Operation Terra 2.0. Andrea Ross

Operation Terra 2.0 - Andrea Ross


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nicht, dass ich unseren ehrgeizigen Raumfahrer davon abhalten könnte, da ein weiteres Mal hinzulangen, oder? Wir teilen uns die Verantwortung für diese Entscheidung als Team, Pierre und wir – und danach hoffentlich ebenso den Erfolg. Er ist sich vollumfänglich bewusst, worauf er sich da eingelassen hat.«

      Vierzehn endlose Minuten später meldete sich LaSalle erneut. Seine Stimme klang erregt, er atmete schwer.

      »Marscontrol, ich kann jetzt mit Gewissheit sagen, dass das diffuse Leuchten nur erscheint, wenn ich die gesamte Hand mit allen fünf Fingern auflege. Auf Druck reagiert die Fläche überhaupt nicht. Im Gegenteil – je sachter ich dorthin fasse, desto greller wird dieses Leuchten. Und jetzt kommt’s … die Oberfläche scheint in unsichtbare Sektoren aufgeteilt zu sein. Wenn ich beispielsweise vorsichtig in die rechte obere Ecke taste, leuchten feine Ritzen am Portal leicht bläulich auf, die derselben Region entsprechen.

      Wahrscheinlich könnt ihr das wegen der mangelhaften Bildqualität der Übertragung von der Erde aus nicht genau erkennen, aber es handelt sich offenbar um kein massives Material aus einem Guss, sondern um einzelne, dicht zusammengefügte Türsegmente! Sie sind allesamt rechteckig, in komplizierten Mustern angeordnet. Ich führe die Tests auf Grundlage meiner Erkenntnisse nun fort und halte bis auf weiteres Funkstille, um nicht ständig unterbrechen zu müssen. LaSalle Ende

      Nach ungefähr einer Stunde forderte Pierre LaSalle Verstärkung an, Maier stimmte zu. So machte sich sein Missionskollege Javier Molina augenblicklich auf den Weg zum Portal, ließ den Rover am bisherigen Standplatz zurück.

      »Wenn das tatsächlich einzelne, rechteckig angeordnete Elemente sind, woran erinnert euch der Anblick dann?«, sinnierte Maier mit leicht zusammengekniffenen Augen. Er starrte angestrengt auf den riesigen Bildschirm vor seiner Nase, konnte jedoch beim besten Willen keine Linien in dem grobkörnigen Bildmaterial erkennen. Für ihn sah das Portal wie eine graue, uniforme Masse aus.

      »Tetris?«, sprudelte es spontan aus Sheila heraus.

      »Genau! Das habe ich damals als Kind bis zum Gehtnichtmehr gezockt, meine Mutter ist vor lauter Ärger über die Zeitverschwendung fast durchgedreht. Aber … wenn das eine Art außerirdisches MegaTetris sein sollte, dann müssten sich die einzelnen Elemente doch gegeneinander verschieben lassen?«, fragte der gebürtige Schotte Mike McGregor, der im Kollegenkreis zu seinem Ärger scherzhaft als der Schönling bezeichnet wurde.

      Diese zutreffende Bezeichnung war seinem athletischen Körperbau, dem wallenden, dichten Blondhaar und seinen leuchtend blauen Augen geschuldet, die jede Frau ganz von selbst in ihren Bann zogen. Mike selbst war dieser Effekt indes oft unangenehm, denn mit blendend aussehenden Männern verband die Allgemeinheit nur selten ein funktionierendes Hirn – und er war nun mal ein hochintelligenter Wissenschaftler, wollte nicht als tumbes männliches Model abgestempelt, auf seinen attraktiven Körper reduziert werden. Außerdem gingen ihm die ständigen Avancen diverser Kolleginnen – und sogar eines schwulen männlichen Kollegen – mächtig auf den Geist. Er war seit drei Jahren glücklich verheiratet, verdammt noch mal!

      Dr. HendrikJan Wendler, der zu seiner Linken stand, äußerte gar nichts; er war im wahrsten Sinne des Wortes sprachlos. Der hagere Glatzkopf zuckte nur mechanisch mit den Schultern, stierte abwechselnd auf den Bildschirm und suchte in Thomas Maiers Gesicht nach Antworten. Die Option, ein von Außerirdischen hergestelltes Tor ohne rohe Gewaltanwendung öffnen zu können, überstieg wohl sein Vorstellungsvermögen. Er galt in der ESA als Mann der grauen Theorie, konnte mit gelebter Praxis wenig anfangen.

      Ganz anders Thomas Maier. Nach kurzem Grübeln meinte er: »Korrekt! Seht her, ich glaube, Pierre ist ebenfalls bereits auf diesen Einfall gekommen. Er braucht Molina wahrscheinlich, um die Segmente zu verschieben, weil das nur zu zweit funktioniert. Einer bedient die Fläche und entriegelt die jeweiligen Teile, der andere schiebt sie in Position. Und wenn mich nicht alles täuscht, kennen wir sogar die richtige Anordnung …!«

      Thomas Maier rollte mit dem Drehstuhl einen Meter zur Seite, wäre dabei fast über Mikes Füße gefahren. Er öffnete auf einem anderen Bildschirm jene Aufzeichnung, in welcher LaSalle beim Verlesen der KunststoffSchriftrolle zu sehen war. Zum Schluss hatte dieser das Dokument dicht vor die Kamera gehalten, so dass man die siebenfache Zeichenfolge am Ende des lateinischen Textes halbwegs erkennen konnte.

