Seewölfe - Piraten der Weltmeere 276. Burt Frederick

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 276 - Burt Frederick


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sich daran mitschuldig.

      Arwenack bewegte sich breitbeinig auf die Zwillinge zu und ließ sich vor ihren Füßen nieder. Das faltige Gesicht des Schimpansen sah sorgenvoll aus, wie er es unter den Vorderpfoten verbarg, die menschlichen Händen sehr ähnlich waren. Die niedergeschlagene Stimmung hatte auf ihn übergegriffen. Sein Instinkt ließ ihn wissen, daß mit „seinen“ Menschen etwas nicht in Ordnung war.

      Big Old Shane, der riesenhafte Schmied von der Feste Arwenack in Cornwall, strich sich nachdenklich durch den wilden grauen Bart. Dann legte er den. Zwillingen die mächtigen Hände auf die kleinen Schultern und nahm sie beiseite. Auch dabei klirrten die Ketten. Es war für die Männer ein Geräusch, das sie von nun an offenbar nicht mehr verlassen würde.

      Bis an ihr Ende?

      „Hört mal zu, ihr Barsche“, sagte Big Old Shane leise. „Ihr haltet jetzt besser den Mund. Wir müssen alle nachdenken, versteht ihr? Vielleicht gibt es noch einen Weg …“ Er sprach nicht weiter, und die Söhne des Seewolfs senkten betreten den Kopf.

      Gary Andrews, der hagere Fockmastgast, Batuti, der schwarze Herkules aus Gambia, und Matt Davies, der grauhaarige Mann mit der Hakenprothese am rechten Arm, hatten sich auf die Pritschen sinken lassen und starrten dumpf brütend vor sich hin.

      Philip Hasard Killigrew lehnte sich an das Eisengitter der Zellentür. Selten hatte er seine Männer so deprimiert gesehen. Und er selbst vermochte beim besten Willen nichts mehr zu tun, um aus ihnen wieder jene rauhbeinige Crew zu machen, die es gewohnt war, lachend mitten in die Hölle zu segeln und den Teufel höchstpersönlich am Schwanz zu zwacken.

      Crew!

      Allein das gedachte Wort durchzuckte den Seewolf wie ein glühender Schmerz. Was sie aus ihrem Bewußtsein zu verdrängen suchten, wurde doch immer wieder wach: Die Ungewißheit über das Schicksal der anderen Männer von der „Isabella VIII.“, ihrer treuen Freunde und Kampfgefährten.

      Vielleicht lag es auch an dieser schmerzlichen Ungewißheit, daß sie ihre jetzige Lage so rabenschwarz sahen.

      2.

      Quälend langsam verstrichen die Stunden.

      Längst hatte sich die Sonne über der grünen Weite Irlands erhoben, und in Galway war der bleigraue Morgendunst einem strahlenden frühen Tageslicht gewichen. Die Stadt erwachte zum Leben, Menschen erfüllten die Gassen mit Geschäftigkeit, und der Sonnenschein verlieh ihnen an diesem Tag besondere Schaffenskraft.

      Bis in den Kerker der Burkes drang das Sonnenlicht nicht vor. Nur eine trübe Helligkeit hatte das bisherige Halbdunkel verdrängt. Philip Hasard Killigrew, seine Söhne und die Männer hatten sich auf die Pritschen niedergelassen und dösten vor sich hin. Jeder einzelne hing seinen Gedanken nach, die alles andere als von Sonnenschein beflügelt waren.

      Die Gefangenen in den Nachbarzellen verhielten sich noch schweigsam, obwohl sich einige von ihnen bereits aufgerichtet hatten und mit unverhohlener Neugier herüberstarrten. Doch sie schienen zu spüren, daß es keine gewöhnlichen Galgenstricke waren, die man da neu einquartiert hatte. Nein, von diesen Männern strahlte trotz ihrer schmählichen Lage eine Härte aus, die auf unerklärliche Weise Respekt einflößte und zur Zurückhaltung mahnte.

      Unvermittelt wurden die Seewölfe aus ihrem Dämmerzustand aufgeschreckt.

      Schritte näherten sich weit hallend aus dem Gewölbegang. Im nächsten Moment wurde die Verbindungstür geöffnet.

      Hasard richtete sich halb auf und blickte in den Vorraum, wo unnötigerweise noch immer die Fackel brannte.

      Norman Stephens trat vor die Zelle der Seewölfe, verharrte breitbeinig und stemmte die Fäuste in die Hüften. Vier Uniformierte waren bei ihm, einer von ihnen entriegelte auf einen Wink von Stephens die Zellentür. Ein anderer löschte die Fackel.

