Seewölfe Paket 15. Roy Palmer
überstanden, und vor allem wäre er völlig hilflos gewesen.
Während der Kerl immer noch den Schürhaken über der Flamme rötete, erging er sich genüßlich in ziemlich üblen Tiraden gegen den vermeintlichen Ramsgate.
„Wirst bald reden, Alterchen“, verkündete er. „Wenn dir der Schürhaken erst das Fleisch versengt, wirst du froh sein, quatschen zu können. Du wirst den Tag deiner Geburt verfluchen. Hast du Angst, Alter?“
Dan klirrte wieder mit den Ketten und murmelte etwas. Daraufhin lachte der Kerl laut.
„Jetzt wirst du gleich geröstet“, versprach er, um seinen Delinquenten schon im voraus weichzukochen und ihm Angst einzuflößen.
„Tut verdammt weh, kann ich dir sagen, denn so ein Haken brennt verflucht große Löcher ins Fleisch.“
„Huhu“, keuchte Dan und grinste wieder.
Der Kerl bückte sich gerade. Carberry war versucht ihm mit seinem gewaltigen Stiefel in den Hintern zu treten. Der Tritt hätte mit Sicherheit ausgereicht, den Kerl durch die Wand der Mühle zu befördern.
Ed mußte sich zusammenreißen, um das nicht zu tun.
„Ja, jetzt hast du Angst, was? Noch habe ich dich nicht gebrannt, Alterchen, du kannst noch antworten. Wo sind die Pläne, und wo hat dieser Kerl das Gold versteckt, he?“
„Ich sag nichts!“ kreischte Dan. Er bog den Kopf noch weiter zurück und lachte sich eins.
Der Schürhaken leuchtete jetzt in heller Glut. Der Stiernackige nickte zufrieden, spuckte ein bißchen über die Glut, und man hörte es durch die ganze Mühle zischen.
„Hähä“, lachte er meckernd, „schön heiß das Eisen!“
Dann setzte er sich langsam in Bewegung. Er warf keinen einzigen Blick zurück, und er sah auch Ed nicht, der ihm jetzt ebenfalls folgte.
„Na, wo ist das Gold?“ fragte er noch einmal.
Der glühende Haken zuckte vor, die Lampe wurde wieder auf den Boden gestellt, und der Kerl blieb dicht vor Dan stehen, der ihm jetzt voll das Gesicht zuwandte.
Als er den Haken vorstreckte, sah er fassungslos in ein junges, hartes und verdammt kantiges Gesicht. Zwei Augen blitzten ihn an, die absolut nichts Gutes verhießen. Dan O’Flynn richtete sich langsam auf.
Was dann geschah, war eine Verkettung unglückseliger Umstände, und weder Dan noch der Profos konnten etwas dafür.
Der Stiernackige war entsetzt, verblüfft, verwirrt und schluckte heftig.
Dann war der Profos hinter ihm. Ein riesiger Schatten tauchte auf und griff aus dem Nichts zu.
Carberrys Griff in das Genick des Stiernackigen war nicht gerade liebevollbesorgt und zärtlich. Er packte zu, wie er es gewohnt war: hart und fest, als wollte er einen davongelaufenen Stier festhalten.
Der Folterknecht wand sich unter diesem erbarmungslosen Griff und sackte in den Knien ein. Und weil er das glühende Schüreisen trotz allem noch nicht losließ, drückte Ed noch etwas kräftiger zu und trat ihm dabei gleichzeitig seitlich auf die Füße. Dann bog er den Arm des Kerls noch ein wenig herum.
Der glühende Haken geriet dem Kerl an den Hosenboden. Leinenstoff begann zu glimmen und zu sengen. Eine kleine Rauchwolke stieg vom Achtersteven des Folterknechtes auf, und es roch so ähnlich, als hätte der Kutscher gerade ein Stück Schweinefleisch auf den Bratrost gelegt.
Der Mann zuckte vor, stolperte über die Kette, die Dan abgestreift hatte, um aufzuspringen, und geriet dabei an Dan selbst. Weil er dabei wie ein angestochener Büffel tobte, riß er Dan O’Flynn mit sich um, der sich nun seinerseits mit dem Fuß in der Kette verhedderte und der Länge nach hinschlug.
Carberry drückte fluchend noch einmal zu und hielt den Kerl fest. Sein Hosenboden geriet erneut mit dem glühenden Ding in Berührung, und das war selbst für den Stiernakken zuviel. Einmal geröstet ließ sich schon schwer ertragen, aber dieselbe Stelle ein zweites Mal angesengt, wo schon die Haut in Fetzen ging, das war einfach zuviel.
