Seewölfe - Piraten der Weltmeere 64. Fred McMason

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 64 - Fred McMason


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ich auch keinen Grund dazu. Aber jetzt sollen Sie es erfahren, Madame!“

      Ihre Augen blitzten zornig. Ihre kleinen weißen Zähne nagten an der Unterlippe.

      „Hören Sie mit dieser ‚Madame‘ auf, ich kann es nicht mehr hören.“

      Der Boston-Mann stand unbeteiligt dabei. In seinem kühn geschnittenen Gesicht zuckte kein Muskel. Nur einmal streifte der Blick seiner dunklen Augen hastig den Seewolf.

      Hasard erklärte ihr die Lage des unterirdischen Tempels und berichtete von den Kavernen und Irrgängen, die sie entdeckt hatten. Als er endete, war sie total überrascht.

      „Davon wußte ich wirklich nichts. Aber es scheint ein ideales Versteck zu sein. Ich schlage vor, wir lagern die Beute dort gemeinsam.“

      „Genau das wollte ich auch vorschlagen“, entgegnete Hasard. „In den Kavernen steigt und fällt das Wasser im selben Rhythmus wie in der Bucht. Niemand kann dort eindringen, der Schatz ist absolut sicher gelagert und der Tempel selbst ist so angelegt, daß er auch bei hoher Flut nicht voll-läuft.“

      „Ich hatte noch ein anderes Versteck“, sagte sie nachdenklich. „Es liegt auf der südlichen Seite, eine natürliche Höhle in den Klippen. Aber der Weg dorthin ist beschwerlich und lang. Daher halte ich Ihr Versteck für besser!“

      „Ich auch“, meinte Hasard.

      „Seien Sie nur nicht so überheblich“, fauchte sie. Es war erstaunlich, wie schnell sie sich über etwas ärgern konnte, und wie schnell sie wieder zur sanftmütigen Katze wurde.

      „Schließlich haben Sie den Tempel nur durch Zufall entdeckt.“

      „Aber immerhin entdeckt.“

      Sie stieß zischend die Luft aus. Ihre Brüste unter der roten Bluse hoben und senkten sich vor Ärger, daß Hasard immer das letzte Wort behielt.

      Aus diesem sonnenverbrannten, verwegenen Kerl wurde sie ohnehin nicht ganz schlau. Eine starke Faszination ging von diesem Seewolf aus, der sie sich nicht entziehen konnte. Doch er blieb immer kühl und distanziert. Lag es nur daran, daß er verheiratet war? Sie hatte es erfahren, auch daß Hasard Vater von Zwillingen war, die er nur kurze Zeit gesehen hatte.

      Sie warf ihm einen langen, nachdenklichen Blick zu. In ihren schwarzen Mandelaugen lag wieder das verhaltene Feuer. Noch einmal versuchte sie, seinen Blick festzuhalten, doch Hasard wich ihr aus und blickte zum Strand hinüber.

      „Wir stapeln die Beute zuerst am Strand“, sagte er, „und dann bringen wir sie in die Felsen hoch. Bis wir alles versteckt haben, wird der ganze morgige Tag vergehen. Es ist verdammt viel.“

      „Ja, es ist verdammt viel“, gab sie lächelnd zu. „Ohne Sie und Ihre Männer hätte ich nicht ein Zehntel der Beute erwischt. Und ohne Sie wäre dieser Hurensohn Caligu immer noch am Leben“, fügte sie leiser hinzu. „Sie haben viel für mich getan, Hasard.“

      Sie trat einen Schritt näher an den Seewolf heran. Hasard sah, wie sie schneller atmete, wie sich ihr Blick in seinen Augen festbrannte. Die Kleine war wirklich das Pulverfaß, dachte er. Und es würde eine verdammt heiße Explosion werden.

      Abrupt wandte er sich um. Er sah das mißtrauisch verzogene Gesicht des alten O’Flynn, der mißbilligend herüberstarrte und der Roten Korsarin einen wütenden Blick zuwarf. Er sah aber auch die anderen Gesichter seiner Leute.

      Stenmark grinste hinterhältig, Ben Brighton verkniff sich das Grinsen nur mühsam, Batuti zeigte seine schneeweißen Zähne, und Matt Davies kratzte sich mit seinem Haken, der seine fehlende rechte Hand ersetzte, über die Bartstoppeln.

      Bob Grey und Jeff Bowie stießen sich heimlich an.

