Seewölfe - Piraten der Weltmeere 254. John Curtis

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 254 - John Curtis


Скачать книгу
unter anderem dem riesigen Neger, der mit wild rollenden Augen heranlief. Bevor dieser schwarze Gigant heran war, gab Halef einem seiner noch unbeschädigten Kumpane ein schnelles Zeichen mit den Augen. Der verstand sofort, drehte sich um und sprang mit einem Satz über Bord. Genau das hatte Halef von Anfang an beabsichtigt: raus an Deck, eine kurze Prügelei inszenieren und dann über Bord! Damit waren sie dann so gut wie in Sicherheit.

      Auch er sprang im letzten Augenblick, als die Fäuste des Negers sich hoben. Er war nicht feige, er hatte auch keine Angst, er wollte nur nicht wieder ausgeliefert werden, und das stand ihm bevor, wenn diese Kerle ihn zusammenschlugen.

      So sprang er und tauchte weg, und noch während er sprang, lag ein hinterhältiges Grinsen auf seinem Gesicht, und in seinen Augen war blanker Triumph zu lesen.

      „Alles immer gleich springen über Bord, verdammich“, sagte Batuti enttäuscht und ließ die Fäuste sinken. „Nix mehr kämpfen, immer hauen ab.“

      „Ein wahres Wort“, pflichtete der Profos ihm bei und schickte einen schnellen fragenden Blick in die Runde.

      Genau zehn Grabräuber lagen auf den Planken, neben sich zersplitterte Faßdauben, mit denen sie gekämpft hatten. Jetzt war dieser Kampf vorbei, und sie hatten ihn verloren. Einen zweiten derartigen Überfall würde es aller Voraussicht nach nicht mehr geben.

      Während die anderen Seewölfe die aufsässigen Kerle einsammelten, um sie erneut in die Piek zu verfrachten, wandte sich Carberry an den Seewolf.

      „Was tun wir mit den beiden, Sir?“ fragte er. Sein klobiger Daumen wies achteraus, wo Halef und einer seiner Kumpane im Nil schwammen.

      Hasard war über diesen Zwischenfall immer noch verbiestert. Seine eisblauen Augen schossen Blitze.

      „Das war überflüssig, Mister Carberry“, sagte er hart. „Absolut überflüssig, verdammt noch mal! Konntet ihr denn nicht besser aufpassen? Ihr kennt doch langsam diese Fanatiker und ihre Unberechenbarkeit. Genügend Abstand vom Schott, und nichts wäre passiert.“

      „Sie hatten angeblich einen Toten, Sir“, sagte der Profos entschuldigend und mit gesenktem Kopf. „Deine Söhne haben das übersetzt, aber es stimmte natürlich nicht.“

      „Natürlich nicht“, höhnte Hasard. „Wenn sie gesagt hätten, deine Großmutter säße mit verheulten Augen in der Vorpiek, dann hättest du das wohl auch gefressen, was, Mister Carberry?“

      Der Profos ließ den Anschiß reumütig über sich ergehen. Dann blickte er fast scheu achteraus, wagte aber nicht, seine eben gestellte Frage zu wiederholen. Dann, kehrte sein Blick zurück, und er sah Hasard an wie ein alter kranker Hund.

      „Willst du den beiden hinterherschwimmen?“ fragte Hasard. „Sollen wir beidrehen, ein Boot abfieren, Anker setzen? Oder sollen wir sie höflich an Bord zurückpfeifen? Siehst du eine Möglichkeit, die beiden Kerle wieder einzufangen? Nein, die siehst du natürlich nicht. Bevor wir etwas unternommen haben, sind die längst an Land und verschwunden. Wir haben sie schließlich nicht über Bord geworfen. Es war ihr alleiniger verdammter Entschluß. Also sollen sie verschwinden, und der Teufel mag sie holen. Ich habe ausdrücklich dem Türken gegenüber betont, daß ich keine volle Verantwortung für die zwölf Buschräuber übernehmen kann.“

      „Aye, aye, Sir“, sagte Carberry leise. Mann, dachte er, hatte der Seewolf eine Laune! Aber war das verwunderlich?

      Unwillkürlich betastete er seine Beule. Da hatte ihm der Nubier aber ein saftiges Ding verpaßt. Es fühlte sich an wie ein Entenei, das seinen Schädel zierte. Vermutlich allerdings ein sehr buntes Entenei, das in allen Farben schillerte.

      „Die Kerle werden von nun an nur noch einzeln oder zu zweit an Deck gebracht“, sagte Hasard. „Hast du das verstanden, Mister Carberry?“

      „Aye, aye, Sir.“

      Der Profos fing noch einen ungnädigen Blick von Ben Brighton ein, dann verließ er mit gekrümmtem Rücken das Achterdeck. Seine Lippen waren biestig zusammengekniffen, sein gewaltiges Kinn weit vorgeschoben, und seine Fäuste baumelten an den Seiten herunter wie zwei gewaltige Schmiedehämmer. Er sah so aus, als würde er jetzt die Masten aus dem Kielschwein rupfen, sie zur anderen Nilseite hinüber werfen und sich mit den Segeln die Nase schneuzen.

