Seewölfe Paket 15. Roy Palmer

Seewölfe Paket 15 - Roy Palmer


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gilt für alle und natürlich auch für dich. Jeder, der Ramsgate wieder herbeischafft, erhält diese fünfzig Dublonen, ganz egal, wer es auch immer ist. Und im übrigen“, meinte Hasard lächelnd, „kannst du davon ja gleich deine Schulden zurückzahlen.“

      Mac Pellew war es peinlich, dieses Geld überhaupt anzunehmen, denn Hasard hatte sehr, sehr viel für ihn getan, und das wollte er nicht strapazieren. Seinen Einwand ließ der Seewolf aber nicht gelten.

      „Wann sollen wir gehen?“ fragte Dan O’Flynn sachlich.

      „Wir wollen keine Zeit verlieren. Am besten, ihr geht jetzt gleich, auf der Stelle. Beobachtet die Mühle vorher aber gut, ich möchte nicht, daß ihr eine böse Überraschung erlebt.“

      „Aber das mit dem Geld kann ich wirklich nicht annehmen“, sagte Mac nun schon zum dritten Male.

      „Noch hast du es ja gar nicht“, meinte Ed. „Das kriegst du ja erst dann, wenn du Ramsgate hier anschleppst. Du kannst sein Fell also nicht eher verkaufen, als bis du es hast.“

      „Da ist was Wahres dran“, meinte Mac mit sauertöpfischem Gesicht. „Dann gehen wir jetzt.“

      Ein paar Augenblicke später gingen die beiden von Bord.

      Während sie den halbstündigen Marsch unternahmen, der sie aus der Stadt hinausbrachte, erzählte Mac Pellew von früheren Zeiten, und er fand auch einen geduldigen Zuhörer in Dan, der sich ebenfalls nur allzu gern der zurückliegenden Zeit entsann.

      Immer wieder drehte es sich um die „Marygold“, um Drake und all die anderen Männer, bis sie endlich auf einem staubigen Feldweg waren. Kein Mensch war weit und breit zu sehen. Sie wühlten sich durch dichtes Ginstergebüsch, hohes Gras und verwilderte Gegenden, bis die Mühle in ihrem Blickfeld erschien.

      „Das ist sie“, sagte Mac überflüssigerweise.

      Vor der Mühle wuchs yardhoch das Unkraut. Junge Weiden wuchsen dazwischen, alles sah alt und verkommen aus, als hätte hier jahrelang niemand mehr gelebt.

      Ein ideales Versteck ist das schon, überlegte Dan, denn hier kamen bestenfalls die Besenbinder hin, um hin und wieder Ginsterbüsche abzuschneiden und zu verarbeiten. Die Stille lag wie eine Glocke über dem Land, lediglich ein paar Vögel zwitscherten, und kleine Eidechsen huschten durch Trümmerstücke und halbverwitterte, aufgetürmte Steine.

      „Du hast doch immer so verdammt gute Augen gehabt“, sagte Mac. „Siehst du jemanden?“

      „Ach, das weißt du auch noch?“

      Dan hatte sich längst vorsichtig nach allen Seiten umgesehen, doch es gab keine verdächtigen Anzeichen für irgendwelche Besucher.

      „Nichts zu sehen“, sagte er. „Schauen wir uns das Ding einmal von innen an, ich bin wirklich gespannt.“

      Dicht vor der Mühle, wo vormals die Wagen und Fuhrwerke mit den schweren Säcken gehalten hatten, war das Gras niedergetreten, und wenn man genau hinsah, erkannte man, daß hier Leute gegangen waren. Es konnte noch gar nicht so lange her sein, denn die Spuren waren für einen Kundigen noch ganz gut zu erkennen.

      Dan O’Flynn legte den Finger auf die Lippen und deutete mit der Hand auf das niedergetrampelte Gras.

      Mac Pellew nickte nur, er hatte verstanden.

      Waffen hatten die beiden keine außer dem Messer, das Dan im Gürtel trug. Aber er hatte seine Fäuste, und im Falle eines Falles verließ er sich auf die Mac Pellew war auch keiner von der Sorte, die unbedingt eine Waffe brauchte. Seit er aus dem Schuldturm heraus war, fühlte er sich stark genug, um Bäume auszureißen.

      Als Dan lautlos vor die große Tür gehuscht war, legte er sein Ohr daran und lauschte. Mac Pellew trat näher und sah sich ebenfalls immer wieder nach allen Seiten um.

      Nach einer Weile schüttelte Dan den Kopf. Sein Gesicht drückte Enttäuschung aus. Es war nichts zu hören gewesen. Aber das mußte nicht unbedingt bedeuten, daß sich niemand in der Mühle befand.

