Seewölfe - Piraten der Weltmeere 160. Kelly Kevin

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 160 - Kelly Kevin


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und Hutten das nicht taten, um dem angeschlagenen Gegner den Fangschuß zu geben.

      Die Karavelle drehte bei und strich die Flagge, als eine Kugel unmittelbar vor ihrem Bug ins Wasser klatschte.

      Was Ribault dem schwarzbärtigen Oberhalunken zurief, konnte Hasard nicht verstehen, doch er sah die Auswirkung. Auf der Karavelle wurde das Beiboot abgefiert. Die im Wasser paddelnden Männer des schottischen Enterkommandos schwammen wie vom Teufel gejagt darauf zu, und wie vom Teufel gejagt segelte die Karavelle nach Nordwesten davon, kaum daß sie ihre Leute wieder an Bord genommen hatte.

      Auf der Kuhl der Galeone stand ein gutes Dutzend Spanier ziemlich ratlos herum, wechselte Blicke und wußte offenbar nicht, was von der Sache zu halten war.

      Diese Engländer, die die besiegte Karavelle nicht nur geschont, sondern auch noch gezwungen hatte, die eigenen Leute wieder aufzufischen, mußten von besonderem Kaliber sein. Waren sie wirklich auf das halbe Wrack scharf, das sie den schottischen Piraten entrissen hatten? Die Spanier starrten den großen schwarzhaarigen Mann mit den eisblauen Augen an, die rauhen Kerle, die mit dem Enterkommando der Karavelle regelrecht Ball gespielt hatten, und ließen dann ihre Blicke zum Achterkastell hinüberwandern.

      Der spanische Capitan hatte nicht mitgekämpft.

      Aus gutem Grund: er trug einen blutdurchtränkten Verband an der Schulter und konnte sich nur mit Mühe auf den Beinen halten, als er jetzt den Niedergang hinunterwankte. Sein Gesicht war bleich und eingefallen, die Augen brannten fiebrig.

      „Wir sind in Ihrer Hand, Señor“, stellte er fest. „Trotzdem schulden wir Ihnen Dank. Ihre Landsleute von der Karavelle hätten niemanden am Leben gelassen.“

      Hasard lächelte matt. „In jedem Land gibt es Verbrecher und Mörder. Für uns ist der Kampf gegen die Armada zu Ende. Sie haben den Anschluß an Ihren Verband verloren?“

      „Wir sind nicht viel mehr als ein Wrack“, sagte der Capitan bitter. „Vielleicht hätten wir es noch bis nach Norwegen geschafft, um wenigstens das nackte Leben zu retten. Aber jetzt …“ Er schwieg und preßte die Lippen zusammen.

      Hasard wußte, was in dem Mann vorging.

      Der Kampf mit den Halsabschneidern von der Karavelle hatte weitere Tote und Verwundete gekostet. Die Spanier hatten keine Chance, die norwegische Küste zu erreichen. Nicht ohne Wasser und Proviant. Und nicht ohne Munition, um sich im Notfall verteidigen zu können.

      Sie brauchten Hilfe.

      Und für die Männer der „Isabella“ und der „Le Vengeur“ war es keine Frage, was sie in diesem Fall zu tun hatten.

      In dem kleinen Hafen Widewall an der Westküste von South Ronaldshay, der südöstlichen der Orkney-Inseln, war der Teufel los.

      Die Rückkehr der ausgeraubten, teils lecken, teils entmasteten Boote hatte fast die gesamte Bevölkerung an den Piers zusammenlaufen lassen. Stumm starrten die Menschen den Heimkehrern entgegen. Niemand konnte sich erklären, was da geschehen war – allenfalls gewisse Ahnungen gab es, die man sich zuflüsterte. Hatten nicht Bewohner der Ostküste behauptet, in den letzten Tagen immer wieder ziemlich abgetakelte Schiffe gesehen zu haben, die sich nordwärts quälten? Außerdem wußte man ja, daß sich Spanien und England seit langem nicht grün waren, und daraus konnte man folgern, daß es irgendwo unten im Süden ganz gehörig gerappelt hatte und daß es nicht die Engländer gewesen waren, die dabei gerupft wurden.

      Bis zu diesem Punkt waren die geflüsterten Mutmaßungen gediehen, als die ersten Boote in die schmale Hafeneinfahrt liefen und an der Pier längsseits gingen.

      Bewegung kam in die Wartenden. Besorgte Frauen drängten näher zum Wasser, wütende Männer, erschrockene Kinder. Dann öffnete sich eine Gasse in der Menge, um einen Mann durchzulassen, der alle anderen um Haupteslänge überragte und dessen Hünengestalt selbst unter den rauhen, urwüchsigen Bewohnern der Orkney-Inseln auffiel.

      Arne Aasen konnte das Wikingerblut nicht verleugnen, das in seinen Adern floß.

