Seewölfe Paket 10. Roy Palmer

Seewölfe Paket 10 - Roy Palmer


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ich glaube, spielt keine große Rolle“, rief Hasard nicht weniger laut zurück. „Wir müssen mit allem rechnen, vor allem damit, daß wir seit unserem Aufkreuzen beobachtet worden sind.“

      „Ja, aber …“

      „Ed!“ brüllte Shane seinem Nebenmann Carberry direkt ins Ohr. „Du weißt doch, was für nette Überraschungen wir auf Inseln schon erlebt haben. Was fragst du da noch groß?“

      „Ich will nur wissen, wie wir uns verhalten sollen!“ schrie der Profos dem ehemaligen Schmied und Waffenmeister von Arwenack Castle mitten ins Gesicht.

      Shane wischte sich mit dem Handrücken durchs Gesicht und zerdrückte einen Fluch auf den Lippen. War das nun der Gischt der Brandung oder Carberrys feuchte Aussprache gewesen, die ihm entgegengesprüht war?

      „Wenn man uns angreift, dann feuern wir zurück!“ rief der Seewolf. „Und zwar schießen wir nicht nur zur Warnung in die Luft, verstanden? Wir haben es mindestens mit einem ebenbürtigen, wahrscheinlich aber mit einem haushoch überlegenen Gegner zu tun, der gnadenlos seinen Vorteil ausnutzt. Wir werden uns nicht wie die Hasen abknallen lassen.“

      Er sprach nicht weiter, denn eine neue Woge bemächtigte sich der Jolle, hob sie hoch, brachte sie fast zum Kentern und trug sie in pfeilschneller Fahrt dem hellgelben Sandstrand entgegen. Die Männer setzten mit dem Pullen aus, hielten sich fest und achteten darauf, daß ihre Waffen nicht naß wurden.

      Das Boot wackelte bedrohlich. Carberry und Ferris Tucker fluchten fast gleichzeitig. Ein Ruck lief durch die Jolle, dann saß sie auf dem Strand fest, und ein rauschender Gischtregen ging auf den Duchten und dem Dollbord nieder.

      Hasard war als erster mit einem Satz aus dem Boot, lief durch schäumendes Flachwasser an Land und sicherte mit der Doppelläufigen zum Dorf hinüber. Sie waren keine zwanzig Schritte von dem am weitesten südlich gelegenen Pfahlbau entfernt gelandet.

      Als er glaubte, daß zwischen den Hütten kein Gegner auf sie lauerte, winkte er seinen Männern zu. Sie hatten die Jolle ebenfalls verlassen, packten jetzt an und schoben sie weiter auf den Strand, so daß sie von der Brandung nicht fortgespült und abgetrieben werden konnte.

      Carberry, Ferris, Shane, Dan und Batuti hatten sich mit Tromblons und Pistolen bewaffnet. Shane und der Gambia-Mann trugen zusätzlich Pfeil und Bogen bei sich, und der Schiffszimmermann hatte zwei Flaschenbomben aus dem umfangreichen Arsenal der „Isabella“ in die Taschen seiner Hosen gestopft. Der Seewolf hingegen hatte nur seine Reiterpistole und einen schweren Cutlass mit vergoldetem Handkorb mitgenommen.

      Wieder gab der Seewolf seinen Männern einen Wink, dann rückte er an der Spitze des kleinen Trupps auf die Palmen und das Uferdickicht zu. Gut dreißig, vierzig Yards Sandstrand waren zu überqueren, ehe sie unter den fächerartigen Wipfeln der Palmen in das Gebüsch tauchen konnten. Auf dieser Strekke, die es nun zu überbrücken galt, befanden sie sich für eventuell im Gebüsch verborgene Heckenschützen wie auf einem Präsentierteller.

      Dan O’Flynn drehte sich kurz zur „Isabella“ hin um. Ben hatte sie näher an den Strand herandümpeln lassen, indem er nur die Fock und die Blinde hatte setzen lassen. Er war dem Strand somit nahe genug, um auch „einer Mücke ein Auge ausschießen zu können“, wie Al Conroy zu sagen pflegte, aber jede Schützenhilfe der Kameraden auf dem Schiff erfolgte zu spät, wenn plötzlich vom Dickicht aus das Feuer auf die Landgänger eröffnet wurde.

      Hasard strebte voran. Er begann leicht zu schwitzen. Dies war der gefährlichste Moment in dem Unternehmen, auf das er sich eingelassen hatte. Sie riskierten alle sechs, dabei draufzugehen.

      Wo war das Mädchen? Er konnte sie nicht mehr schreien hören. Auch das Fluchen und Brüllen der drei Verfolger, die er nur allzu deutlich durch sein Spektiv beobachtet hatte, war verstummt und geschossen wurde nicht mehr. Was hatte das zu bedeuten? Hatten sie das Mädchen gefangen? Fielen sie in diesem Augenblick wie die Wölfe über sie her?

