Seewölfe - Piraten der Weltmeere 160. Kelly Kevin
zusammen, und die Spanier brauchten nur noch wenige Minuten, um jeden Widerstand zu brechen.
Ein paar von den Schotten, die sich schon ergeben hatten, stürzten sich beim Anblick des verletzten Rothaarigen in besinnungsloser Wut auf ihre Bezwinger, doch es nutzte nicht viel. Ein paarmal klatschte es, als die Spanier ihre Opfer kurzerhand außenbords beförderten. Jeder weitere Widerstand wäre selbstmörderisch gewesen. Die Fischer wußten es. Sie gaben auf, ließen zähneknirschend geschehen, daß sie wie eine Herde Schafe zusammengetrieben wurden, und mußten hilflos mit ansehen, wie die Spanier darangingen, die Boote auszuplündern.
„Wasser!“
Ein Schrei der Erleichterung ging von Mund zu Mund, als die ersten Fäßchen entdeckt wurden. Hastig stürzten sich die halb verdursteten Männer auf das kühle Naß, drängten und schoben und schienen für eine Weile alles andere zu vergessen. Zwei von den Fischern nutzten die Gelegenheit, ihren rothaarigen Kameraden vorsichtig ans Schanzkleid zu ziehen und nach der Wunde zu sehen.
Von der „Candia“ rief Capitan da Conta ein paar scharfe Befehle. Die Waffen zielten wieder schußbereit auf die Schotten, und die Männer, die den schlimmsten Durst gestillt hatten, begannen systematisch, Fäßchen, ein paar Weinkrüge, Brotbeutel und Werkzeugkisten auf die drei Zweimaster hinüberzumannen.
Die Fischer erstickten fast an ihrer Wut, aber sie konnten sich nicht wehren.
Eine halbe Stunde später besaßen sie keinen rostigen Nagel mehr. Nicht einmal vor Rahen und Spieren machten die Plünderer halt: sie brauchten eine Menge Material, um ihre eigenen schwer angeschlagenen Schiffe zu reparieren. Stumm sahen die Schotten zu, wie ihre Boote regelrecht gerupft wurden. Äxte und Messer ließen die Spanier natürlich auch nicht zurück.
Der verletzte Rotschopf war wieder bei Bewußtsein. Stöhnend vor Schmerz und Haß stemmte er sich hoch, und er wäre trotz der Wunde in der Schulter dem nächstbesten Spanier an die Kehle gefahren, wenn seine Kameraden ihn nicht festgehalten hätten.
Capitan da Contas Stimme klang sehr zufrieden, als er den Rückzug befahl.
Die Spanier setzten wieder auf ihre Zweimaster über. Männer eilten auf ihre Plätze an Brassen und Fallen, die kümmerlichen Reste der Besegelung wurden geheißt. Während sich die drei Schiffe wieder in Bewegung setzten, ragten aus den Stückpforten immer noch drohend die langen Läufe der Geschütze.
Die Fischer brüllten Flüche und schüttelten die Fäuste.
Die Spanier störte das nicht. Sie hatten sich reichlich mit allem eingedeckt, was sie benötigten – und jetzt brauchten sie nur noch aufzupassen, daß sie nicht ihren Landsleuten in den Weg segelten, die vielleicht von ihnen verlangt hätten, die Beute zu teilen.
Der kleine Verband steuerte westwärts durch den Pentland Firth.
Die drei unfeinen Kapitäne konnten nicht ahnen, daß sie mit dem feigen Überfall einen Rachefeldzug heraufbeschworen, der sich gegen einen Unschuldigen richten würde. Und wenn sie es gewußt hätten, wäre es ihnen wohl ziemlich gleichgültig gewesen.
2.
Viel zu spät entdeckte der Ausguck der räuberischen Karavelle die beiden Galeonen, die von Süden her wie zornige Schwäne heranrauschten.
Ein schriller Alarmschrei ließ das Enterkommando auf der Kuhl des wrakken Spaniers innehalten. Tote lagen in ihrem Blut, die Überlebenden wehrten sich mit dem Mut der Verzweiflung, nachdem ihnen klargeworden war, daß sie von diesem Piratengesindel keine Schonung zu erwarten hatten. Auf der Karavelle eilten Männer an die Geschütze. Der stämmige schwarzbärtige Kapitän brüllte Befehle, aber er ahnte, daß er gegen die Angreifer nicht den Schimmer einer Chance hatte.
„Anluven!“ peitschte Jean Ribaults Stimme. „Bugdrehbasse Feuer!“
„Feuer!“ gab Hasard auf der „Isabella“ den gleichen Befehl – und dann krachte es schneller, als die Schnapphähne auf ihrer Karavelle denken konnten.
Im Bug der „Le Vengeur“ peilte Karl von Hutten über das schwere Eisenrohr.
