur noch die Mastspitzen aus den Fluten aufragen.

      Die Gestalten seiner Männer am Ufer der großen Bucht waren jetzt beim besten Willen nicht mehr zu erkennen. Aber selbstverständlich waren Big Old Shane, Dan O’Flynn, Blacky und Al Conroy noch dort, und sie mußten auch mitgekriegt haben, welche Tragödie sich an Bord der „Isabella“ abgespielt hatte. Jetzt sahen sie sich vielleicht untereinander bestürzt an und beratschlagten miteinander.

      Verdammt, können wir denn nichts tun? fragte sich Hasard immer wieder. Könnten sich die Männer dort an Land nicht im Schutz der Dunkelheit an die „Isabella“ heranpirschen und heimlich am Heck aufentern?

      Aber Shane, Dan, Blacky und Al hatten ja nicht einmal ein Boot zur Verfügung, mit dem sie zu ihrem Schiff übersetzen konnten. Und wenn sie es schwimmend zu erreichen versuchten, konnte es sein, daß de Larra ihnen zuvorkam, mit der „Isabella“ ankerauf ging und ihnen vor der Nase davonsegelte.

      Dan O’Flynn hatte die besten Augen von allen Männern, die auf der „Isabella“ fuhren, aber im Dunkeln konnte auch er jetzt nichts mehr erkennen. Er schob seinen Messingkieker zusammen, steckte ihn sich hinter den Gürtel und sagte zu den drei Kameraden, die mit ihm auf dem breiten Sandstrand der Nordbucht standen: „Es scheint wirklich so zu sein, wie wir schon vermutet haben. Wir sind um Minuten zu spät eingetroffen. De Larra, dieser Hund von einem Spanier, hat Hasard überwältigen können. Wie, das weiß der Henker. Aber er hat’s geschafft und ist mit dem Seewolf an Bord unserer alten Lady gegangen.“

      „Die zwei Schüsse, die gefallen sind, stammten aus Hasards Reiterpistole“, stellte Al Conroy nachdrücklich fest. „Ich bin da völlig sicher, denn so einen Klang hat nur die Doppelläufige.“

      „Aber es war nicht Hasard, der gefeuert hat“, sagte Shane. „Der Spanier muß ihm die Pistole abgenommen haben und …“

      „Aber warum hat der Dreckskerl geschossen?“ unterbrach ihn Blacky. „Warum nur?“

      „Unsere Kameraden haben Widerstand geleistet“, murmelte Al. „Doch offenbar hat’s ihnen wenig eingebracht. Dan, du hast doch deutlich genug gesehen, wie sie plötzlich alle stocksteif dastanden, oder? Du hast dich nicht getäuscht, nicht wahr?“

      „Leider nicht.“

      „Die beiden Kugeln aus der Doppelläufigen – zum Teufel, sind die ins Leere gegangen oder was ist eigentlich passiert?“ stieß Big Old Shane hervor. „Mann, mir wird immer scheußlicher zumute, wenn ich daran denke, was …“

      „Hör auf“, schnitt Dan ihm das Wort ab. „Es hat keinen Zweck, Vermutungen anzustellen. Wir haben nicht sehen können, ob einer von unserer Crew verletzt worden ist. Wie auch immer, die ‚Isabella‘ befindet sich in der Gewalt des verteufelten Spaniers, und wir müssen zusehen, daß wir sie ihm wieder entreißen.“

      „Auf was warten wir noch?“ zischte Al. „Wir haben zwar kein Boot, weil der Spanier und Hasard die Jolle der spanischen Galeone benutzt haben, aber das kann uns nicht aufhalten. Schwimmen wir!“

      „Und die Flaschenbomben?“ fragte Blacky. „Und unsere Schußwaffen? Die werden im Wasser unbrauchbar. Allein mit unseren Entermessern sind wir dem Satanskapitän de Larra glatt unterlegen. Der kann mit den Pistolen und Musketen, die er auf der ‚Isabella‘ vorfindet, ein Zielschießen auf uns veranstalten.“

      „Basteln wir ein kleines Floß“, schlug Shane vor. „Wir legen unsere Waffen darauf und schieben es vor uns her.“

      Blacky schüttelte den Kopf. „Entschuldige, wenn ich dir widerspreche, Shane, aber das dauert viel zu lange. Bis wir etwas Treibholz zusammengetragen haben, aus dem sich so


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