Seewölfe Paket 10. Roy Palmer

Seewölfe Paket 10 - Roy Palmer


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der Henker. Und was hat er zu mir gesagt?“

      „Dan!“ rief Shane. „Hast du verstanden, was der Kerl hier unserem Profos an den Kopf geschmissen hat?“

      „Ja“, tönte Dans Stimme aus dem Dickicht zurück. „Er könne ihn mal kreuzweise, hat er gesagt.“

      Carberry senkte das Haupt, beäugte den Bewußtlosen wütend und sagte: „Darüber unterhalten wir uns noch ausführlich, wenn du wieder bei dir bist, Freundchen. Dan O’Flynn, der ja ein paar Brocken Französisch kann, wird dann den Dolmetscher spielen. Nicht wahr, Dan, das wirst du doch, was?“

      „Ich kann meinem Freund Carberry doch so eine Bitte nicht abschlagen“, erwiderte Dan O’Flynn, aber der Profos überhörte glatt den spöttischen Unterton, den seine Stimme dabei hatte.

      „Sir!“ rief Batuti ins Dickicht. „Was ist mit anderes Mann, Sir?“

      „Den hat es voll erwischt“, gab der Seewolf zurück. „Der wird nie wieder auf jemanden schießen können. Die Kugel hat seine Brust getroffen. Batuti!“

      „Sir?“

      „Du fesselst den Ohnmächtigen und paßt auf ihn auf. Wir anderen setzen jetzt unseren Weg fort und suchen das Mädchen. Hoffentlich kommen wir nicht schon zu spät.“

      Wie eine Bestätigung seiner schlimmsten Befürchtungen drang in diesem Moment wieder ein heller, in höchster Angst ausgestoßener Schrei an ihre Ohren – der Schrei eines Mädchens.

      Louis war den schätzungsweise zwei Yards hohen Hang hinabgesprungen, war im Dickicht gelandet und hetzte hinter der aufspringenden Alewa her, als am Strand in rascher Folge die Schüsse krachten. Er schlug die Zweige und Blätter mit den Händen auseinander und paßte auf, daß er sich nirgends mit den Füßen verfing oder über eine Wurzel stolperte. Er war ihr dicht auf den Fersen und konnte sie zwischen den wippenden Zweigen laufen sehen.

      Dann strauchelte sie plötzlich. Louis holte auf, der Vorsprung, den Alewa eben noch gehabt hatte, schrumpfte auf ein Nichts zusammen. Ehe sie ihren drohenden Sturz abfangen und sich wieder aufrichten konnte, war der Pirat über ihr, warf sie zu Boden, kniete sich auf sie und hielt ihre Arme fest, so daß sie ihn diesmal nicht kratzen konnte. Alewa lag dieses Mal außerdem auf dem Bauch und hatte von vornherein keine Chance mehr, sich aus Louis’ Gewalt zu befreien.

      Er versetzte ihr einen Schlag und beschimpfte sie. Die Tränen standen ihr in den Augen, aber es waren Tränen der Wut. Die Verzweiflung hatte ihr mehr Mut verliehen, Zorn und Haß hatten über die Angst gesiegt. Wenn sie nur eine winzige Möglichkeit hatte, ihn abzuschütteln, dann nahm sie sie auch wahr.

      Louis spürte ihren geschmeidigen, warmen Körper unter sich, und plötzlich fühlte er unbändiges Verlangen in sich aufsteigen. Er schob seine linke Hand auf ihre Hüfte und begann, an ihrem dunkelroten Rock herumzunesteln. Sein Atem ging schnell und stoßweise.

      „Louis!“ Das war Marcel. Er mußte jetzt ebenfalls im Dickicht sein.

      „Louis, wo steckst du?“ rief nun auch Richard.

      Louis antwortete ihnen nicht. Er wollte mit dem Mädchen allein sein und seinem übermächtigen Trieb freien Lauf lassen.

      Aber dann bremste ihn doch etwas. Am Strand wurde jetzt nicht mehr geschossen, aber der Schrei eines Mannes tönte herüber. Louis erkannte seine Stimme wieder. Das war einer der Kumpane, die dort das Dorf und den Strand hatten bewachen sollen.

      Der Schrei verstummte. Andere Stimmen riefen sich etwas zu, mehrere Männer unterhielten sich auf englisch. Louis wußte jetzt, daß der kurze, heftige Kampf nicht zugunsten seiner Kumpane ausgefallen war.