      Unterdrückt fluchend gingen ihm die meisten aus dem Weg, als er zur Kuhl abenterte.

      Neun Grabräuber befanden sich wieder benommen in der Piek, der zehnte hockte noch auf der Kuhl, dicht neben der Gräting, und Reste des Hirsebreies tropften ihm immer noch aus dem Gesicht. Der Kerl mußte schon halb erstickt sein.

      „Was tut der noch hier?“ brüllte Ed. „Warum ist das Rübenschwein nicht längst unten, was, wie? Spielt der hier Thorfin Njal und läßt sich einen Helm wachsen?“

      „Wir kriegen den Topf nicht von seinem Schädel“, sagte Smoky entschuldigend. Er packte zum wiederholten Mal die beiden Henkel und zerrte daran. Aber er zerrte den Kerl dabei immer gleich mit in die Höhe, und bei jedem Zerren erklang unter dem „Helm“ ein ersticktes Wimmern.

      Carberry sah die Arwenacks grinsen, aber jedesmal wenn er die Blickrichtung wechselte, wurden die Grinser todernst und heuchelten Besorgnis und Mitleid über den frischgebackenen Wikinger.

      Ed wollte sich nicht das zweite Donnerwetter vom Seewolf einhandeln, denn der konnte die Situation mißverstehen. Der Anblick war aber auch zu komisch. Da hockte ein in ein löchriges Nachthemd gekleidetes, über und über mit Hirsebrei beklekkertes oberägyptisches Individuum an Deck und wimmerte vor sich hin. Und auf dem Schädel saß ihm wie ein großer Ballon ein Kupferkessel mit zwei Henkeln.

      „Legt das Rübenschwein lang!“ donnerte der Profos. „Du, Smoky, ziehst am rechten Henkel, du, Ferris, am linken, und ich packe ihn bei seinen großen Latschen. Wenn ich ‚los‘ sagte, dann zieht ihr, verstanden?“

      Sie nickten und packten zu, Smoky am rechten Henkel, Ferris am linken, während die anderen interessiert herumstanden und bereits Wetten abschlossen, ob die beiden ihm den Kopf abrissen oder Carberry ihm die Beine in die Länge zog.

      Carberry nickte grimmig und sagte: „Los!“

      Es gab ein saugendes, schmatzendes Geräusch, als würde eine Blase aus dem Sumpf nach oben steigen und dort zerplatzen.

      Der Profos hatte sich, weil er ja gegen zwei Männer zog, am Süllrand des Laderaums festgestemmt. Daher konnte ihn so leicht nichts umwerfen. Der Grabräuber knallte auf die Planken und stieß einen lauten Schrei des Entsetzens aus.

      Smoky und Ferris aber, die urplötzlich den leeren Topf in den Pranken hielten, sausten wie zwei abgefeuerte Kanonenkugeln zurück. Dazu gesellte sich ein weiterer unglückseliger Zufall, eine Verkettung geradezu lieblicher Umstände, denn der Kutscher öffnete das Kombüsenschott und wollte gerade mit dem Abfallkübel an Deck.

      Smoky und Ferris knallten mit dem Kreuz voller Wucht gegen das Schott. Das Kombüsenschott wiederum donnerte dem Kutscher ins Gesicht und trieb ihn ebenfalls zurück. Die Wucht warf ihn unvorbereitet um, und zu allem Übel ergoß sich der Inhalt des Eimers über ihn.

      Aus der Kombüse erklangen unflätige unterdrückte Flüche und ein Gebrüll, das selbst den Profos zusammenzucken ließ.

      Mit einem Satz war er am Schott, riß es auf und sah den Kutscher zwischen matschigen Essensresten, Zwiebelschalen und undefinierbarem Kraut liegen.

      „Was soll diese Schweinerei?“ fragte er grob. „Schüttet man so vielleicht den Dreck aus, was, wie?“

      Der Kutscher, voller Wut aufgebraßt wie selten, warf mit allem, was er zwischen die Finger kriegte, nach dem Profos.

      Ehe sich das Mißverständnis klärte, lachten sich Ferris und Smoky bereits halbtot.

      Nur der Kutscher fluchte weiter, in der Annahme, Ed hätte ihm das Schott absichtlich vor der Nase zugeknallt.

      „Mann, ich wußte gar nicht, daß du so fluchen kannst“, sagte Carberry anerkennend. „Alle Achtung!“

      Sein Zorn war jetzt einigermaßen


Скачать книгу