Operation Terra 2.0. Andrea Ross

Operation Terra 2.0 - Andrea Ross


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      »Ja, über Generationen hinweg, so nach und nach. Die Menschen verlernten mit der Natur zu leben, bis diese eines Tages zurückschlug. Es entstanden durch all das Gift im Boden und in der Luft neue Krankheiten, die Atmosphäre wurde dünner und konnte nicht mehr vor der tödlichen Strahlung des Weltalls schützen. Sehr viele Bewohner sind gestorben, andere todkrank geworden. Am Ende konnte niemand mehr jene Maschinen bedienen, für welche man zuvor alles Lebenswerte geopfert hatte. Die letzten überlebenden Menschen flohen Hals über Kopf auf andere Planeten.«

      Alanna gähnte herzhaft, kuschelte sich in ihr Kissen. »Das ist aber eine traurige Geschichte. Selber schuld, dieses unvernünftige Volk. Wo hat es denn einst gelebt?«

      »Auf dem Mars. Dies war leider unsere eigene Geschichte, wie sie sich vor einigen CALABTUN auf unserem Heimatplaneten zugetragen hat. Nun stehen wir im Begriff, diese zerstörte Welt wieder neu zu besiedeln. So etwas Schlimmes darf dort nie wieder geschehen. Unsere Dynastie trägt die schwere Last der Verantwortung, damit die Chance auf einen Neuanfang richtig genutzt wird. Wenn du erwachsen bist, musst du sehr klug und umsichtig handeln. Versprichst du mir das?«

      »Ja, Vater. Mutter sagt, dort auf dem Mars wird alles besser und schöner werden als es hier jemals gewesen ist.«

      »Das hoffe ich in unser aller Interesse, mein kleiner Schatz. Nun schlaf schön«, flüsterte Kiloon und drückte seiner Tochter einen Gutenachtkuss auf die Stirn. Selig schlummerte sie ein, nicht ahnend, dass ihr Vater insgeheim vom glatten Gegenteil überzeugt war.

       Terra, 07. November 2118 nach Christus, Montag

      

      Annähernd hundert Jahre, nachdem Rainald Hemmauer erstmals die beängstigende AsteroidenAnimation ins Internet gestellt hatte, war diese noch immer nicht in Vergessenheit geraten. Natürlich hatten die beiden tiberianischen Exilanten damals explizit erwähnt, dass bei der Aufzeichnung außerirdische Technik im Spiel gewesen war und allein diese eine derart realistische Simulation ermöglicht habe. Solaras hatte sie über den Holographen ablaufen lassen, mit sich selbst im Mittelpunkt, und Rainald war derweil im Türrahmen gestanden und hatte das fulminante 3DSzenario samt der infernalischen Geräuschkulisse von außen gefilmt.

      In den ersten Jahrzehnten war der Beitrag belächelt worden, es hatte sogar Drohungen gegen die Urheber gegeben. Manche Blogger hatten es überaus witzig gefunden, schnoddrige Kommentare zu posten. Doch je mehr Zeit verstrich und je weiter die irdische HologrammTechnik voranschritt, desto mehr kam man auf den Gedanken, dass die Simulation doch identisch sein könnte. Schließlich war man auf der Erde inzwischen in der Lage, ähnlich klare Trugbilder zu erzeugen.

      Hinzu kam noch, dass der blaue Planet mehrfach mit einem ebenso blauen Auge davon gekommen war. Drei Asteroiden waren gegen Ende des 21. Jahrhunderts der Erde gefährlich nahe gekommen. Ein Objekt von der Größe eines Wohnblocks hätte um ein Haar den Mond zerschmettert, hatte sich dem Erdtrabanten bis auf 12.000 Kilometer genähert und aufgrund der Massenanziehung sogar dessen Umlaufbahn geringfügig verändert.

      Man war sensibilisiert. Was, wenn der riesige Asteroid aus der Aufzeichnung tatsächlich existierte und, von den vielen wachsamen Teleskopen unbemerkt, hinter der Sonne hervorträte und am 5. April 2272, also in etwas mehr als hundertfünfzig Jahren, einschlüge? Keine Frage, man musste vorbereitet sein. Für diesen oder einen anderen Planetenkiller.

      Neben verschiedenen mehr oder weniger durchführbaren Theorien zur Umleitung der vagabundierenden Himmelsbrocken schien die rechtzeitige Evakuierung der Erde inzwischen einer der gangbarsten Denkansätze zu sein. Der Mars lockte mit einem halbwegs gemäßigten Klima, in dem wieder Menschen existieren konnten. Es gab dort flüssiges Wasser, die Grundvoraussetzung für Leben. Nie und nimmer würde es zwar gelingen, die gesamte Bevölkerung der bedrohten Erde auf den ehemals roten, inzwischen eher rotgrünen Planeten zu transferieren – dafür hätte man die notwendigen Kapazitäten an Geld und Transportmitteln gar nicht besessen – aber die Menschheit an sich würde im dortigen Exil jegliche Megakatastrophe überdauern können.

      Insofern war es ein sehr beruhigendes Gefühl, dass die ersten Marssiedler aus dem staatlichen Pionierprogramm schon bald ihr neues Zuhause beziehen sollten. Zehn Raumfrachter der NASA, mit jeweils hundert Passagieren an Bord, befanden sich bereits auf der monatelangen Reise ins All. Man konnte bloß hoffen, dass dieser beispiellose Exodus ein glückliches Ende nahm. Falls alles gut ging, würden die Raumfrachter in wenigen Jahren die nächsten Siedler zum Mars transferieren.

      Unter den ersten Pionieren waren auch Swetlana und Philipp Emmerson, die zuvor monatelange Gesundheitschecks, ermüdende psychologische Sitzungen und straffe Fitnessprogramme durchlaufen hatten. Das Ehepaar haderte mittlerweile mit seiner Entscheidung, weil es in der bedrückenden Enge des Frachters wiederholt zu tätlichen Auseinandersetzungen zwischen den Marsmenschen in spe gekommen war. Selbst stabilste Psychen schienen das tatenlose Herumhängen sehr schlecht zu verkraften. So flammten bei geringfügigsten Anlässen schon erbitterte Streitigkeiten auf, die nicht selten in der Krankenstation endeten.

      »Wir müssen eisern durchhalten, Swetlana. Ein paar Wochen noch, und danach werden wir so viel Platz haben, dass wir all diesen aggressiven Idioten aus dem Weg gehen können«, tröstete Philipp seine entmutigte Gattin.

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