Jenny Marx. Marlene Ambrosi

Jenny Marx - Marlene Ambrosi


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Die elterlichen Ermahnungen wurden nicht beachtet, Jenny und Karl schritten zur Tat. Sie verbrachten Stunden der Liebe oder einige Liebesnächte zusammen, endlich ungestört. Jenny befand sich in einem wahren Liebesrausch und stammelte eingedenk des höchsten Glücksgefühls einige Tage später in ihrem Brief aus Neuss: „Und dennoch Karl ich kann, ich fühle keine Reue, halte ich mir die Augen fest, fest zu und Seh ich dann Dein selig lächelndes Auge – sieh, Karl dann bin ich selbst in diesem Gedanken selig – Dir alles gewesen zu sein – andern nichts mehr zu sein. Ach Karl ich weiß sehr gut was ich gethan und wie ich vor der Welt geächtet wäre, ich weiß das Alles, alles und dennoch bin ich froh und selig und gäb selbst die Erinnerung an jene Stunden um keinen Schatz der Welt dahin. Das ist mein Liebstes und soll es ewig bleiben.“ 52 Von nun an ergriff die sexuelle Leidenschaft die junge Frau mit aller Macht und zog sie zu dem Manne hin, den sie „unaussprechlich, grenzen-, zeit- und maßlos liebt(e)“. Noch war sie nicht am Ziel, ein Horror. Ihr graute: „Nur wenn ich denke noch so lange von Dir getrennt leben zu müssen, so ganz wieder umringt von Jammer und Elend, dann beb ich zusammen. … Jede selige Stunde durchlebt’ ich noch einmal, noch einmal lag ich an Deinem Herzen, liebeberauscht und selig! Und wie Du mich anlächeltest und froh warst. Karl, Karl, wie lieb ich Dich! … Lieber süßer Engel denkst Du denn noch oft an all die Seligkeit, ach, mein lieb, lieb Herzchen wie war ich so glücklich, so überselig! Karl Dein Weib zu sein, welch ein Gedanke – vielleicht, o Gott mir schwindelt dabei!“ 53 Das „Vielleicht“ verdrängend, beschwor sie ihren Karl umso entschiedener: „Gelt ich bin aber schon ein bischen viel Dein Fräuchen? Karlchen sag werd’s ich noch ganz. Ach, wenn ich an Trier denke, schaudre ich zusammen – meine Eltern wohnen da, meine alten Eltern, die Dich so lieben, ach Karl ich bin recht schlecht und nichts ist mehr gut an mir als meine Liebe zu Dir – die aber ist über alles groß und ewig.“ 54 Jenny von Westphalen betrachtete sich von nun an als Karls Frau, moralische Bedenken, dass ein sittsames Mädchen jungfräulich in die Ehe gehen sollte, bedeuteten nichts gegen die Liebe. Und doch stürzten ihre Gedanken für ein paar Sekunden jäh aus der Glückseligkeit in tiefste Resignation: „Karlchen wenn Du mich jetzt vergäßest – nein nein das kannst Du nicht – kannst es nie. Das Ende Deiner Liebe und das Ende meines Daseins fallen in einen Moment zusammen.“ 55 Diese Worte waren keine Drohung, kein Erpressungsversuch, eher eine Liebeserklärung, und doch offenbarten sie innere Unsicherheit. Jenny liebte Karl Marx und wusste, dass ihre Gefühle erwidert wurden, aber eine dunkle Ahnung konnte sie nicht unterdrücken.

