Seewölfe - Piraten der Weltmeere 276. Burt Frederick
Kopf und lächelte süffisant.
„Da bin ich anderer Meinung, Sir Hasard. Anerkennung, wem Anerkennung gebührt. Nun, ich denke, wir sollten uns dem eigentlichen Thema zuwenden.“
„Ich bitte darum. Meine Männer fühlen sich unbehaglich, weil sie nicht wissen, was ihnen bevorsteht.“
„Das zu ändern, liegt ganz bei Ihnen.“ Burke lächelte wieder, breiter diesmal.
„Wie soll ich das verstehen?“
„Hören Sie gut zu. Vorweg müssen Sie wissen, daß dieses Gespräch auf eine Anregung von Norman Stephens zurückzuführen ist. Er hat mir seine Beobachtungen bei den verschiedenen – hm, sagen wir – Auseinandersetzungen geschildert. Daraus entnehme ich, daß mein Freund Stephens Ihnen mehr und mehr Anerkennung zollt. Sie sind ein Mann, so sagte er, den er gern auf seiner Seite wüßte.“
„Das ist wahr“, sagte Norman Stephens, und es klang ein wenig verlegen.
Der Seewolf wandte sich nur kurz um und las die Ehrlichkeit im Gesicht des Söldnerkommandanten. Schon oft hatte er erlebt, daß Gegner seiner Fairneß Respekt zollten, ja, sogar zu Freunden wurden. Was sich in diesem Fall dabei ergeben sollte, erschien im Moment noch äußerst rätselhaft.
„Zur Sache also“, sagte George Darren Burke mit einem erneuten Räuspern. „Sie haben vielleicht ein wenig über die Lebensumstände in unserer schönen Stadt erfahren, Sir Hasard. Dann werden Sie vielleicht die besonders mißliche Lage verstehen, in der wir Bürger von Galway uns befinden. Wir sind von Feinden umgeben. Immer wieder werden wir von den verdammten irischen Rebellen zu Auseinandersetzungen gezwungen. Wenn es nach uns ginge, könnten wir durchaus in friedlichem Nebeneinander leben. Aber dieses Rebellenpack gibt nicht eher Ruhe, bis wir auf die Knochen ausgeplündert worden sind. Natürlich wird ihnen das nie gelingen. Dafür haben meine Familie und die anderen maßgeblichen Bürgerfamilien dieser Stadt Vorkehrungen getroffen. Ich selbst habe es in meiner Eigenschaft als Magistratsvorsitzender übernommen, die Abwehrmaßnahmen gegen die Rebellen federführend zu koordinieren. Deshalb unterhalte ich die Einsatztruppe unter dem Kommando von Mister Stephens, deshalb gibt es auf meinem Anwesen auch diese – hm, Unterbringungsmöglichkeit für gewisse gefährliche Personen.“ Burke legte eine Pause ein.
„Ich verstehe noch nicht ganz“, sagte Hasard, obwohl er sehr genau begriff, auf was sein Gegenüber hinauswollte.
„Das ist ganz einfach.“ George Darren Burke preßte die Fingerkuppen gegeneinander und legte sie einen Moment lang an die Lippen, bis er weitersprach. „Wegen dieser dauernden Auseinandersetzungen bin ich ständig auf die Verstärkung meiner Truppe angewiesen. Ich unterbreite Ihnen deshalb ein Angebot, Sir Hasard, das für Sie und Ihre gesamte Mannschaft gilt. Sie haben die Wahl zwischen zwei Möglichkeiten. Die schlechtere zuerst: Wegen der Verbrechen, die Ihnen vorzuwerfen sind, werden Sie zum Tode verurteilt und öffentlich hingerichtet. Die zweite und bessere Möglichkeit, wie ich meine: Sie verpflichten sich freiwillig zum Dienst in meiner Truppe und stellen sich unter das Kommando von Norman Stephens, in dem Sie einen guten Kameraden finden werden.“ Burke lehnte sich zurück. „Ehrlich gesagt, ich an Ihrer Stelle würde mit der Antwort überhaupt nicht zögern. Für mich wäre klar, wie ich mich entscheide. Ein großzügigeres Angebot können Sie doch gar nicht erwarten.“
Diesmal war es der Seewolf, der lächelte.
„Eines würde ich vorher gern wissen, Mister Burke. Welche ach so schwerwiegenden Verbrechen sind es denn, wegen denen man meine Männer und mich gleich zum Tode verurteilen muß?“
Steile Falten des Unwillens entstanden auf Burkes Stirn.
