Operation Terra 2.0. Andrea Ross

Operation Terra 2.0 - Andrea Ross


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belauscht!«

      Sein Kollege winkte ab. »Ach Quatsch, wir waren die Einzigen und Ersten, die den Frachtraum seit dem Aufsetzen betreten haben. Bestimmt ist wegen dem ständigen Rütteln bloß ein Uniblock verrutscht, das hört sich manchmal so an. Los, hauen wir ab, bevor der Obermotz uns suchen kommt!«

      Die Schleuse schloss sich zischend hinter den beiden, und Kalmes nahm endlich ihre Hand aus Solaras‘ Gesicht.

      »He, was machst du denn? Ich konnte kaum atmen«, maulte Solaras keuchend, der noch nicht ganz bei Sinnen war. Beide Flüchtlinge holten tief Luft, dann setzte ihn seine Gefährtin kurz und knapp über die erfolgte Landung in Kenntnis.

      »Wir sollten abwarten, bis sie zwei der Gleiter entladen haben. Anschließend müssen wir noch für eine Weile hier heimlich, still und leise ausharren. Wir entriegeln nach einer angemessenen Wartezeit Schleuse und Ladeluke manuell von in nen, schnappen uns den dritten Raumgleiter und machen uns unverzüglich auf den Weg nach Terra. Ein echter Glücksfall für uns, dass die Arbeiter heute nicht mehr alles auszuladen gedenken. Sonst hätten wir ganz schön improvisieren müssen«, freute sich Kalmes.

      Solaras‘ Gehirn verweigerte jedoch immer noch weitgehend den Dienst, er sinnierte angestrengt.

      »Und woher wissen wir, wann die Luft rein ist? Was wäre, wenn sie eine Wache aufgestellt hätten? Es gibt hier kein Fenster, durch das wir uns vergewissern könnten«, stellte er fest und rieb sich seufzend die Schläfen.

      »Wir müssen volles Risiko gehen und einfach darauf vertrauen, dass die Crew nur noch am Ausruhen interessiert ist. Die werden sich bestimmt alle gleich nach dem Dienst hinlegen wollen, mir persönlich wäre schließlich jetzt auch danach. Und wieso sollten sie eine Wache am Frachter aufstellen – auf einem bis dato definitiv menschenleeren Planeten?«, grinste Kalmes augenzwinkernd.

      »Stimmt … das hatte ich glatt vergessen. Weißt du was? Mir wäre lieber, wenn du heute das Denken für mich mit übernehmen könntest. Lass uns jetzt besser die Sachen zusammensuchen, die wir nachher in den Gleiter umpacken wollen.

      Igitt, riecht das hier streng … wenn wir nicht bald aus diesem besudelten Uniblock herauskommen, wird mir bestimmt gleich noch einmal übel.«

      *

      Das Entladen des ersten Raumgleiters bereitete den tiberianischen Arbeitern keine Freude. Stürmischer Wind kam auf, trieb rotbraune Staubteufel vor sich her. Man sah kaum die Hand vor Augen. Es dauerte deswegen ungewöhnlich lange, das Fluggerät hinaus zu bugsieren und zum nahen Hangar zu überführen.

      »Wir machen Schluss für heute!«, brüllte einer der Männer gegen das Tosen und Heulen des Windes an. »Die scharfkantigen Partikel ruinieren uns noch die Raumanzüge und schmirgeln womöglich die Oberflächen der Gleiter ab. Ich verspüre außerdem keine Lust, zum Schluss tonnenweise Sand aus der Schleuse zu saugen und Schäden zu reparieren. Wir machen Feierabend. Morgen ist schließlich auch noch ein KIN!«

      Drinnen warteten Solaras und Kalmes darauf, dass die Männer zurückkehrten. Doch dies geschah seltsamerweise nicht. Nach einer schier endlosen Wartezeit erhob sich letztere mit schmerzenden Gliedern, streckte sich und gähnte.

      »Wir müssen los. Die werten Kollegen aus der Sektion Landwirtschaft und Versorgung kommen heute Abend wohl kaum mehr zurück, haben scheinbar ihre Pläne geändert. Ich öffne die Schleuse, dann werfen wir einen vorsichtigen Blick nach draußen«, kündigte die Dozentin pragmatisch an.

      »Wenn du meinst? Ich hätte lieber noch gewartet«, brummte Solaras und schüttete sich ein wenig kühles Wasser übers lange Haar. Der Gedanke, in dieser desolaten Verfassung schon in Kürze einen Raumgleiter steuern zu müssen, schmeckte ihm überhaupt nicht. Er sah immer noch verzerrte Doppelbilder.

      Missmutig griff der geflohene Wissenschaftler nach den superelastischen PlantolaanBinden, mit denen er und Kalmes sich gegenseitig bis hinauf zum Hals umwickeln mussten, um jeden Millimeter ihrer Körper vor der lebensfeindlichen Außenwelt zu schützen. Binnen weniger Augenblicke konnte man zusehen, wie sich die einzelnen Wickellagen zu einem Ganzkörperanzug verbanden. Sie schulterten die Gasrucksäcke und ränderten die Schutzatmosphäre aus transparentem Kunststoff um den Hals, dann ließen sie das Gasgemisch einströmen. Die Nähte hielten dicht, die Folie blies sich auf.