Auf der „Isabella“ drückte Al Conroy die glimmende Lunte auf die Pulverpfanne.
Donnernd entluden sich die beiden Geschütze. Ein ausgezacktes Loch klaffte plötzlich knapp über der Wasserlinie der Karavelle. Al Conroy hatte den Fockmast getroffen, dessen obere Hälfte wie ein gebrochener Arm an Deck hing. Jetzt waren die Piraten am Zug. Sie konnten angesichts der Übermacht die Flagge streichen – aber sie fürchteten wohl, dann das gleiche Schicksal zu erleiden, das sie den wehrlosen Spaniern zugedacht hatten: massakriert zu werden.
Die Breitseite der Karavelle krachte.
Eisenkugeln klatschten wirkungslos ins Wasser, denn die „Le Vengeur“ hatte längst angeluvt, während die „Isabella“ abfiel. Die Piraten setzten fieberhaft Segel, um manövrieren zu können. Auf der spanischen Galeone ging der Kampf weiter, nachdem Schrecken und Überraschung für eine kurze Pause gesorgt hatten. Die Männer des schottischen Enterkommandos sahen ihr Schiff entschwinden und reagierten mit Panik und Wut. Die Spanier setzten sich doppelt verbissen zur Wehr, nachdem sie erst einmal begriffen hatten, daß ihre Gegner durchaus keine Verstärkung erhielten. Möglich, daß die Galeone und die Karacke der Karavelle lediglich die Beute wegschnappen wollten. Wahrscheinlich sogar, mußten sich die Spanier sagen. Aber es konnte ja immerhin sein, daß an Bord der beiden fremden Schiffe Männer waren, die Gegner, die sich ergaben, nicht einfach abschlachteten.
Die Karavelle mit den schwarzen Segeln ging über Stag, um die „Le Vengeur“ mit ihren Backbordgeschützen anzugreifen.
Die Karacke wich elegant aus, wieder klatschte der eiserne Segen ins Wasser. Die „Isabella“ schob sich im selben Augenblick dicht ans Steuerbord-Schanzkleid der spanischen Galeone. Hasard wußte, daß die „Le Vengeur“ mit Leichtigkeit mit der Karavelle fertigwerden würde. Das Gesicht des Seewolfs wirkte steinern. Die räubernden Engländer waren seine Landsleute. Er hatte sogar Verständnis dafür, daß sie nichts dabei fanden, die geschlagene Armada ein bißchen zu rupfen, auch wenn dieses Vorgehen tatsächlich an Leichenfledderei grenzte. Aber Wehrlose niederzumetzeln, über Männer herzufallen, die die Waffen streckten – da hörte alles Verständnis auf.
Hasard war der erste, der an der Spitze des Enterkommandos auf die Kuhl der spanischen Galeone sprang.
Ein vielstimmiger Wutschrei empfing sie.
Die schottischen Seeräuber ließen von den Spaniern ab, wandten sich den neuen Gegnern zu – und begriffen in den nächsten Sekunden, daß sie genausogut hätten versuchen können, die Hölle zu stürmen, um den Teufel am Schwanz zu ziehen.
Zwölf Mann von der Karavelle hatten die Galeone geentert.
Ed Carberry langte einmal kurz hin, da waren es nur noch zehn. Hasard packte sich den Kerl, von dem vorhin ein Spanier niedergeschossen worden war, der mit erhobenen Armen am Schanzkleid gestanden hatte. Der Pirat war ein rauher Kerl, breitschultrig und muskulös. Er grunzte nur, holte mit einer Spake aus, aber er gelangte nicht mehr dazu, sie niedersausen zu lassen.
Hasards Fausthieb lüftete ihn an und beförderte ihn im Überschlag rückwärts außenbords. Wasser spritzte, es klatschte laut. Dreimal hintereinander – denn inzwischen hatten auch Blacky und Matt Davies ihren Gegnern zu unfreiwilligen Luftreisen und einem kühlen Bad verholfen.
Das alles geschah so schnell, daß es die erschöpften, von Hunger und Durst geschwächten Spanier kaum richtig begriffen.
Sie waren ans Backbord-Schanzkleid zurückgewichen. Erst als ihnen einer der Piraten, von einem Kinnhaken in Bewegung gebracht, genau vor die Füße rollte, brach der Bann. Der Schotte rappelte sich auf, wurde aber im nächsten Moment von einem Dutzend Fäusten gepackt. Im hohen Bogen flog er über Bord, und jetzt stürzten sich auch die Spanier in den Kampf, obwohl nur noch wenige Gegner übrig waren.
Als die letzten Piraten im Wasser landeten, legte sich die Karavelle platt vor den Wind.
Ihr Achterkastell war nur noch ein Trümmerhaufen,