Er stieß einen so entsetzlichen Schrei aus, wie Carberry ihn noch nie in seinem Leben gehört hatte. Dieser Schrei ging dem Profos durch und durch. Er zuckte zurück, als hätte ein Wahnsinniger gebrüllt, und ließ für eine Sekunde den Kerl los.
Der Stiernacken hatte nur noch Angst, nackte, hündische Angst, denn hier ging es offenbar nicht mit rechten Dingen zu. Da kam alles auf einmal zusammen: der harte Griff aus der Dunkelheit, der fremde Kerl am Eichenbalken und schließlich dieser verfluchte höllische Schmerz, der ihm fast die Besinnung raubte.
Sein Tun und Handeln wurde nur von automatisch ablaufenden Reflexen bestimmt, er selbst dachte sich nichts mehr dabei, er wollte nur diesem irrsinnigen Schmerz entrinnen.
Er keilte aus wie ein wildgewordener Gaul und traf mit dem Fuß die Öllampe. Die flog durch den Absackboden, knallte an einen dicken Balken und zerplatzte.
Das auslaufende Öl spritzte nach allen Seiten. Ein kleiner Glutball zuckte auf, und wie mit einem Donnerschlag stand der Absackboden der Mühle schlagartig in Flammen,
Carberry riß die Hände vor das Gesicht. Dan O’Flynn stieß einen üblen Fluch aus, verhedderte sich erneut in der Kette und fiel hin.
Um sie herum war plötzlich wabernde Helligkeit. Das ausgelaufene und brennende Öl kroch in die Ritzen des uralten Holzes, fraß sich fest und entzündete das knochentrockene Holz.
Die Mühle stand so schnell in Flammen, als hätte jemand zentnerweise Schießpulver auf das Holz gestreut.
Carberry griff nach Dan, fluchte wie ein Maultiertreiber und half Dan aus der Eisenkette heraus.
Um sie herum lohte, brannte und knisterte es jetzt. Gleißende Helligkeit ließ sie fast erblinden.
Ein kühler Windzug, der durch die nun offene Tür fauchte, blies das Feuer zu weiterer Glut an. Die Flammen zuckten schon die Treppe hoch und fanden überall genügend Nahrung.
„Raus hier!“ brüllte Dan.
Vor lauter Feuer war nicht einmal mehr die Tür zu sehen. Auch der Folterknecht war verschwunden, als hätte er sich in Luft aufgelöst.
Sie spürten die Feuerzungen von allen Seiten und tasteten sich über brennende Planken zur Tür. Hoch über ihnen brach etwas krachend zusammen, dann schoß eine Flamme bis zum Binsendach hoch, das augenblicklich einer lohenden Fackel glich.
Als Carberry sich umdrehte, um nach draußen zu flüchten, fand er die Tür nicht mehr. Der Eingang glich ebenfalls einer brennenden Wand.
Die ersten Flammen leckten nach draußen und versengten ihnen die Haare. Die Augen brannten höllisch, sie glaubten, inmitten eines glühenden Backofens zu stehen.
Da entdeckte Dan das schwarze Viereck, durch das die Flammen nun auch von außen hereinleckten.
„Dort, nach Backbord!“ schrie er Ed zu.
Seine Worte gingen im Tosen des Feuersturmes unter, der jetzt einsetzte. Die Luft um die Mühle herum brauste und pfiff.
Carberry drehte sich um, zog den Kopf zwischen die Schultern, griff mit der linken Hand nach Dans rechter und zog ihn hinter sich her.
Tief geduckt stürmten sie keuchend los. Ihre Lungen brannten, im Brustkorb stach es wie mit glühenden Nadeln. Dann erreichten sie das Freie und rannten hinaus.
Von draußen sah es genauso schlimm aus. Die Mühle brannte wie eine Riesenfackel und erleuchtete meilenweit die Nacht.
Es war zwecklos, jetzt nach dem angesengten Folterknecht zu suchen. Der hatte längst die Gunst des Augenblick genutzt und war wie ein Irrer in die Dunkelheit gerannt.
„Verdammt und kalfatert!“ rief Ed und entfernte sich vorsichtshalber noch ein Stück. „Das ging ja höllisch schnell. Ich hätte nie geglaubt, daß Holz so schnell brennen kann.“
„Wie ein Brander“, meinte Dan, Rötlicher