      Er zwang sich, nicht daran zu denken.

      Konzentriert richtete er seinen Blick auf das Dickicht, das jetzt näher und näher rückte.

      Plötzlich sah er zwischen den Blättern etwas blinken, etwas Mattes, Metallenes.

      „Hinlegen“, stieß er heiser aus, „’runter mit euch!“ Dann ließ er sich selbst fallen und streckte die Rechte mit der Doppelläufigen vor.

      Im Gebüsch blitzte es grellgelb auf, dann war das Krachen zu vernehmen, das so typisch für eine Schußwaffe war, und die Kugel raste heran.

      3.

      Louis hatte seine Schnapphahnschloß-Pistole vom Boden aufgelesen und war Alewa nachgestürmt. Er hatte keine Zeit, die Waffe nachzuladen, wollte sie sich aber zumindest in den Gurt stecken, um sie später nicht auf dem Batatenfeld suchen zu müssen.

      Vom Rand der Terrasse aus konnte er gerade noch sehen, wie das Mädchen sich gut fünf, sechs Yards unter ihm aufraffte und die Flucht fortsetzte.

      Drecksstück, verdammtes, dachte er, ich hatte gehofft, es würde dir das Genick brechen. Aber so ist es besser – ich kann dich lebend fassen und noch aus dir herausprügeln, wo die anderen stecken.

      Er setzte sich auf den Abhang, gab sich einen Ruck und schlitterte auf dem Hosenboden nach unten.

      „Louis, warte auf uns“, hörte er über sich noch Marcels keuchende Stimme.

      „Mann, was ist denn bloß los mit dir, wieso hast du sie wieder losgelassen?“ rief Richard.

      Louis kümmerte sich nicht weiter um sie. Er war viel zu wütend darüber, daß das Mädchen ihm entschlüpft war, wollte jetzt nicht mit seinen Kumpanen darüber debattieren und hatte überdies auch die Befürchtung, die Polynesierin würde sie nun endgültig überlisten und spurlos im Dickicht verschwinden.

      Dieses Dickicht zog sich zwischen dem Fuß der Hügel und dem Pfahldorf wie ein breiter grüner Teppich dahin, stieg dann links und rechts der künstlich angelegten Terrassen auf und säumte die Felder. Wie eine einzige Moosfläche schmiegte es sich an die Hänge und ging später in dichten tropischen Regenwald über, der erst an der Vegetationsgrenze der Berge endete.

      Louis langte auf der Terrasse an und lief geduckt auf seinen nackten Fußsohlen über die gehackte und bepflanzte Fläche. Er befand sich jetzt auf dem untersten Plateau, und dieses brach mit einem Hang ab, der nur etwa halb so hoch wie die anderen war. Alewa sprang soeben auf diesen Hang hinunter und entzog sich Louis’ Blick. Er fluchte und beschleunigte seine Schritte. Unten am Hang begann das Dickicht. Wer würde das Mädchen dort noch wiederfinden?

      Im Voranstürmen warf Louis noch einmal einen Blick auf die Dreimast-Galeone, die inzwischen in die Bucht eingelaufen war. Natürlich hatten Richard, Marcel und er das Schiff von den Hügeln aus sehr gut beobachten können, seit es die im Süden liegende Landzunge umrundet hatte, und sie hatten sich auch die Frage gestellt, was das wohl für ein Schiff sei, welcher Herkunft die Besatzung war und welche Absichten der Kapitän haben mochte. Dann aber hatte Louis die leise Stimme des Mädchens aus dem Gebüsch vernommen. Alewa hatte sich durch ihre Unachtsamkeit selbst verraten, und die weitere Zeit war durch die Jagd der drei Piraten auf das Mädchen ausgefüllt gewesen.

      Louis konnte gerade noch die Masten der Dreimast-Galeone über den Palmenwipfeln sehen, alles andere wurde durch die Baumstämme und das Gebüsch verdeckt. Louis war jetzt sicher, daß die Mannschaft des Schiffes hier, am Ufer der Bucht, landen wollte, vielleicht, um nach den Bewohnern des vernichteten Dorfes zu forschen. Er verfluchte die fremde Crew und die Neugierde ihres Kapitäns, rechnete aber damit, daß die zwei Männer, die er als Bewacher des Dorfes im Ufergestrüpp zurückgelassen hatte, den Unbekannten einen gebührenden Empfang bereiten würden.

      Louis erreichte den Terrassenrand und blickte in das Dickicht hinunter, konnte von Alewa aber nichts mehr entdecken. Sie schien sich in Luft aufgelöst zu haben.

      Er stieß ein paar lästerliche Verwünschungen aus. Das, was er hatte vermeiden wollen, war eingetreten.

      Doch


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