Seewölfe - Piraten der Weltmeere 160. Kelly Kevin

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 160 - Kelly Kevin


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der stolzen Armada übriggeblieben waren – von denen würden nur noch wenige einem Sturm standhalten können oder ein Gefecht mit dem räuberischen Gesindel bestehen, das überall lauerte, wo leichte Beute und ein schneller Sieg über fast wehrlose Gegner winkten.

      Deshalb segelten die „Isabella“ und die „Le Vengeur“ nach Norden.

      Und deshalb wurde Philipp Hasard Killigrews Gesicht steinern, als er jetzt durch das Spektiv blickte. Für ihn hörte der Krieg auf, wenn der Gegner geschlagen war. Die Seewölfe wußten, wo der Kampf endete und der gemeine Mord anfing: genau an dem Punkt, wo sich der Gegner ergab oder nicht mehr wehren konnte. Und Schiffbrüchige waren überhaupt keine Gegner, sondern Menschen, die ein Anrecht auf Hilfe hatten. So dachte die Crew der „Isabella“, und so dachten auch Jean Ribault und seine Mannen.

      Aber es gab mehr als genug Leute, die anders dachten.

      Sir Francis Drake zum Beispiel. Der sehr ehrenwerte Admiral war wie ein beutehungriger Fuchs hinter der geschlagenen Armada hergestrichen, bis seine „Revenge“ von der „Isabella“ und der „Le Vengeur“ schlichtweg ausmanövriert wurde. Ein Teil der englischen Flotte hatte ähnlich gehandelt, und sich genauso gnadenlos auf die Besiegten gestürzt. Inzwischen war die Verfolgungsjagd abgebrochen worden, aber auf die Trümmer-Armada, die ohne Munition und Proviant durch fremde Gewässer segeln mußte, lauerten immer noch mannigfache Gefahren.

      Sturm und Unwetter, Riffe und Untiefen, Hunger und Durst, für viele der Verwundeten das hilflose Warten auf den Tod.

      Und Feinde!

      Gegner, die auf die Schwachen lauerten, die aus dem Hinterhalt auftauchten. Gegner wie die schnelle Karavelle mit den schwarzen Segeln, die sich da Backbord voraus von Kinnaird-Head her an die schwer angeschlagene spanische Galeone heranpirschte.

      „Piraten“, sagte Ben Brighton, der neben dem Seewolf auf dem Achterkastell stand.

      Hasard hob die Schultern.

      Piraten oder nicht – üble Halunken waren es auf jeden Fall. Man mußte einfach ein übler Halunke sein, wenn man sich auf eine Galeone stürzte, der Bugspriet und Besanmast fehlten, die einen lächerlichen Fetzen als Fock führte und bei jedem Krängen durch die mühsam vernagelten Lecks an der Backbordseite Wasser nahm. Verschossen hatte sie sich auch: die Spanier machten nicht einmal Anstalten, die Kanonen auszurennen. Durch das Spektiv konnte Hasard die Männer an Deck sehen. Sie wirkten aufgescheucht, verzweifelt – denn die Besatzung der Galeone hätte blind sein müssen, um nicht zu erkennen, daß ihr gegen die gut bestückte, wendige Karavelle nicht der Schimmer einer Chance blieb.

      „Na also“, brummte Ben Brighton, als wenig später am Flaggenstag die spanische Fahne niederging.

      „Die Dons ergeben sich!“ meldete Bill überflüssigerweise aus dem Großmars. „Die Karavelle fällt ab! Scheint so, als wollten sie längsseits gehen und entern!“

      Da hatte er recht.

      „Feige Kanalratten“, dröhnte Ed Carberrys Stimme von der Kuhl. „Leichenfledderer sind das! Denen sollte man die Haut in Streifen …“

      Er verstummte abrupt.

      Vor ihnen, einen Viertelstrich nach Backbord versetzt, hatte sich die Karavelle neben die zerschossene, wehrlose Galeone geschoben. Enterhaken flogen, wie Katzen turnten Männer auf das spanische Schiff hinüber – und deutlich und unüberhörbar peitschten die Schüsse von Musketen, Arkebusen und Pistolen.

      Für ein paar Sekunden wurde es sehr still auf den Decks der „Isabella.“

      Ed Carberry, der eiserne Profos, holte so tief Luft, daß sein mächtiger Brustkorb fast die Hemdknöpfe sprengte. Ben Brighton biß die Zähne zusammen. Hasard starrte immer noch durch das Spektiv, und sein Gesicht schien zu versteinern.

