Seewölfe - Piraten der Weltmeere 461. Fred McMason

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 461 - Fred McMason


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blickten, sahen sie die Schaumwirbel und Untiefen des Riffs. Immer wieder schäumte es dort auf, und kleine Wellen erschienen wie aus dem Nichts.

      Diese korallengespickte Bank der Insel zog sich bis zur südwestlichen Spitze der Halbinsel hin. Hier kam niemand durch, bestenfalls bei Flut eine Jolle. Das langgestreckte Korallenriff verhinderte auf natürliche Weise, daß Schiffe näher an das Land herangehen konnten. Es war eine unüberwindliche Barriere aus rasiermesserscharfen Dolchen und Sägezähnen.

      Sie pullten ein paar Schläge nordwärts und sahen sich um. Roger Lutz lotete erneut Tiefe. Diesmal waren es elf Faden mit immer noch sandigem Untergrund.

      An der Nordseite der Bucht war der Strand flach, während er auf der Südseite, gebildet durch die Halbinsel, etwas steiler war. Auch die Ostseite, die sich der See zukehrte, war steiler.

      Hier wehte nur noch ein kaum spürbares Lüftchen, das nicht einmal das Focksegel zum Killen brachte. Immer noch hing es faltig und fast unbeweglich am Mast.

      Die Männer sahen sich an und grinsten. Sekundenlang herrschte eine fast andächtige Stille. Jeder begutachtete das Plätzchen, das so verlockend schien.

      Hesekiel Ramsgate rieb sich die Hände. Sinnend sah er über das Wasser zum Strand.

      „Das wäre doch etwas für uns, meint ihr nicht auch?“ fragte er. „Die Bucht bietet Platz für alle Schiffe des Bundes, die Wassertiefe ist mehr als ausreichend, und als Ankergrund haben wir feinen Sand, den man sogar von der Jolle aus erkennen kann.“

      Hesekiel Ramsgate sprach damit genau das an, was Hasard schon geplant hatte: nämlich hier oben nach einem Stützpunkt zu suchen, einem Ersatz für die untergegangene Schlangen-Insel.

      „Ja, das wäre ein feiner und idealer Platz“, meinte Ribault nachdenklich, wobei er immer noch in die Runde blickte.

      „Hier ließe sich auch gut aufslippen“, sagte Old Ramsgate mit einem feinen Lächeln. „An den mächtigen Kiefern könnte man zum Beispiel schwere Taljen anschlagen. Das Schiff dann auf den Nordstrand zu ziehen und abzupallen ist ebenfalls kein Problem.“

      Don Juan und Roger Lutz waren von diesem „Plätzchen“ ebenfalls total begeistert. Roger Lutz stierte ins Wasser und zeigte immer wieder auf Langusten, die sich verzerrt durch das Wasser spiegelten.

      „Hier sitzen die Viecher massenweise“, sagte er, „da brauchen die Frauen erst gar nicht lange zu suchen. Man kann sie einfach mit Keschern vom Grund holen.“

      „Kehren wir um und erzählen es den anderen“, sagte Don Juan. „Ich denke, sie werden ebenso begeistert sein wie wir. Auch Hasard wird später angenehm überrascht von unserer Entdeckung sein.“

      „Dann laßt uns mal zum Wind pullen, damit wir die Neuigkeit verbreiten können“, sagte Ribault, der es jetzt plötzlich sehr eilig hatte.

      Sie pullten bis zu jener Stelle, wo der Nordostwind wieder einsetzte.

      Der Wind fuhr in die beiden Segel und blähte sie. Mit rascher Fahrt ging es zurück, bis sie wieder bei den anderen waren.

      Ribault und Don Juan berichteten dem interessiert lauschenden Renke Eggens und dem ebenfalls neugierig zuhörenden Oliver O’Brien von der Abgeschiedenheit und Ruhe der Bucht. Da läge man auch nicht wie hier auf dem Präsentierteller, sondern sei vor allen neugierigen Blicken absolut geschützt.

      „Dann sollten wir sofort in jene Bucht verholen“, schlug Renke Eggens vor.

      O’Brien, der kein Freund vieler Worte war, nickte ebenfalls.

      „Verholen wir“, sagte er, „es ist ja nicht weit.“

      Noch am Vormittag war alles erledigt. Innerhalb kurzer Zeit hatten alle Schiffe in die schützende Cherokee-Bucht verholt und gingen vor Anker.

      Die „Golden Hen“ ankerte dicht unter dem Nordufer, an jener Stelle, wo sie auf den flachen Strand gezogen werden sollte.