      »Da brat mir doch einer ‘nen Storch!«, japste Sheila. »Du hast

      Recht! Das sieht haargenau wie eine Gebrauchsanleitung aus!«

      Auf dem Mars waren Molina und LaSalle offenkundig zum selben Ergebnis gekommen, denn Letzterer packte die Kamera aus, studierte etwas auf deren Display. Dann stellte sich Molina vor dem Portal in Position, während LaSalle seine Hand in den Alkoven legte und seinem Kollegen aufmunternd zunickte. Hypernervös beobachtete das Bodenpersonal im Kontrollzentrum, wie das Team nach einigen Fehlversuchen die erste Metallplatte verschob, und zwar auf eine glatte Fläche neben der Türanlage. Das irisierende Leuchten war nun auch von der Erde aus klar und deutlich sichtbar.

      »Klar – ein Segment muss zunächst aus dem Arrangement genommen werden, sonst lassen sich ja die restlichen gar nicht verschieben«, hauchte Sheila Taylor und krallte vor Aufregung ihre Fingernägel in die rechte Schulter ihres Lebensgefährten.

      »Habt ihr gesehen, wie leichtgängig die Platte weggerutscht ist? Nach all der Zeit, die vergangen sein muss, seit … «

      »Ja, und genau dieses seit werden wir jetzt bald in Augenschein nehmen können. Die Erbauer dieser Toranlage haben wahrscheinlich sichergehen wollen, dass ausschließlich intelligente Wesen mit fünf Fingern an jeder Hand hineingelangen können – was den logischen Schluss nahelegt, dass sie uns sehr ähnlich gewesen sein müssen, woher sie auch stammten. Sie waren zu technologischen Meisterleistungen fähig, soviel steht für mich jetzt schon fest! Dabei haben unsere Kollegen die Anlage bislang noch nicht einmal betreten.

      Leute, das ist der blanke Wahnsinn … ist euch überhaupt bewusst, was vor unseren Augen und Ohren gerade geschieht? Ich beneide mich quasi selbst darum, hier und heute anwesend sein zu dürfen«, deklamierte Maier in feierlichem Tonfall. Er verdrückte ein paar Tränen der Rührung in den Augenwinkeln, während Pierre LaSalle und Javier Molina soeben das dritte Segment in seine neue Position bewegten. Immer routinierter wirkten die Bewegungen der beiden Astronauten; der antike Mechanismus schien einwandfrei zu funktionieren.

      Als das letzte Puzzleteil an Ort und Stelle gerückt war, leuchtete die gesamte Tür kurz auf – und schwebte wie durch Geisterhand zur Seite. Dahinter schien eine Art weiß verschalter Durchgang zu liegen, doch man konnte diesen kaum mehr als zwei Meter weit einsehen.

      »Marscontrol, könnt ihr auf euren Bildschirmen etwas erkennen? Wir werden den geöffneten Raum jetzt vorsichtig betreten, doch etwas scheint ihn zu blockieren. Ich kann eine dunkle Masse im Inneren ausmachen. Ich melde mich wieder, sobald ich dort angekommen bin. Javier zieht es vor, draußen zu warten. Das ist auch besser so, denn das Tor könnte sich theoretisch von selbst wieder schließen. Jemand müsste mich in diesem Fall ja herauslassen. LaSalle Ende

      Ein enttäuschtes Stöhnen hallte durchs irdische Kontrollzentrum, als Pierre kurz darauf vermeldete, dass es in diesem Gang kein Durchkommen gebe. Die vagen Vermutungen der Geologen, dass es sich hier einst um eine begehbare Lavaröhre gehandelt haben müsste, hatten sich bestätigt. Leider war sie nun fast vollständig mit erkalteter Lava verstopft, nur ein kleiner Abschnitt von zirka drei Metern Länge und vier Metern Breite war noch einigermaßen intakt geblieben.

      Trotzdem, selbst dieses relativ kleine Refugium der unbekannten Aliens bot ein Füllhorn an Spuren und fremdartigen Werkstoffen, die man zur Erde mitnehmen und dort akribisch auf ihre spezifischen Eigenschaften untersuchen konnte. Das bedeutete Arbeit für viele Monate, wenn nicht sogar Jahre!

      Es bestand für irdische Wissenschaftler beispielsweise die Aussicht, ein fremdartiges, hitzeresistentes Material analysieren zu können. Hätte es sich bei der hellen Wandverkleidung um handelsüblichen Kunststoff gehandelt, wie man ihn auf der Erde herstellte, so wäre er wegen der Hitzeentwicklung der herannahenden Lava unweigerlich geschmolzen. Und dann war da noch jener geheimnisvolle Sirup, welcher konservierend wirkte und, ausgehärtet, Ritzen


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