      Alewa schrie plötzlich gellend auf. Louis schlug sie noch einmal und zischte: „Sei still! Wirst du wohl ruhig sein! Du holst uns die Hundesöhne noch auf den Hals.“

      „Louis“, sagte Marcel dicht hinter seinem Rücken. „Teufel, hast du das gehört? Das sind englische Bastarde, wenn mich nicht alles täuscht. Hölle, sie scheinen Jean und Luc überrumpelt zu haben.“

      „Ja.“

      „Louis, warum hast du dich denn nicht gemeldet?“ rief Richard, der jetzt – von dem Schrei des Mädchens angelockt – ebenfalls auftauchte. „Parbleu, in was für einen Schlamassel sind wir da bloß geraten?“

      „Ich hole die anderen“, sagte Marcel. „Die haben die Schüsse ohnehin gehört und sind hierher unterwegs, um nach dem Rechten zu sehen. Wir brauchen Verstärkung, Louis, um mit der Drecksmannschaft dieses elenden Schiffes fertig zu werden.“

      „Gut“, meinte Louis. „Richard und ich, wir verstecken uns solange mit dem Luder hier im Dickicht. Wir müssen bloß den Standort wechseln, sonst haben wir sie gleich alle auf dem Pelz. Richard, stopf diesem Hurenstück das Maul, damit sie nicht wieder losschreien kann.“

      „In Ordnung“, sagte Richard, während Marcel sich bereits zurückzog. Er riß einfach einen Fetzen Stoff von seinem Hemd los, knüllte es zusammen und steckte es Alewa zwischen die Zähne, als der Kumpan sie hochzerrte und vor ihm festhielt.

      „Komm“, flüsterte Louis seinem Begleiter zu. „Wir verstecken uns und belauern diese dreckigen Hurensöhne. Wenn Marcel mit den anderen zurückkehrt, gibt es einen Feuerzauber, der sich sehen lassen kann, das schwöre ich dir.“

      Er zerrte Alewa durch das Dickicht mit sich fort. Richard folgte den beiden.

      4.

      Der Seewolf hastete seinen Männern voran und trieb mit dem Cutlass einen Weg in das Dickicht. Er strebte auf die Hügel zu, orientierte sich an dem Schrei, den das Mädchen zuletzt ausgestoßen hatte, rechnete aber auch damit, daß er sie an jenem Platz nicht mehr antreffen würde. Wenn die Piraten sie noch nicht gefaßt hatten, würde sie bestimmt weiterhin in panischer Flucht durch das Gebüsch irren.

      Und wenn die Kerle sie schon gepackt hatten? Was war dann?

      Hasard drosch mit dem Cutlass auf das Gestrüpp ein und fühlte sich von dem wütenden, unerbittlichen Drang beseelt, die Freibeuter zu stellen und vor die Klinge zu holen.

      Französische Piraten also – welcher Teufel hatte sie geritten, auf Hawaii zu landen und das Paradies zu zerstören? Hier gab es an Schätzen nichts zu holen, nichts zu heben, hier gab es eigentlich nichts, weswegen man längere Zeit verweilen konnte, es sei denn, man war ein Schöngeist wie Thomas Federmann, der sich mit seinem Leben dieser exotischen Welt verschrieben hatte.

      Die Frauen und Mädchen! War es das? Waren die Kerle nur hierhergekommen, um sich austoben zu können und sich die Polynesierinnen eine nach der anderen vorzunehmen? Nein, das war zu ungeheuerlich. Hasard wagte nicht, den Gedanken weiterzuführen.

      Er war jetzt ungefähr an dem Punkt angelangt, an dem er den Schrei des Mädchens gehört hatte. Er blieb stehen und senkte den Cutlass. Hinter ihm rückten Carberry, Shane, Ferris und Dan auf.

      Batuti war Hasards Anordnung gemäß bei dem toten und dem bewußtlosen Piraten geblieben.

      Hasard drehte sich zu seinen vier Männern um und raunte ihnen zu: „Es hat keinen Zweck, daß wir so weitersuchen. Wir schwärmen jetzt aus und sehen zu, daß wir uns so leise wie möglich bewegen. Ich habe mit dem Cutlass schon zuviel Lärm gemacht.“

      „Ist gut“, flüsterte Dan O’Flynn. „Das heißt also, wir pirschen wie die Indianer weiter?“

      „Ja.“

      „Besteht nicht die Gefahr, daß wir uns aus den Augen verlieren und dann gegenseitig über uns herfallen?“ wisperte der Profos. Es fiel ihm sichtlich schwer, so leise zu sprechen.

      „Ed“, raunte der Seewolf so eindringlich wie möglich. „Es bleibt unserem Können überlassen, daß das nicht geschieht. Verstehst du mich? Ehe wir handeln, müssen wir uns genau vergewissern, daß wir auch wirklich den Gegner vor uns haben.“

      Alle vier nickten, sogar Dan verkniff sich diesmal eine Bemerkung, die er


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