      „Diese Dreckskerle!“ schrie Bill im Großmars empört. „Die kümmern sich den Teufel darum, daß der Don die Flagge gestrichen hat, die …“

      „Halt die Klappe da oben, du Wanze!“ brüllte Ed Carberry mit Stentorstimme. Und zum Achterkastell: „Willst du dir das mit ansehen, Sir? Oder wollen wir diese Kanalratten vierkant auf ihren verrotteten Kahn zurückschmeißen?“

      „Was hast du denn gedacht?“ knurrte Hasard durch die Zähne.

      Sein Blick wanderte nach Steuerbord, wo die „Le Vengeur“ auf Rufweite herangedreht war. Jean Ribault stand hoch aufgerichtet an der Schmuckbalustrade des Achterkastells, die Rechte am Griff des Degens. Das kampflustige Funkeln in seinen dunklen Augen verriet deutlich, was er dachte.

      „Was ist?“ rief er. „Zeigen wir den Kerlen, wie der Wind in die Hölle weht?“

      Aber da auf der „Le Vengeur“ und der „Isabella“ bereits Klarschiff zum Gefecht gemacht wurde, erübrigte sich eine Antwort.

      Um dieselbe Zeit ließen auch die drei spanischen Kapitäne gefechtsklar machen, die darauf gepfiffen hatten, dem Generalkapitän um die Orkney-Inseln herum in ein ungewisses Schicksal zu folgen.

      Vor ihnen erhob sich die wild zerklüftete Küste der Insel Swona im grauen Dunst. Die Spanier kannten den Namen der Insel natürlich nicht. Sie interessierten sich nur dafür, ob es vielleicht Klippen und gefährliche Untiefen in der Nähe gab. Und noch mehr interessierten sie sich für den Pulk schottischer Fischerboote, den sie an der Nordseite des Eilands gesichtet hatten.

      Fischerboote bedeuteten Wasser und Proviant. Wasser und Proviant, das die drei spanischen Zweimaster dringend brauchten. Was die Fischer dazu meinten, kümmerte die wenig vornehmen Herren Kapitäne einen feuchten Kehricht.

      Basil da Conta stand auf dem Achterkastell seiner „Candia“, spähte durch das Spektiv westwärts und grinste breit, als er bemerkte, daß die Männer auf den Booten höchstens ein paar Handfeuerwaffen bei sich führten.

      „Klar bei Drehbasse!“ schrie er auf spanisch. „Ein anständiges Loch in die nächstbeste Bordwand – das wird den Burschen zeigen, daß sie besser die Köpfe einziehen!“

      Der Geschützführer peilte über das lange Rohr in seiner drehbaren Lafette den vordersten Logger an.

      Die Fischer hatten in ihrer Arbeit innegehalten und starrten verblüfft herüber. Bis zu den Orkney-Inseln war die Kunde vom Kampf der englischen Flotte gegen die Armada noch nicht gedrungen. Spanische Schiffe in dieser Gegend – damit hätten die Schotten nicht einmal im Traum gerechnet, und deshalb waren sie auch nicht darauf eingerichtet, sich zu verteidigen.

      Ehe sie überhaupt begriffen, wie ihnen geschah, krachte auf der „Candia“ bereits die Bugdrehbasse.

      Pulverrauch wölkte auf, die schwere Eisenkugel heulte über das Wasser und schlug in die Bordwand des Loggers. Das Boot erzitterte.

      „Warschau“, brüllte jemand. Berstend und splitternd neigte sich der Mast, der unter Deck in seinen Verbänden getroffen worden war, und begrub das Vorschiff unter dem großen Segel.

      Ein vielstimmiger Schrei brandete auf.

      Die Fischer konnten nicht ahnen, daß die „Candia“, ihre vorletzte Kugel verschossen hatte. In hilfloser Wut sahen sie das Verhängnis auf sich zugleiten. Wie Habichte in den Hühnerhof stießen die drei spanischen Schiffe in den Pulk der Fischerboote. Enterhaken flogen, Musketen und Pistolen richteten sich auf die überrumpelten Schotten, und nur wenigen verblieb noch die Zeit, sich Messer oder Spaken zu greifen.

      Auf dem Boot mit dem gebrochenen Mast befreite sich ein großer rothaariger Bursche aus einem Gewirr von Segeltuch, Wanten und Pardunen.

      Mit einem einzigen Blick erfaßte er das Bild der Verwüstung. Heillose Wut verzerrte seine Züge. Er sah einen seiner Männer mit gebrochenem Genick auf den Planken liegen, er sah die ausgehungerten, halb verdursteten Spanier an Bord springen, und er kümmerte sich nicht darum, daß er es mit einer schwerbewaffneten Übermacht zu tun hatte.

      Ein wilder Schrei brach über seine Lippen, als er die Axt hochriß.

      Die Spanier prallten zurück, der Hieb ging ins Leere. Eine Radschloß-Pistole peitschte


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