Seewölfe - Piraten der Weltmeere 191. Fred McMason

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 191 - Fred McMason


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widersprach nicht, denn was er sah, hatte mit gewöhnlichen Aalen oder selbst Muränen nichts gemeinsam.

      Es waren Schlangen von annähernd zwei Yards Länge, einem typischen Schlangenkopf, allerdings mit einem etwas abgeplatteten Schwanzende, das zur schnelleren Bewegung diente. Wenn sich die Schlangen im Wasser drehten, erkannte man deutlich die stark gefärbte gelbe Unterseite auf ihren Bäuchen.

      Keiner der Seewölfe kannte sie genau, aber für den Kutscher stand fest, daß sie giftig waren und ihr Biß den Tod des Insulaners verursacht hatte.

      „Anscheinend beißen sie sofort, sobald sich im Wasser etwas bewegt“, sagte der Kutscher. „Diese Biester sind wie die Schlangen an Land und genauso giftig, wenn nicht noch giftiger.“

      „Ja, das ist stark anzunehmen, daß sie sofort angreifen. Aber der Insulaner hätte das doch wissen müssen, zumal sie hier in riesigen Schwärmen auftreten.“

      „Er hat sie sicher zu spät bemerkt, oder er kam nicht mehr schnell genug ins Boot hinein.“

      Der Kutscher nahm die Leine, die im Boot lag, streifte das Auge um den Arm des Mannes und zog ihn mit.

      Am Strand gab es ein Problem, als das Boot auflief. Es lief nicht bis auf den Sand hinauf. Sechs, sieben Yards Wasser blieben noch zwischen ihnen, und die waren nur zu überwinden, wenn man im Wasser ein paar Schritte ging.

      Der Kutscher sah den Profos an.

      „Spring du zuerst!“ sagte er und kratzte sich das Kinn.

      „Du spinnst wohl, was, wie? Wie kann ich denn diese Strecke mit einem Satz springen!“

      Er blickte in das flache Wasser und sah die langen Schlangen, die sich mit atemberaubender Schnelligkeit durch ihr Element schlängelten. Ein ganzer Schwarm befand sich dicht am Ufer.

      „Ich habe Stiefel an“, sagte Hasard. „Durch das Leder beißt keine Schlange der Welt, auch keine Seeschlange.“

      Er sprang ins seichte Wasser und sah nach unten. Seine Stiefel hatten den gelblichen Sand noch nicht richtig berührt, als sich die Schlangen auch schon darauf stürzten. Sie glitten heran, bissen zu und verschwanden wieder wie der Blitz.

      Eine von ihnen schleuderte der Seewolf mit einem gewaltigen Fußtritt aus ihrem Element. Das Biest war länger als zwei Yards, und noch als der Schlenker erfolgte, versuchte es, sich um den Stiefel zu winden.

      Hasard verstand nicht, warum diese Tiere so ungemein angriffslustig und aggressiv waren. Sie stürzten sich auf alles, was sie sahen, bissen und verschwanden wieder.

      An der Küste wimmelte es von ihnen.

      Er zog den Toten an den Strand, ging dann wieder zurück und befestigte die Leine am Boot.

      „Setzt euch nach achtern, dann ziehe ich das Boot auf den Strand hinauf“, sagte er. „Oder soll ich euch tragen?“

      „Um Himmels willen, Sir“, protestierte der Profos. „Die lausigen Plattfische an Bord würden sich totlachen, wenn der Kapitän seinen Profos an Land trägt wie ein Wickelkind.“

      „Lieber so, als von diesen Biestern gebissen zu werden. Nehmt euch gut in acht, die schnellen sich sogar aus dem Wasser. Irgend etwas scheint sie zur Raserei zu treiben.“

      Die Seeschlange, die Hasard aus dem Wasser befördert hatte, wand sich durch den Sand, richtete sich blitzschnell auf, stieß voller Wut den Schädel in den Sand und ließ ihren Schwanz peitschen, daß der Sand nach allen Seiten flog.

      Hasard zog sein Entermesser, nahm kurz Maß und warf. Der erste Wurf nagelte das zuckende und sich wie wild gebärdende Reptil in den sandigen Boden. Als sie nicht mehr zuckte, trennte er ihren Kopf ab, um Aufschluß über die Gefährlichkeit zu erhalten.

      An den Vorderzähnen des Oberkiefers befand sich eine winzige Giftrinne, und das sagte dem Seewolf mehr als genug. Diese Schlangen waren absolut tödlich, und ihr Gift wirkte innerhalb sehr kurzer Zeit. Wer von einer dieser Giftschlangen gebissen wurde, brauchte keine Hilfe mehr. Anscheinend hatten nicht einmal die Insulaner ein wirksames Heilmittel.