      Kalmes nestelte gleich darauf konzentriert am mechanischen Öffnungsmechanismus. Dieser war mehrfach gesichert, damit die hermetische Versiegelung des Laderaums auch während unsanfter Flüge sicher geschlossen blieb. Abschließend musste sie eine vierstellige Zeichenfolge einstellen, die in den Verbundstoff der Innenverkleidung, direkt neben der Vorrichtung, eingeprägt war. Der massive Riegel klackte zurück. Ein Zischen verriet dem Paar, dass die Luftschleuse sich öffnete. Solaras fuhr bei dem lauten Geräusch erschrocken zusammen.

      Die Luke selbst ließ sich wiederum nur entriegeln, wenn man die Schleusentür hinter sich wieder schloss. Kalmes tat es mit flinken Fingern. Danach zog sie am Hebel, und die Lukentür glitt mit einem schabenden Geräusch zurück. Der feine Sand hatte hier offenbar schon Schaden angerichtet.

      Solaras‘ Befürchtung, dass man das Schaben außerhalb des Frachters gehört haben könnte, erwies sich schnell als gegenstandslos. Der Sturm hatte noch zugenommen, zwirbelte Unmengen an Marsstaub vom Boden, peitschte ihn kreuz und quer durch die Landschaft und trug ihn weit in die Höhe.

      Solaras und Kalmes lugten gemeinsam aus der Öffnung, unsicher, was sie da erwarten könnte. Sandkörner prasselten hart auf die reißfeste Folie ein, die bei tiberianischen Raumanzügen die Helme ersetzte.

      »Keine Chance, in diesen entfesselten Naturgewalten etwas zu erkennen. Am besten, wir sehen uns kurz draußen um und entladen einen der Gleiter. Egal wie schlecht die Sichtverhältnisse sind – wir müssen unverzüglich los! Sollte sich das Wetter in der nächsten Zeit bessern, will die Crew bestimmt weiter ausladen«, mutmaßte Kalmes achselzuckend.

      »Bei diesen extremen Windböen starten? Das wäre nicht ungefährlich!«, gab Solaras zu bedenken.

      »Das weiß ich. Es hat auch niemand behauptet, dass unsere Flucht ein Zuckerschlecken wird. Falls der Start gelingt, verschafft uns der Sturm einen Vorsprung. Bis sie morgen das Fehlen des Gleiters bemerken, befinden wir uns schon auf dem halben Weg nach Terra.«

      Ihr Begleiter nickte nur und stieg ins Cockpit des Raumgleiters, der der geöffneten Luke am nächsten stand. Ein Pfeifton, der immer höher wurde, signalisierte, dass er die Impulstrieb werke gestartet hatte. Kalmes raffte im Uniblock schnell ihre wenigen Besitztümer zusammen, dann stieg auch sie behände in den Gleiter. Ein Knopfdruck auf dem Panel zwischen den Sitzen, und ihr Körper wurde in den ergonomischen Schalensitz gesaugt, der sich augenblicklich ihren Konturen anpasste.

      Langsam schwebte das silberglänzende Gefährt durch die Schleuse. Die Sinne der beiden Insassen waren zum Bersten angespannt. Gleich wären sie im Freien … Kalmes‘ rot geränderte Augen tasteten die Umgebung ab. Sie hätte beim besten Willen nicht sagen können, ob sich Hindernisse in der Nähe befanden. Vor der rundum laufenden Scheibe erkannte man nichts anderes als rotierende Staubschlieren, die stetig die Richtung änderten.

      Gleich nach dem Verlassen der Schleuse erfasste eine Windbö das kleine Raumfahrzeug, schleuderte es scheppernd gegen die Außenwand des Frachters. Unwillkürlich schrie Kalmes auf. Solaras versuchte verzweifelt, die Steuerkontrolle zu bekommen. Vergeblich. Der Gleiter schlingerte wild hin und her, auf und ab, als besäße er gar keinen Antrieb. Es war vollkommen unmöglich, auszusteigen und die Luke des Frachters von außen wieder zu verriegeln. Sie mussten steil senkrecht aufsteigen, und das zügig.

      Es war lediglich einem gnädigen Zufall zu verdanken, dass in diesem Augenblick der Wind zwar stark, aber für einige Minuten nur noch aus einer Richtung wehte. So konnte Solaras den Gleiter mit voller Kraft gegen den starken Windstrom drücken und halbwegs kontrolliert neben einer Windsäule nach oben gleiten. Dennoch wurden sie ordentlich durchgeschüttelt. Oft drehte sich das scheibenförmige Vehikel um die eigene Achse und erschwerte dem Navigator so die Orientierung.

      Als sie die dünne Marsatmosphäre erreichten und das Tosen verschwunden war, atmeten beide auf.


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