      Nach den Tagen der Leidenschaft verging die Zeit noch langsamer für die reife Braut. Eine willkommene Abwechslung war die Taufe von Louise und Ferdinands drittem Kind. Nach Stammhalter Ferdinand (1836 – 1906) und Louise Caroline Wilhelmine Franziska (1839 – 1928) war Anna Elisabeth Charlotte Jenny von Westphalen am 22. September 1841 in Trier zur Welt gekommen. Jenny wurde als Namensgeberin zugleich Patin, zusammen mit Wilhelm Chassot von Florencourt, dem Bruder Louises. Jenny durfte das Baby in den Armen halten, als es am 8. November um 9 Uhr getauft wurde. Sie genoss das Gefühl, ein Kind in den Armen zu wiegen, und wünschte sich vielleicht, es wäre ihr eigenes Kind. Lange konnte sich Jenny nicht um ihr Patenkind kümmern, Klein-Jenny starb noch im Kindesalter.

      Nach dem Tode des Vaters wurde die Situation im Hause Westphalen schwieriger. Die Witwe erhielt ein Drittel oder vier Zehntel der Pension ihres Mannes, eine drastische Einbuße. Jenny und Edgar mussten finanziert werden, und um zu sparen, zog die Mutter mit Tochter und Schwester Ende März aus der großen Wohnung in der Brückergasse 625b in eine kleinere Wohnung in der Brückergasse Nr. 602. Wann die Familie in die Brückergasse 625b gezogen war, lässt sich nicht mit Bestimmtheit sagen. Nur drei Monate später, am 12. Juni, starb ihre 67jährige Schwester Christiane Sophie, deren Ableben von Edgar von Westphalen und Dr. Marx angezeigt wurde. Ihr Tod war vielleicht der letzte Anstoß für eine übersiedlung nach Kreuznach.

      Der Umzug fand im September statt, in einem Monat, in dem in Trier äußerst aufregende Ereignisse anstanden. Am 18. September 1842 wurde Wilhelm Arnoldi mit Verzögerung zum Bischof geweiht. Drei Jahre zuvor war er ein erstes Mal in das Amt gewählt worden, aber die preußische Regierung hatte ihm die Bestätigung verweigert, weil er wie der Kölner Erzbischof Droste von Vischering ein Gegner ihrer Misch-ehenpolitik war.

      Die Rheinlande waren vor 1815 fast rein katholisch gewesen und erst im Zuge der Eingliederung zu Preußen kamen in größerer Zahl Protestanten, zumeist Armee- und Verwaltungsangehörige, in die Gegend, die Partnerinnen fanden. Nach preußischer Regelung sollten Kinder aus Mischehen nach der Konfession des Vaters erzogen werden. Die katholische Kirche hingegen weigerte sich, diese Ehen einzusegnen, und versuchte die Braut mit Drohungen wie Exkommunikation ihrer Familie dazu zu bewegen, die katholische Erziehung ihrer Kinder durchzusetzen. Einem derartigen Arrangement versagte die Regierung die zivilrechtliche Gültigkeit der Ehe; sie wollte den protestantischen Gläubigen schützen und seine Vorrechte als Familienoberhaupt sichern. Als der Erzbischof von Köln 1837 in Verhandlungen keinerlei Bereitschaft erkennen ließ, von der katholischen Haltung abzugehen, wurde er auf der Festung Minden gefangen gehalten und erst zwei Jahre später freigelassen. Dieses Vorgehen sorgte bei den Katholiken in ganz Deutschland für Empörung und Protest, natürlich auch in Trier. König Friedrich Wilhelm IV. signalisierte Entgegenkommen und bestätigte Arnoldi nach einer zweiten Wahl als Bischof. Bei der feierlichen Inthronisation im Trierer Dom am 18. September war der oberste weltliche Repräsentant nicht anwesend. Friedrich Wilhelm IV. kam erst einen Tag später in seine Garnisonsstadt. Als Zeichen seines königlichen Wohlwollens ließ er den neuen Bischof sogar zu einem Empfang laden.

      Anlässlich seines Besuches verlieh der Herrscher besonders verdienstvollen Persönlichkeiten Orden – und zu diesen gehörte Oberregierungsrat Ferdinand von Westphalen. Aus der Hand seines verehrten Königs


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