      „Verdammte Inseln“, sagte Carberry verbissen. „Ich verstehe nicht, wie Donegal so etwas voraussehen kann. Hier liegt wirklich die Pest über allem, und es riecht nach Gift und Hölle. Wieso weiß dieser Bursche das?“

      Hasard zuckte mit den Schultern.

      „Es ist nun mal eine Tatsache“, gab er widerwillig zu, „aber erklären kann ich sie deshalb noch lange nicht. So, Kutscher, jetzt sieh dir mal den Mann an, ob er gebissen wurde. Wenn man seinen Feind kennt, kann man ihn besser einschätzen.“

      Der Tote war im Gesicht leicht blau verfärbt und hatte die Augen schrecklich weit aufgerissen. Bekleidet war er lediglich mit einem bunten Tuch um die Hüften, das auf den Oberschenkeln endete. Sonst trug er nichts, auch im Aussehen unterschied er sich nicht von den anderen Insulanern dieser feuchtheißen Inselgruppe.

      Der Kutscher untersuchte ihn genau, und er hatte alle Mühe, die winzigen Bißstellen zu entdecken. Sie waren wie Nadelstiche, und die winzigen Wunden bluteten auch nicht.

      „In die Beine ist er mindestens zwei Dutzend Male gebissen worden“, sagte der Kutscher. „Das war gleich am Anfang, als er noch das Boot schob. Dann sind sie regelrecht über ihn hergefallen. Die vielen kleinen Bisse lassen sich nicht mehr zählen.“

      „Glaubst du, daß der Biß einer einzigen Schlange bereits tödlich ist?“ fragte Hasard.

      „Da bin ich ganz sicher, Sir. Ein einziger Biß genügt, und man steht nie wieder auf.“

      „Dann müssen wir höllisch aufpassen, daß niemand ins Wasser springt, fällt oder leichtsinnig hineingeht.“

      „Dagegen sind die Dons die reinsten Wickelkinder“, sagte Ed.

      Sie sahen sich um. Über der Landschaft lag eine eigenartige, bedrükkende Stille. Kein Vogel zwitscherte, kein Tier ließ sich blicken. Vom Sand stieg brühwarmer, auf die Nerven gehender Dampf auf. Die Luftfeuchtigkeit war hier noch höher als auf allen anderen Inseln.

      Ein paar Palmen standen an dem steinigen Strand, dahinter folgte eine von fahlgelbem Gras bewachsene Fläche, gleich dahinter begann der Buckel, ein dicht bewaldeter Berg, der der Insel das merkwürdige Aussehen gab.

      Sie legten den Toten hinter die Palmen und bedeckten ihn mit einem kleinen Hügel aus Steinen.

      Als Hasard sich umdrehte, bemerkte er, daß der Rumpf der kopflosen Seeschlange wieder wild zu zucken begann. Es war ein unheimlicher Anblick, wie er sich weiter durch den Sand schlängelte, als wäre ihr nichts passiert.

      „Scheißinsel“, sagte Ed. „Noch nie habe ich mich in der gesamten Südsee so schlecht gefühlt wie hier. Als wäre alles verhext oder mit Gift überzogen.“

      „Auf dieser Insel riecht man den Tod“, sagte der Kutscher, und er meinte es mit seinen Worten verdammt ernst. „Er scheint hier überall zu lauern.“

      „Nun übertreibe mal nicht, Kutscher“, sagte Hasard. „Sehen wir uns das zertrümmerte Boot an.“

      Bis zu dem kleinen Wrack waren es nur ein paar Schritte. Bei jedem Schritt knisterte und knirschte der Sand unter ihnen, als trete man auf frisch gefallenen Schnee.

      Die einzigen Lebewesen am Strand waren Krebse, die blitzschnell in ihre im Sand gebuddelten Löcher flohen, sobald sie sich ihnen näherten. Ab und zu glotzten sie mit ihren Stielaugen heraus, dann verschwanden sie wieder.

      Vor dem Wrack blieb der Seewolf kopfschüttelnd stehen. Aus den Überresten ließ sich trotz der Verwüstung noch einwandfrei erkennen, daß es sich um den etwas breiten Stamm einer Palme handelte. Er war ausgehöhlt worden und sollte fraglos als Wasserfahrzeug dienen, in dem ein Mann Platz hatte.

      „Stell dir das einmal vor, Sir“, sagte der Kutscher. „Da kommen ein paar Insulaner mit ihrem Ausleger zu dieser Insel, tun nichts weiter, als das fragwürdige Boot zu zerstören, und verschwinden danach wieder. Siehst du darin einen Sinn?“


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