      Sein Großvater hatte noch drüben in Norwegen am Stavanger-Fjord in einem der uralten Langhäuser gelebt und war nach einem Schiffbruch auf den Orkney-Inseln hängengeblieben. Wer hier leben wollte, der mußte schon rauh und zäh sein – noch rauher als die karge, menschenfeindliche Landschaft. Der alte Thorbjörn Aasen war so ein Kerl gewesen. Sieben Söhne hatte er in die Welt gesetzt. Deren Nachkommen waren alle aus dem gleichen harten Wikinger-Holz, und Arne Aasen, der Anführer und härteste Brocken dieser Sippe, war der unumschränkte Herrscher auf South Ronaldshay.

      Jetzt stand er breitbeinig am Pier, die mächtigen Fäuste in die Hüften gestemmt, und starrte unter buschigen, grimmig zusammengezogenen Brauen auf das Boot, dem offensichtlich eine schwere Eisenkugel die Bordwand durchschlagen und den Mast zerschmettert hatte.

      Vorsichtig hoben ein paar Männer die schlaffe Gestalt eines Verletzten von Bord. Ein erstickter Schrei erklang, aus der Menge löste sich eine große blonde Frau und stürzte auf den Rand der Pier zu. Stumm sank sie neben dem Verwundeten auf die Knie. Aber ihre Augen blieben trokken. Auf den wilden Orkney-Inseln waren nicht nur die Männer aus hartem Holz. Das sah man schon den mageren, flachshaarigen Kindern an, die sich erschrocken hinter ihrer Mutter drängten.

      Arne Aasens knorrige Gestalt ragte wie ein Baum auf.

      Sein struppiger blonder Bart flatterte im Wind, ein tiefer, grollender Atemzug wölbte den breiten Brustkasten. Mit einem langen Blick aus meergrauen Augen erfaßte er die anderen Boote, die Männer, die fast alle irgendwelche Blessuren davongetragen hatten, dann starrte er wieder in das bleiche, eingefallene Gesicht des Schwerverletzten.

      Duncan Finn war sein Schwager: ein zäher rothaariger Schotte, kein Riese wie Arne Aasen, aber ein Kerl aus Granit und Eisen, den so leicht nichts umwarf. Jetzt hatte es ihn schwer erwischt. Der notdürftige Verband um Brust und Schulter war blutdurchtränkt, sein Atem ging flach, und ab und zu stöhnte er dumpf, als fühle er selbst in der Tiefe der Ohnmacht den Schmerz von der Wunde.

      „Bringt ihn ins Haus!“ Aasens Stimme klang rauh, seine Kiefermuskeln spielten. „Und holt Morrag her – die alte Hexe soll endlich mal zeigen, daß sie wirklich etwas von ihren verdammten Kräutern versteht. Komm, Ragnhild.“

      Die letzten Worte waren an die Frau gerichtet. Der bärtige Hüne umfaßte ihre Schultern und zog sie hoch. Ragnhild Finn straffte sich und hob das Kinn, während sie zusah, wie die Männer den Verletzten vorsichtig zu einer der niedrigen steinernen Fischerkaten trugen.

      Ein paar Halbwüchsige waren bereits losgelaufen, um Morrag, die alte Kräuterfrau zu holen.

      Ein erregter, bedrückter Zug setzte sich in Bewegung. Die Fischer berichteten, was sich draußen im Pentland Firth ereignet hatte, aber sie berichteten im Flüsterton, als spürten sie die schweigengebietende Anwesenheit des Todes in ihrer Mitte. Arne Aasen stapfte in steinerner Ruhe voran. Er mußte den Kopf einziehen, als er die einfache Hütte betrat, und er blieb breitbeinig neben dem flakkernden Feuer auf dem Herdstein stehen, während der Verletzte auf das einfache Lager gebettet wurde.

      Die blonde Frau, ihre Tochter und zwei Nachbarinnen entfalteten sofort eine stille, zielstrebige Aktivität, die verriet, daß sie sich nicht zum erstenmal um einen Verwundeten zu kümmern hatten.

      Das Feuer wurde angefacht, der Wasserkessel ans Dreibein über dem Herdstein gehängt, saubere Leinentücher bereitgelegt, lange Verbandstreifen und Beutel mit Kräutern. Währenddessen standen die Männer an dem grobgezimmerten Holztisch zusammen, wo Arne Aasen Becher mit dem herben, berauschenden Getränk füllte, das aus Mullbeeren gebrannt wurde.

      „Spanier?“ wiederholte der bärtige Hüne zweifelnd. „Tatsächlich Spanier? Mitten im Pentland Firth?“

      „Der Teufel soll mich holen, wenn ich meine Haut darauf verwetten würde“, brummte einer der Fischer. „Von hier stammen die Kerle jedenfalls nicht. Und David sagt, es waren Spanier.“

      Der Angesprochene nickte.

      David Black war ein drahtiger schwarzhaariger Mann, ein düsterer Typ, in dessen Adern nicht das wilde Wikingerblut rumorte, sondern das


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