      „Mister Killigrew“, sagte Stephens mit jener unglaubwürdigen Höflichkeit, mit der Soldaten ihre Kriegsgefangenen zu behandeln pflegten. „Wenn Sie mir bitte folgen wollen …“

      Der Seewolf richtete sich auf. Die, Ketten an seinen Gelenken klirrten.

      „Sir Hasard heißt das!“ knurrte Matt Davies und verschaffte seinen Gefühlen damit Luft. „Wenn es schon so geschraubt klingen muß, dann gefälligst richtig! Philip Hasard Killigrew wurde von der königlichen Lissy zum Ritter geschlagen, und er ist von ihr durch einen Kaperbrief beauftragt …“

      Der Seewolf unterbrach Matt mit einer unwilligen Handbewegung.

      Norman Stephens hatte die Augenbrauen hochgezogen.

      „Ist das wahr?“ fragte er staunend. „Es tut mir leid, aber das habe ich nicht gewußt. Selbstverständlich ist ein von der englischen Königin verliehener Titel zu respektieren, Sir Hasard. Ich bitte um Verzeihung.“

      Die Männer starrten sich gegenseitig an und blinzelten. Matt Davies, dem der Wind aus den Segeln genommen war, sperrte den Mund auf und kriegte ihn nicht wieder zu.

      „Ich lege keinen Wert auf Titel“, sagte der Seewolf, „halten Sie es damit, wie es Ihnen gefällt, Mister Stephens. Was wollen Sie von mir?“

      „Die Frage ist erlaubt“, sagte Stephens und lächelte. „Aber keine Sorge. Es handelt sich nur um eine Unterredung. Folgen Sie mir jetzt bitte, Sir Hasard.“

      „Shane!“ Hasard wandte sich im Hinausgehen nur kurz um. „Du übernimmst das Kommando, solange ich weg bin.“

      „Aye, aye, Sir.“ Der graubärtige Riese war aufgesprungen und grinste über die ganze wilde Gesichtslandschaft.

      Nachdem die Zellentür verriegelt worden war, führten Stephens und seine Begleiter den Seewolf durch den Gewölbegang in eine Kammer, die offenbar den Wachhabenden als Aufenthaltsraum diente. Jetzt war die Kammer allerdings zweckentfremdet.

      Der Mann, der hinter einem rohgezimmerten Tisch saß und den Kopf hob, sah nicht danach aus, daß er es nötig hatte, Wache zu schieben oder andere niedere Dienste auszuführen.

      Norman Stephens und Philip Hasard Killigrew traten ein. Einer der Söldner schloß die Tür von draußen. Hasard wußte auf Anhieb, wen er vor sich hatte. Den Mann, von dem alle Macht in Galway ausging, hatte Dan O’Flynn ihm ausführlich beschrieben.

      George Darren Burke war sechsundvierzig Jahre alt und ein Klotz von einem Kerl – schwergewichtig und untersetzt, dabei aber nicht unbedingt fett zu nennen. Sein kostbares seidenes Wams war fraglos von spanischen Schneidern angefertigt worden. Die edelsteinbesetzten goldenen Ringe an seinen fleischigen Fingern mußten ein Vermögen wert sein. Burke trug das dunkelblonde Haar schulterlang, sein Spitzbart war nach dem Vorbild spanischer Edelleute gestutzt.

      „Setzen Sie sich, Gentlemen“, sagte Burke, und seine Stimme klang so, als fühle er sich zu diesem Gespräch eher gezwungen als freiwillig veranlaßt.

      Stephens schob dem Seewolf einen Schemel hin und setzte sich selbst auf eine Bank neben der Tür.

      Burke sah sein Gegenüber eine Weile prüfend an. Dann räusperte er sich und hüstelte, wobei er die rechte Faust zum Mund hob. Der Seewolf wich dem Blick des Magistratsvorsitzenden keine Sekunde lang aus.

      „Ich habe Sie hergebeten, Killigrew …“ begann Burke gedehnt, und es klang, als suche er noch nach Worten.

      „Verzeihung, Sir!“ mischte sich Norman Stephens aus dem Hintergrund ein.

      „Ja?“ Burke blickte an der Schulter Hasards vorbei.

      „Es handelt sich um folgendes, Sir: Ich habe soeben erfahren, daß dieser Mann von Königin Elisabeth zum Ritter geschlagen worden ist. Sein Titel lautet demzufolge ‚Sir Hasard‘.“

      „Sieh an.“ Burke rieb sich den Spitzbart mit Daumen und Zeigefinger der linken Hand und wandte seinen Blick wieder dem Gefangenen zu. „Nicht im entferntesten habe ich geahnt, daß wir einen so prominenten Gast in unseren Mauern haben. Ich hoffe, Sie fühlen sich angemessen behandelt, Sir Hasard – den Umständen entsprechend.“


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