      Die Tür gab schwerfällig und knarzig unter seinem Druck nach und schwang langsam auf. Es hörte sich an, als würde ein alter Sargdekkel geöffnet.

      Mac Pellew zuckte leicht zusammen, und auf seinen Armen erschien sekundenlang eine Gänsehaut. Er hatte beileibe keine Angst, es war nur so, daß Mac sehr abergläubisch war, und das hatte ihm bis heute noch keiner ausgetrieben. In gewisser Weise stand er damit dem alten O’Flynn in nichts nach.

      Dieses Knarren hatte ihn an alte Grüfte erinnert, an Totentruhen, die sich öffneten, und man wußte ja schließlich, was in alten Grüften so geschah.

      Jetzt aber hatte er den kleinen Schreck überwunden und betrat hinter Dan den Absackboden, der aus gestampftem Lehm bestand und über dem nur noch lose ein paar morsche Bretter lagen.

      Durch das Binsendach fiel ganz schwach und schräg das Tageslicht ein.

      Dann zuckte Mac zum zweitenmal zusammen, als er ein leises Klirren vernahm. Ganz hinten, man sah nur eine schemenhafte Gestalt, hockte ein Mann am Boden, dicht vor einem Eichenbalken.

      Dan stürmte mit riesigen Schritten vor.

      „Hesekiel Ramsgate“, sagte er fassungslos.

      Der alte Schiffbaumeister starrte die beiden Männer an, als wäre ihm soeben ein Wunder beschert worden. Seine Stimme klang brüchig, ein tagealter Bart bedeckte sein Gesicht, und in seinen Augen schimmerte es.

      Dan war unendlich erleichtert. Mac Pellew schluckte nur.

      „Mister O’Flynn“, sagte Ramsgate heiser. „Welch ein Glück, daß ihr mich gefunden habt.“

      „Sie müssen ja halb verhungert und verdurstet sein“, sagte Dan. „Bleiben Sie ganz ruhig, Mister Ramsgate, ich werde erst die Kette losschlagen.“

      Sie haben den alten Burschen wahrhaftig in Eisen gelegt, dachte er voller Wut, und ihn hier hilflos sich selbst überlassen.

      Er stieß sein Entermesser in das Eichenholz, bis sich der gekrümmte Nagel löste, den irgendein Halunke voller Wucht in das Eichenholz geschlagen hatte.

      Ramsgates Fesseln fielen klirrend zu Boden. Der alte Baumeister war frei.

      Dan half ihm auf die Beine, aber Ramsgate war so schwach, daß er kaum stehen konnte. Auch das Sprechen fiel ihm schwer.

      „Nichts sagen, Mister Ramsgate“, bat Dan. „Jetzt ist alles in Ordnung. Erzählen können Sie dann später. Ich trage Sie jetzt erst einmal zu dem kleinen Mühlbach, damit Sie ein paar Schluck Wasser trinken können.“

      Ramsgate sank wieder in sich zusammen.

      Dan nahm ihn auf die Arme und trug ihn hinaus. Weiter hinten, wo der kleine Bach war, legte er Ramsgate ins Gras, schöpfte dann mit den Händen Wasser und flößte es ihm ein.

      Das kühle Wasser belebte den zähen Burschen fast augenblicklich. Sein Blick wurde klarer, und er stieß einen leisen Fluch aus. Dann rutschte er auf den Knien zum Bach und trank selbst.

      „So eine Mistbande, so eine verfluchte!“ knurrte er. „Lassen Sie nur Mister O’Flynn, nach dem kühlen Trunk fühle ich mich schon viel besser. Das war es, was mir gefehlt hat. Der Hunger ist ja noch zu ertragen, aber dieser wahnsinnige Durst.“

      Er wehrte ab, als Dan ihm anbot, daß er ihn tragen wolle.

      „Ich sehe zwar dürr und schwächlich aus“, sagte er entschieden, „aber das täuscht. Wie geht’s, Mister Pellew?“

      „So durchwachsen“, sagte Mac mit grämlich verzogenem Gesicht. „Mal oben, mal unten, jetzt wieder ganz oben.“

      „Freut mich, das zu hören. Und vielen Dank auch. Und jetzt stiefeln wir los, haben schon viel zuviel Zeit versäumt, sonst wird das neue Schiff überhaupt nicht mehr fertig.“

      Das ist anscheinend im Augenblick sein einziger Gedanke, dachte Dan, und es bewies, daß der alte Hesekiel Ramsgate noch lange nicht unterzukriegen war. Aber mächtig angeschlagen


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