      „Mann, hat die Kleine Feuer gefangen“, raunte Bob. „Die bringt hier noch alles durcheinander. Die ist auf Hasard schärfer als ihr Degen, sage ich dir!“

      „Du hast vielleicht dämliche Vergleiche“, knurrte Jeff. „Schärfer als ihr Degen – du spinnst wohl?“

      „Ich hab das auch anders gemeint, du Hornochse. Was verstehst du schon von Liebe!“

      Siri-Tong warf einen letzten Blick auf Hasard, dann wandte sie sich an den Boston-Mann, der bisher noch kein Wort gesprochen hatte.

      „Wir beginnen ebenfalls mit dem Ausladen. Wir fahren zurück!“

      Die Männer warfen ihr begehrliche Blicke nach, als sie über das Schanzkleid stieg und ins Boot kletterte.

      Stenmark und Luke Morgan lösten umständlich das Tau und behinderten sich gegenseitig, bis der Profos wieder einschritt, der mit in die Seiten gestemmten Fäusten schon eine ganze Weile zusah. Auf seiner Stirn schwoll die Zornesader.

      „Was glotzt ihr Affenärsche ständig in das Boot, was, wie? Und weshalb kriegt ihr das Tau nicht los, he? Verzieht euch, ihr verlausten Hurenböcke, wenn ihr weiterhin so glotzt, hat das Mädchen in einer halben Stunde keine Brüste mehr! Ab mit euch!“

      „Na, das kann ja heiter werden“, sagte Ben Brighton. „Wenn die sich noch öfter hier blicken läßt, fängt bald das ganze Schiff an zu brennen.“

      Da war etwas Wahres dran, überlegte Hasard besorgt. Siri-Tongs Crew zeigte sich zeitweilig leicht aufsässig. Anzügliche Bemerkungen waren an der Tagesordnung. Und bei den Seewölfen war es nicht viel anders. Überall wurde sie angestarrt, mit begehrlichen Blicken verfolgt und regelrecht mit den Augen ausgezogen und verschlungen.

      Kein Wunder! Eine einzige Frau unter einer Horde wilder, verwegener Kerle. Das konnte auf die Dauer nie gut gehen!

      Hasard fragte sich, ob die Arbeit, die ihnen bevorstand, die Kerle wenigstens auf andere Gedanken bringen würde.

      Die Laderäume waren geöffnet. Hasard sah sich noch einmal um.

      Nein, die „Isabella“ hätte nicht mehr unterbringen können. Sie war bis an die Halskrause beladen.

      Überall türmten sich Silberbarren. Auf der Backbordseite lagen in langen und hohen Reihen Barren aus reinstem Gold. Dazu kamen die Truhen mit den Perlen und anderen Kostbarkeiten.

      Ein Schatz von unermeßlichem Wert.

      Dann begann das Ausladen. Die ersten Barren wurden an Deck gehievt und von dort aus in die Boote verladen.

      Als das erste Boot beladen war, legte Ferris Tucker ab und pullte es mit zwei anderen Männern zum Strand hinüber. Dort wurde das Silber wieder abgesetzt.

      Stunde um Stunde verging. Barren um Barren wurde an Land gebracht und aufgestapelt. Schon bald lag ein unermeßlicher Schatz in dem feinen weißen Sandstrand.

      Auch Siri-Tongs Männer pullten mit wertvoller Fracht an den Strand, fluchten, schrieen sich gegenseitig an, brüllten sich die Kehlen heiser. Sie wühlten gierig in den Schätzen.

      Tucker sah zu ihnen hinüber und schüttelte den Kopf.

      „Die reinsten Narren“, sagte er zu Dan. „Die Kerle sind vor lauter Gier halb verrückt. Sieh nur, jetzt werfen sie auch noch mit den Silberbarren herum!“

      Dans Gesicht war verkniffen, als er entgegnete: „Mir gefällt das alles nicht, Ferris. Diesen lausigen Bastarden traue ich nicht über den Weg, und der Korsarin erst recht nicht.“

      „Du meinst, sie ist nicht ehrlich?“

      „Doch, das ist sie“, gab Dan widerwillig zu. „So meine ich es ja auch nicht. Es ist etwas anderes.“

      „Du meinst, weil sie Hasard schöne Augen hinwirft?“

      „Ja“, fluchte Dan, „und das gefällt mir überhaupt nicht. Immerhin ist Hasard mein Schwager, und dieses Weib kriegt ihn noch herum, darauf möchte ich wetten.“

      „Ach so ist das“, sagte Ferris. „Hasard blieb bis jetzt aber immer kühl und zurückhaltend, oder ist dir das noch nicht aufgefallen?“

      Dan gab keine Antwort. Er schmiß die Silberbarren in den Sand und sah erst dann auf, als sich einer aus Siri-Tongs


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