„Das fragen Sie noch? Wir waren in Galway schon immer gezwungen, besonders hart durchzugreifen, um Ruhe und Ordnung aufrechtzuerhalten. Davon kann und darf es keine Ausnahme geben. In Ihrem Fall geht es um nicht weniger als Ehebruch, begangen durch den jungen Mann namens Dan O’Flynn. Außerdem um Widerstand gegen die Obrigkeit in mindestens zwei Fällen und um Befreiung eines Gefangenen. Jeder andere, dem wir all das zur Last zu legen hätten, würde ohne viel Gerede einen Kopf kürzer gemacht werden. Habe ich mich klar genug ausgedrückt?“
„Klar genug“, entgegnete der Seewolf, „und trotzdem unverständlich. Wie wäre es, wenn Sie die Dinge einmal so sehen, wie sie sich wirklich abgespielt haben? Nicht Dan O’Flynn hat mit Kathryn Stephens angebändelt. Umgekehrt wird ein Schuh draus. Haben Sie entsprechende Vernehmungen durchführen lassen?“
„Unsinn!“ Bruke wischte ärgerlich mit der flachen Hand durch die Luft. „Mein Freund Stephens ist in der Sache befangen, und die Aussage einer Frau, in diesem Fall der Betroffenen, gilt nichts. Ich muß mich auf die Zeugen verlassen, und die sprechen eindeutig gegen O’Flynn. Und was die sonstigen Vorwürfe betrifft – nun, die wollen Sie ja wohl nicht abstreiten.“
Hasard gab es auf. Es hatte keinen Sinn. Burke würde niemals davon zu überzeugen sein, daß sie zu Unrecht gefangengenommen worden waren.
„Eine andere Frage“, sagte der Seewolf deshalb, „wie lange würde denn der Dienst in Ihrer Truppe dauern?“
Die Unmutsfalten wichen aus dem Gesicht des Magistratsvorsitzenden.
„Ich sehe, wir verstehen uns allmählich wieder besser. Nun, ich möchte es so ausdrücken: Bei guter Führung ist eine vorzeitige Entlassung durchaus möglich. Voraussetzung dafür ist allerdings, daß sich die Lage im Kampf gegen die irischen Rebellen entspannt hat.“
Hasard nickte. Diese Antwort konnte alles und auch nichts bedeuten.
„Ich muß darüber nachdenken“, sagte er. Irgendwie hatte er das Gefühl, daß Burke aus einem noch unbekannten Grund auf seine Dienste angewiesen war. „Ohne meine Männer gehört zu haben, kann ich sowieso keine Entscheidung treffen. Sind Sie mit einer Bedenkzeit von vierundzwanzig Stunden einverstanden?“
Einen Moment sah es aus, als wollte Burke aufbrausen. Aber er wechselte einen Blick mit Norman Stephens und blieb ruhig.
„Also gut“, sagte er widerstrebend, „meinetwegen. Aber nach der Frist verlange ich die Entscheidung. Unwiderruflich.“
Deutliche Erleichterung war in den Gesichtern der Männer und der beiden Jungen zu erkennen, als Hasard in die Zelle zurückgebracht wurde.
„Himmel, Arsch und Kabeljau“, platzte Matt Davies heraus, „wir haben alle schon geglaubt, wir würden dich nie wiedersehen, Sir.“
Der Seewolf winkte ab und ließ sich auf eine der Pritschen sinken. Ein vielfältiges Kettenklirren setzte ein, als sich seine Männer und seine Söhne im Halbkreis um ihn scharten. Stephens und seine Begleitmannschaft hatten sich sofort zurückgezogen, nachdem die Zellentür verriegelt worden war.
„Galeeren habe ich in diesem verdammten Hafen nicht gesehen“, sagte Gary Andrews, „da bleibt uns wohl erspart, daß sie uns auf irgendwelche lausigen Ruderbänke ketten.“
„Ha!“ rief Batuti. „Du bist ein – ein …“
„Optimist“, half ihm Hasard mit versonnenem Lächeln auf die Sprünge.
„Richtig“, sagte der schwarze Herkules aus Gambia und blickte in die Runde. „Bilden wir uns doch nichts ein! Die verkürzen uns um einen Kopf, ist doch klar.“
„Heraus damit, Hasard“, drängte Big Old Shane, „du hast doch bestimmt erfahren, was jetzt mit uns werden soll.“
„Ja, spann uns nicht länger auf die Folter“, bekräftigte Dan O’Flynn, „dazu ist die Sache bestimmt viel zu ernst.“
Die anfängliche Erleichterung der Männer war jetzt wachsender Spannung gewichen, auch die Blicke der Zwillinge klebten an den Lippen ihres Vaters.
„Es freut mich, daß ihr mich endlich auch mal sprechen laßt“, sagte der Seewolf, wurde aber sofort wieder ernst. „Leider hat Batuti mit seiner Vermutung ganz und gar nicht unrecht. Es gibt aber noch eine andere Seite der Geschichte.“ In knappen Zügen, aber doch ausführlich genug, schilderte Hasard das Gespräch mit George Darren Burke.
Als er