      Der Platz war gut zum Aufslippen, daran gab es nichts zu bemängeln. Er war geradezu ideal. Aber Jean Ribault war von der ganzen Angelegenheit trotzdem nicht sehr begeistert. Das alles würde einige Tage dauern.

      „Halb so schlimm“, sagte Hesekiel wieder, der Jean Ribaults unmutiges Gesicht sah. „Bis heute nachmittag sind wir mit den gröbsten Arbeiten fertig. Ich denke, daß wir morgen etwa um die gleiche Zeit das Schiff auf den Strand ziehen können.“

      „Dein Wort in Gottes Ohr“, brummte Jean. „Schließlich müssen wir die Karavelle auch noch abpallen, und dazu brauchen wir Pallhölzer. Bis wir die gesägt haben …“

      „Haben wir doch alles an Bord, Jean. Wir haben zwei Holzladungen nach Deutschland in Havanna gestaut. Die angeblich nach Deutschland gehen sollen“, sagte Hesekiel sanft. „Wir schlagen ein paar schwere Taljen am Bug der Karavelle an und ziehen sie zu den breitstämmigsten Kiefern Hinüber. Aber vorerst leichtern wir das Schiff und nehmen alles von Bord. Die anderen haben ihre Beiboote schon abgefiert und werden alle kräftig mit anpacken.“

      Jean Ribault sah zu den Kiefern hinüber. Da gab es eine, die ganz besonders ins Auge fiel, eine sehr hohe Kiefer, die auf einem Hügel der Halbinsel stand. Sie hatte eine dichte und breit gefächerte Krone.

      „Bevor wir anfangen“, sagte Jean, „sollten wir einen Ausguck einrichten. Ich denke dabei an die Kiefer dort drüben. Dort kann ein Mann bequem in der Krone sitzen und Ausschau halten, ohne daß er selbst gesehen wird. Das könntest du für die ersten paar Stunden übernehmen, Roger“, sagte er. „Grand Couteau kann dich später ablösen, aber der Ausguck ist wichtig, dafür müssen wir zuallererst sorgen.“

      „Ich möchte wetten“, sagte Roger nachdenklich, „daß uns die anderen Kameraden nicht einmal sehen, wenn sie hier vorbeisegeln, so gut geschützt sind wir von der Halbinsel.“

      Kurz darauf brachte ihn eine Jolle zum Strand. Er war mit einem Spektiv bewaffnet und stieg in die Kiefer, wo er es sich in der breiten Krone gemütlich einrichtete und seinen Posten bezog. Von hier aus konnte er alles überblicken und war selbst vor den Blicken anderer vorzüglich geschützt.

      Mit den Arbeiten wurde auf der „Golden Hen“ auch sogleich begonnen, nachdem alle Schiffe ihre Jollen abgefiert hatten.

      Als Roger Lutz seinen Ausguck bezogen hatte, begann man damit, die Schatzbeute der beiden Schnapphähne Caspicara und Flores auszuladen und an Land zu bringen. Die Männer von O’Brien und Renke Eggens kamen mit den Jollen längsseits und brachten Truhen, Kisten und Fässer an Land.

      Mit einer anderen Jolle wurden ebenfalls Pallhölzer zum Strand gebracht und gestapelt.

      Danach begann die Plackerei mit den schweren Geschützen, die mühsam abgefiert wurden. Den Männern lief bereits der Schweiß in Bächen über die Körper.

      Von den Schiffen des Geleitzuges, der nach Porto Bello unterwegs gewesen war, hatten sie noch Fässer voller Schießpulver und Wein, die ebenfalls an Land gebracht werden mußten.

      Eine Stunde nach der anderen verrann mit harter Arbeit. Und noch war kein Ende abzusehen.

       2.

      Der einzige, den die emsige Betriebsamkeit überhaupt nicht zu stören schien, war Old O’Flynn. Er hatte die „Empress“ in die Bucht verholt und aus den Augenwinkeln wahrgenommen, daß es hier „ganz herrlich“ war, aber damit hatte es sich auch schon.

      Na fein, dann lagen sie eben in einer geschützten Bucht und nicht mehr auf dem Präsentierteller. Auf der „Golden Hen“ kamen sie auch ohne ihn aus, Leute waren ja genug da, und so hockte Old Donegal an diesem herrlichen Vormittag an Bord seines Schiffes und grübelte, wie er schon zuvor gegrübelt hatte.

      Er sah und hörte nicht, was um ihn herum vorging, denn durch seinen Schädel geisterten pausenlos Ideen, eine immer besser als die andere. Allerdings plagten ihn mitunter auch ganz abstruse Ideen, aber das entsprach eben der O’Flynnschen Persönlichkeit. Schließlich mußte man alle Möglichkeiten durchgehen.


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