Seewölfe - Piraten der Weltmeere 276. Burt Frederick

Seewölfe - Piraten der Weltmeere 276 - Burt Frederick


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kleiner, krummbeiniger Kerl in zerlumpten Kleidern. Sein zerzaustes Haar leuchtete feuerrot über einem füchsischen Gesicht.

      „Gestatten Sie, daß ich mich einmische, Gentlemen?“ Seine Stimme klang krächzend. „Mein Name ist Seamus Muldeen, und ich denke, ich kann Ihnen zu der Geschichte ein paar wichtige Hinweise geben.“ Er sah den Seewolf an und winkte mit knochigem Zeigefinger. „Rücken Sie etwas näher, Sir. Die anderen Galgenstricke“, er deutete mit einer Kopfbewegung nach hinten, wo die übrigen Gefangenen stumm und lauernd auf ihren Pritschen ausharrten, „brauchen nicht jedes Wort mitzukriegen.“

      Stirnrunzelnd stand Hasard auf. Vielleicht war der Mann ein Wichtigtuer. Aber andererseits ging es um ihrer aller Schicksal, und da konnte jeder Hinweis wichtig sein, auch wenn er noch so lächerlich erschien.

      Er ging zum Zellen-Trenngitter hinüber und sah dem rothaarigen kleinen Fuchsgesicht forschend in die Augen.

      „In Ordnung, Mister Muldeen, dann laß mal hören, was du so Wichtiges auf Lager hast.“

      Der Ire kicherte und wischte sich mit dem Handrücken über die Bartstoppeln, die seinen schmallippigen Mund umgaben.

      „He, du denkst, ich bin ein Aufschneider, Sir Hasard?“ So, wie er die Anrede betonte, war herauszuhören, daß er den Titel des Seewolfs eher belustigend fand.

      „Nein, das denke ich nicht“, entgegnete Hasard ruhig. „Wir sind fremd in dieser Stadt und in eine verdammt miserable Lage geraten. Da müssen wir jedem dankbar sein, der uns ein bißchen auf die Sprünge hilft.“

      „Mhm.“ Muldeen nickte zufrieden. „Ehrlich gesagt, ich hab gleich gesehen, daß ihr Kerls in Ordnung seid. Keine Halunken und Halsabschneider von der Sorte, wie man sie sonst in diesen hübschen Gemächern antrifft.“

      Er schien sich selbst für etwas sehr viel Besseres zu halten. Dan O’Flynn, Big Old Shane und die anderen Männer mußten sich ein Grinsen verkneifen, um den Iren nicht zu beleidigen.

      „Was denkt ihr“, fuhr Muldeen fort, „weshalb Burke euch als billiges Kanonenfutter haben will? Daß ihr Sold oder so was kriegt, glaubt ihr ja wohl nicht. Ihr könnt froh sein, wenn ihr von seinem Söldnerfraß nicht verhungert. Also, was denkt ihr?“

      Der Seewolf ging bereitwillig auf das Frage- und Antwortspiel ein.

      „Sieht so aus“, begann er gedehnt, „als ob Burke mit den Rebellen eine Menge Ärger hat. Da kann ihm jede Verstärkung nur recht sein. Möglich auch, daß er einen Rachefeldzug plant.“

      Der krummbeinige Ire kicherte wieder.

      „Rache?“ fragte er dann. „Du meinst, wegen seines lächerlichen Geldtransports?“

      „So lächerlich kann der nicht gewesen sein“, widersprach der Seewolf, „was wir gehört haben, ist, daß die Rebellen vor ein paar Monaten diesen Transport zur See überfallen haben. Sie raubten das Geld, töteten die gesamte Besatzung und versenkten das Schiff. Wenn das eine Kleinigkeit ist, weiß ich es nicht.“

      „Sehr richtig“, sagte Muldeen, „du hast keine Ahnung, mein lieber Sir Hasard. Dieser Transport war für Burke ein kleiner Fisch, und er könnte das wahrhaftig verschmerzen. Deshalb legt er sich nicht dauernd mit den Rebellen an. Und im Interesse der Stadt Galway und ihrer ehrenwerten Bürger führt er seinen Kleinkrieg schon gar nicht. Soll ich dir sagen, um was es wirklich geht?“

      „Da bin ich mal gespannt“, entgegnete Hasard, und das war ehrlich gemeint.

      Seamus Muldeen nickte abermals und winkte den hünenhaften Engländer noch näher zu sich heran. Der Ire senkte seine Stimme zum Flüsterton.

      „Hast du mal was von dem Goldschatz gehört?“

      „Von dem der Spanier?“

      „Haargenau, Mister – äh – Sir Hasard. Ich sage dir, es ist was wahr an der Geschichte, die man sich in jeder Hafenkeipe erzählt. Das war 1580, glaube ich, als die Spanier mit 600 Mann in Smerwick gelandet sind, um die Rebellen gegen die Engländer zu unterstützen. Aber die Dons haben dann ja mächtigen Schiffbruch erlitten. Nur ein Dutzend von ihnen soll überlebt haben. Es heißt, daß sie ihren Goldschatz in Sicherheit gebracht haben – irgendwo im Rebellenland.“

      Hasards Augen verengten sich.

      „Du meinst, Burke ist hinter dem Goldschatz her?“

      „Das meinte ich nicht nur“, sagte Muldeen auftrumpfend, „es ist so.“

      „Gibt es einen Beweis dafür?“

      „Niemand erzählt Geschichten ohne irgendeinen Grund. Es ist immer was Wahres dran. Und wenn der Goldschatz nicht bei den Rebellen wäre, ja, dann hätten ihn doch die Engländer beim Sieg von Smerwick erbeuten müssen. Oder?“

      Hasard rieb sich das Kinn.

      „Das klingt logisch“, sagte er und nickte. „Es könnte etwas dran sein an dem, was du sagst, Seamus Muldeen.“

      „Glaube mir, Sir Hasard, ich habe recht. Denk noch mal gut über alles nach. Natürlich wäre es unklug, wenn ihr Burke den Hals hinhaltet, damit er euch die Rübe abhackt. Aber es ist genauso unklug, für ihn die Kohlen aus dem Feuer zu holen. Das schafft ihr nämlich nie im Leben. Gegen die Übermacht der Rebellen richtet ihr nichts aus, und wenn ihr hundert Mann von Norman Stephens’ Leuten dabeihabt. Wenn ich euch einen Rat geben darf: Nutzt die erstbeste Gelegenheit, um abzuhauen. Ich sage dir das nur, weil ich gemerkt habe, daß ihr anständige Kerle seid.“

      Philip Hasard Killigrew lächelte und reichte dem Iren die kettenbewehrte Hand. Dann wandte er sich ab. Kein Wort drang über seine Lippen. In Gedanken vertieft ließ er sich auf seine Pritsche sinken. Und keiner seiner Männer stellte eine Frage.

      Sie kannten ihn gut genug, um zu wissen, daß er in diesem Augenblick seine Entscheidung getroffen hatte.

      Jeder einzelne von ihnen stand hinter dieser Entscheidung.

      Sie hatten genug von dem mitgehört, was der fuchsgesichtige Muldeen berichtet hatte.

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